
Platzlgespräch mit Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser und Vizekanzler Andreas Babler.
© Jürg Christandl
Die „Platzlgespräche“
Kurze Wege, große Themen: Wo Politik und Gemeinde auf Augenhöhe redeten
Erstmals fanden auf Gemeindetag und Kommunalmesse „Platzlgespräche“ statt – kurze, offene Runden zwischen Bürgermeister:innen, Minister:innen und Expert:innen. Das neue Format zeigte, wie eng kommunale Realität und große Politik miteinander verflochten sind – und dass gemeinsame Lösungen oft dort entstehen, wo man einander zuhört statt überstimmt. Und plötzlich war da dieser rote Faden: Gemeinsam schaffen, was allein keiner stemmen kann.
Erstmals in dieser Form fanden während des Österreichischen Gemeindetages und der Kommunalmesse die „Platzlgespräche“ statt: Kein Podium, sondern Augenhöhe – keine Bühne, sondern Nähe. Man konnte zuhören, mitfragen, manchmal spontan einsteigen. Und das nicht iregendwem: Minister:innen, Expert:innen und Partner hatten eine offene Gesprächszone inmitten des Publikums. Das Interesse groß, in fast jedem Gespräch drifteten die Zuhörer über die reguläre Zeit hinaus weiter ins Gespräch, die Stühle wurden knapp, und es herrschte eine spürbare Spannung, wie direkt und ungeschönt Themen angesprochen wurden.
Diese Gespräche bilden ein neues Gerüst für den Austausch auf kommunaler Ebene – und zeigten, woran Kommunalpolitik heute rüttelt und reift.
Der rote Faden: Partnerschaft, Herausforderungen und Zukunftspolitik
In allen Gesprächen – von Vizekanzler Andi Babler, Landeshauptmann Peter Kaiser, den Minister:innen Gerhard Karner und Claudia Plakolm, Staatssekretär Sepp Schellhorn, EU-Repräsentant Marc Germeshausen, Volksanwältin Gaby Schwarz bis hin zur Christian Koch von der Hypo NÖ und Soziokratin Barbara Strauch – lassen sich wiederkehrende Themen identifizieren. Diese Themen verbinden und spiegeln zugleich die drängenden Fragen der (Kommunal-)Politik wider:
- Gemeinden sind Partner, nicht Rezipienten
Überall schwang mit: Gemeinden sind nicht Objekte, sondern aktive Partner. Ohne starke kommunale Strukturen gelingen viele politische Vorhaben nicht – von Familienpolitik über Sicherheit bis Digitalisierung.
- Finanzdruck und knapper Spielraum
Die Belastung der Gemeinden wächst: Personalkosten, neue Aufgaben, Infrastruktur, Bildung – mit jeder Erweiterung der Kompetenzen wächst auch das Finanzierungsproblem.
- Digitalisierung, Daten & Reformen
Viele Gespräche adressierten die Frage: Wie kann Verwaltung moderner, effizienter, transparenter werden? KI, IT-Lösungen, Verwaltungsverbünde – all das war Teil einer Vision von zukunftsfähigen Gemeinden.
- Bürgernähe, Kommunikation und Beteiligung
Nicht nur was entschieden wird, sondern wie Entscheidungen getroffen werden: gute Verwaltung heißt auch verständlich, dialogfähig und erklärend. Genau hier verorteten besonders Gespräche wie mit der Volksanwaltschaft oder zur Soziokratie eine notwendige Ergänzung.
- Mut zur Veränderung & übergreifende Perspektiven
Europa, Gleichstellung, Datensouveränität, moderne Governance: Mehr als lokale Verwaltung war im Spiel. Die Gemeinde wird in diesen Gesprächen als Schnittstelle zwischen globalen Herausforderungen und lokalem Leben sichtbar.
Stimmen des Formats: Auszüge aus den Gesprächen
- Vizekanzler Babler und Kärntens Landeshauptmann Kaiser stellten klar, dass das Finanzproblem kein Randthema ist. „Die Gemeinden brauchen grundsätzlich mehr Geld, um die dynamisch steigenden Ausgabenbereiche zu finanzieren.“ Damit verankerten beide deutlich das wiederkehrende Thema der finanziellen Enge.
