
Barbara Strauch erklärte das Modell der Soziokratie.
© Jürg Christandl
Platzlgespräch auf der Kommunalmesse
Gemeinsam entscheiden statt gegeneinander stimmen
Barbara Strauch erklärte, wie Gemeinden mit der Methode der Soziokratie zu besseren, gemeinsam getragenen Entscheidungen kommen – durch Zuhören, offene Diskussion und den Mut zum Konsent.
Barbara Strauch, Mitbegründerin des Soziokratiezentrums Österreich, brachte ein Thema auf die Bühne, das für viele Zuhörer neu war: die Soziokratie. Hinter dem kompliziert klingenden Begriff steckt eine einfache Idee – und eine tiefgreifende Veränderung: „Wir entscheiden gemeinsam.“
Was ist Soziokratie?
Soziokratie – wörtlich „Herrschaft der Gemeinschaft“ – ist ein Modell der gemeinsamen Entscheidungsfindung, das auf vier Prinzipien beruht:
- Konsent statt Mehrheitsbeschluss – Entscheidungen werden nicht mit „Ja“ oder „Nein“ abgestimmt, sondern solange diskutiert, bis niemand mehr einen schwerwiegenden Einwand hat.
- Kreisstruktur – Organisationen oder Gemeinden sind in verbundene Kreise gegliedert, die miteinander kommunizieren und sich gegenseitig vertreten.
- Doppelte Koppelung – Jede Ebene ist durch mindestens zwei Personen mit der nächsthöheren verbunden, um Austausch in beide Richtungen zu sichern.
- Offene Wahl – Personen werden in Rollen oder Funktionen durch offene, begründete Wahl bestimmt – nicht durch geheime Abstimmung oder Machtspiele.
Ziel ist es, kreative, tragfähige und wirklich gemeinsame Lösungen zu finden – ohne Verlierer.
Gemeinsam Lösungen finden
Strauch betonte, dass Soziokratie nicht einfach ein Verfahren, sondern ein Kulturwandel sei: Weg vom „Wer hat recht?“ hin zum „Wie lösen wir das gemeinsam?“. Gerade auf Gemeindeebene, wo Entscheidungen oft konkrete Auswirkungen haben, könne diese Methode helfen, parteipolitische Gräben zu überwinden und alle Stimmen einzubeziehen.
Ein Beispiel sei die niederländische Gemeinde Utrechtse Heuvelrug, die seit Jahren nach der soziokratischen Methode arbeitet – dort werden alle Bürgerinnen und Bürger vor Entscheidungen angehört, und der Gemeinderat entscheidet erst, wenn die Meinungsbildung abgeschlossen ist.
Bürgerbeteiligung und Vielfalt
In der Diskussion wurde gefragt, ob Soziokratie auch für Bürgerbeteiligung und inklusive Entscheidungsprozesse taugt. Strauch antwortete klar: Ja – die Methode selbst ist radikal inklusiv. Jeder, der Teil eines Kreises ist, wird gehört; jede Meinung fließt ein. Sie verwies auf den österreichischen Klimarat, der 2022 mit dieser Methode gearbeitet habe – 100 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger trafen dort in sechs Wochenenden Entscheidungen ohne Einwand.
Konflikte und Konsent
Auf die Frage nach Konfliktlösung erklärte Strauch, dass Soziokratie konfliktregulierend wirkt, weil sie alle Beteiligten einbindet und Kommunikation strukturiert. Konflikte entstünden gar nicht erst so häufig – oder würden schneller gelöst. „Konsent“ bedeute nicht, dass alle derselben Meinung sind, sondern dass niemand schwerwiegende Einwände hat: Man kann mitgehen, auch wenn man es anders gemacht hätte – Hauptsache, das Ziel wird gemeinsam getragen.
Mutige Entscheidungen und Freude an der Zusammenarbeit
Strauch und ihr Mitdiskutant Günther Todt beschrieben die Methode als Werkzeug für mutigere Entscheidungen, weil Einwände vorher integriert werden. So entstünden weniger Blockaden – und mehr Energie für die Umsetzung. Strauch schloss mit einem emotionalen Appell: Politik und Gemeindearbeit sollten „mehr Freude und weniger Spaltung“ bringen. „Wenn wir uns wirklich zuhören, entsteht nicht nur Konsens – sondern Gemeinschaft.“
Soziokratie ist also kein Schlagwort, sondern ein Werkzeug für die Zukunft: gemeinsam entscheiden, statt gegeneinander stimmen. Sie stärkt Beteiligung, Vertrauen und Kreativität – und könnte gerade in Gemeinden helfen, Demokratie neu zu beleben.