Professor Alexander Redlein benötigt dringend Gebäudedaten von kommunalen Liegenschaften, um KI-Modelle weiterzuentwickeln. Gemeinden werden gebeten, sich zu melden (siehe blauer Kasten unten).
Wenn Algorithmen Heizungen verstehen
Während die vierzehnjährige Tochter von Prof. Alexander Redlein unter KI vor allem ChatGPT versteht, arbeitet er an der TU Wien an etwas ganz anderem: lokalen neuronalen Netzwerken, die Energieverbräuche vorhersagen können, ohne dass Daten an große Cloud-Anbieter fließen. Das Besondere: Die KI lernt die Eigenheiten jedes einzelnen Gebäudes und erkennt Anomalien automatisch. Für Gemeinden könnte das ein Gamechanger sein – doch dafür braucht Redlein Gebäudedaten zum Trainieren seiner Modelle.
2.000 Gebäude, jeweils fünf Sensoren – schon sind wir bei 10.000 Zeitreihen, die analysiert werden müssen. „Überlegt euch mal, wie viele Personen ihr dafür braucht“, fordert Alexander Redlein sein Publikum am IFM-Kongress heraus. „Oder vielleicht automatisiert?“ Die Antwort liegt in künstlicher Intelligenz – aber nicht in den großen Cloud-Lösungen, vor denen viele Datenschützer warnen, sondern in lokalen, maßgeschneiderten Systemen.
Der Status quo: IoT ja, KI nein
Die TU Wien führt eine Datenbank mit wissenschaftlichen Publikationen und Use Cases zur Digitalisierung im Gebäudebereich. Das Ergebnis ist eindeutig: Internet of Things (IoT) ist längst Standard. „Es ist einfach schon eine Selbstverständlichkeit, dass ich kleine Geräte habe, die mir Daten über den aktuellen Zustand des Gebäudes liefern“, erklärt Redlein.“
Der „New Kid on the Block“ ist künstliche Intelligenz – und das Feld wächst explosionsartig. „In den letzten zwei Jahren ist das richtig gewachsen. Wir finden immer mehr Anwendungen in Richtung KI“, berichtet der Professor. Aber: Bei Energieoptimierung kommt derzeit nur IoT vor, nicht maschinelles Lernen. „Es wird alles manuell ausgewertet. Die Leute sitzen bei einem großen Bildschirm und warten, wo sich eine Linie nicht benimmt.“
Auch bei Betrieb und Wartung fehlt die Automatisierung weitgehend. Predictive Maintenance – also die Wartung basierend auf tatsächlichem Zustand statt starrem Zeitplan – ist theoretisch möglich, wird aber kaum eingesetzt. „Ich gehe nicht mehr zweimal im Jahr hin und schaue mir das an, sondern ich gehe hin, wenn die Daten sagen: Ups, das Gerät benimmt sich anders“, beschreibt Redlein die Vision.
Die Hardware-Seite: Industrierouter statt Gebäudetechnik
Bevor KI überhaupt arbeiten kann, braucht es Daten. Redleins Team setzt auf eine pragmatische, kostengünstige Lösung. Auf bestehende Stromzähler – etwa 20 Stück in einem typischen Gebäude – kommen Smart-Meter-Adapter für rund 70 Euro pro Stück. „Das Problem ist, der will den Key haben vom Nutzer, damit er die Daten auch entschlüsseln und senden kann“, erklärt Redlein die praktische Hürde.
Für die Datenübertragung nutzt das Team keine teure Gebäudetechnik, sondern einfache Industrierouter. „Entschuldigung an die Gebäudetechnikhersteller, die hier sind“, scherzt Redlein. „Ich brauche das zum Steuern. Aber wenn ich nur die Daten haben möchte – das Ding kostet 270 Euro. Mit Installation sind wir für die ganze Messtechnik unter 1.000 Euro. Eher so bei 500 bis 600 Euro.“
Diese Daten landen in einer zentralen Datenbank. Der übliche Weg: manuelles Auswerten. Sehr aufwendig. „Warum tut man da nicht irgendwas wie künstliche Intelligenz?“, fragt Redlein rhetorisch – und zeigt die Antwort.