- Familienminister Claudia Plakolm hob hervor, dass Gemeinden unverzichtbare Partner in der Familienpolitik seien – egal ob bei Kinderbetreuung, Integration oder Jugendförderung. Ohne Kooperation fehle das Fundament.
- Innenminister Gerhard Karner: „Sicherheit geht vor“ lautete eine oft gehörte Formel – ob bei Grenzkontrollen, Migration oder Cyberabwehr. Zugleich nahm der Innenminister als ehemaliger Bürgermeister die Gemeinden ernst in Fragen der Ressourcen und Digitalisierung.
- Staatssekretär Sepp Schellhorn: Der Staatssekretär sah Gemeinden als Brückenbauer und forderte Vereinfachung statt Zentralisierung – etwa durch Verwaltungsverbünde, transparente Datenlösungen und KI-Unterstützung.
- Europa-Experte Marc Germeshausen: Für ihn ist Europa nicht fern, sondern lokal spürbar. Viele EU-Rechtsakte wirken direkt in Gemeinden – und gerade Programme wie Leader oder Horizon müssen als greifbare Projekte erhalten bleiben.
- Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle brachte es mit den Worten „Frauen brauchen mehr Mut zur Macht“ auf den Punkt. Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf die strukturelle Ungleichheit in der Kommunalpolitik – ein Thema, das auch Volksanwältin Gaby Schwarz im Platzlgespräch streifte und das in vielen Gemeinden noch blinde Flecken offenlegt.
- Gaby Schwarz: Die Volksanwältin brachte den Ton der Kontrolle und Bürgernähe ein: Beschwerdemanagement, klare Sprache, transparente Verwaltung – oft beginnt Demokratie im täglichen Verwaltungsakt.
- Soziokratie-Gespräch: Mit Barbara Strauch, Leiterin der Soziokratie-Expert:innen-Ausbildung, gab es einen Ausflug in neues Denken – weg vom Mehrheitsprinzip hin zur integrativen Entscheidungsfindung. Ein Verfahren, das alle Stimmen einbindet und Konflikte verringern will.
- Das Finanzthema mit Christian Koch von der Hypo NOE stellt klar: Banken verstehen sich als Partner der Gemeinden – nicht nur Kreditgeber, sondern Berater, Innovatoren und Mitdenker. Digitalisierung, Langzeitplanung und Vertrauen standen im Zentrum.
Stärken und Herausforderungen einer Premiere
Die „Platzlgespräche“ waren ein Experiment – und eines, das gelungen ist. Zum ersten Mal wurde auf der Kommunalmesse und dem Gemeindetag ein Format erprobt, das Politik und Verwaltung aller Ebenen ganz bewusst in die Nähe zueinander brachte. Kein klassisches Podium, kein Rednerpult – sondern ein offenes Gespräch mitten im Trubel einer Fachmesse.
Die Stärke dieses Formats liegt genau darin: in der Unmittelbarkeit. Die Gespräche waren spontan, ehrlich, manchmal kantig – und gerade dadurch nah an der Realität der Gemeinden. Sie gaben Politiker:innen die Chance, jenseits vorbereiteter Statements zuzuhören und zu reagieren. Viele Besucher:innen schätzten diesen direkten Zugang, der oft mehr Erkenntnis brachte als manch große Diskussionsrunde.
Doch wie bei jeder Premiere zeigte sich auch, wo noch Luft nach oben ist. Manche Gespräche waren aus naheliegenden Gründen (der Faktor Zeit war kritisch) schlicht zu kurz, um Themen wirklich auszuleuchten. Der offene Charakter machte das Format lebendig, führte aber stellenweise auch zu Bruchlinien im Ablauf.
Trotzdem überwiegt der Eindruck eines geglückten Starts massiv: Ein Format mit Zukunft, das die kommunale Bühne um eine menschlichere, dialogorientierte Facette erweitert. Die Platzlgespräche haben gezeigt, dass Politik Nähe sucht – und dass Zuhören oft der erste Schritt zu Lösungen ist.