Lokale neuronale Netzwerke: Klein, aber schlau
Die Lösung kommt aus einer Diplomarbeit von David Ossum. Im Kern: ein kleines neuronales Netzwerk, das für jedes Gebäude individuell trainiert wird. „Wir haben zuerst mit Regressionsanalysen angefangen, aber die lernen halt nicht selbstständig weiter“, erklärt Redlein den Unterschied zur klassischen Statistik.
Das neuronale Netz bekommt nicht nur historische Verbrauchsdaten, sondern auch beeinflussende Parameter – vor allem Wetterdaten. „Das kriege ich von Geodaten sehr einfach. Ich kann eigentlich relativ genau sagen: In dieser Liegenschaft waren so und so viele Sonnenstunden an dem Tag, es war der Wind und Sonstiges – alles, was Heizung und Heizbedarf beeinflusst.“
Das Prinzip: Die KI lernt das normale Verhalten des Gebäudes
Ideal funktioniert das bei gleichbleibender Nutzung. „Optimal ist das bei einem Gefängnis“, sagt Redlein trocken – und zeigt ein Diagramm, wo die Vorhersage (rote Punkte) fast perfekt auf den tatsächlichen Werten liegt. Ausnahmen gibt es trotzdem: ein Feiertag in Österreich, den die KI nicht kennt. „Sie glaubt, das muss irgendwo da oben sein, ist aber nicht da.“
Aber genau solche Abweichungen sind gewollt. Sie zeigen Anomalien – und die können vieles bedeuten:
- Ein defekter Sensor
- Ein Leck in der Wasserleitung
- Ein Fenster, das offen steht
- Eine Heizung, die nicht optimal arbeitet
- Ungewöhnliche Nutzungsmuster
Die zweite KI-Ebene: Fehlerdiagnose
Wenn eine Anomalie erkannt ist, kommt die nächste Frage: Was ist die Ursache? Auch hier setzt Redlein auf KI. „Wir können der KI sagen: Wenn so ein Muster vorkommt, dann dürfte es mit 20-prozentiger Wahrscheinlichkeit das sein“, erklärt er das Prinzip.
Das funktioniert aber nur mit „Tagging“ – Menschen müssen der KI beibringen, welche Muster welchen Fehlern entsprechen. „Das ist blöderweise immer noch manuelle Arbeit“, räumt Redlein ein. „Nur dann kann die KI sagen: Ah, wenn so ein Muster vorkommt, dann dürfte es mit 20-prozentiger Wahrscheinlichkeit das sein.“
Ein konkretes Beispiel aus der Praxis: Ein Wasserzähler zeigte plötzlich Nullverbrauch. Die Techniker öffneten ihn – und stellten fest, dass die Kamera, die den Zählerstand abliest, nicht mehr da war. „Aber jemand, der ziemlich intelligent war, wusste, dass er sein Smartphone laden muss“, erzählt Redlein. „Und das lief normalerweise über die Stromversorgung für die Kamera. Weil es so leicht zu erreichen war...“
Solche Fälle fließen ins Training der KI ein. Je mehr Daten, desto besser die Diagnose.
Der Datenschutz-Vorteil: Lokal statt Cloud
Der entscheidende Unterschied zu ChatGPT und Co.: Redleins neuronale Netzwerke laufen lokal. „Wir bieten euch lokale neuronale Netzwerke an, die nur für euch arbeiten, wo ihr nicht eure Daten hergebt“, betont er. „Aber wir können ausprobieren, wie wir hier die Energie optimieren können.“
Die Daten bleiben beim Eigentümer. Die KI wird vor Ort trainiert. Keine Abhängigkeit von amerikanischen Cloud-Anbietern, keine DSGVO-Probleme, keine Sicherheitsbedenken. „Eure Daten sind bei uns sicher, weil wir den ethischen Grundsätzen der Forschung entsprechen“, verspricht Redlein.
Stanford-Kooperation: Auslastung ohne Sensoren
Die Zusammenarbeit mit der Stanford University geht noch einen Schritt weiter. „Eine Reihe meiner Studenten wird demnächst in Stanford erforschen: Wie können wir die Auslastung abschätzen, ohne dass wir einen Sensor verwenden?“, kündigt Redlein an.
Die Idee: Antennenmasten in der Umgebung zeigen, wie viele Mobiltelefone eingeloggt sind. Öffentlicher Verkehr zeigt, wie viele Menschen in ein Gebiet fahren. „Das ist kein Sensor und das liefert nicht mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit die genaue Auslastung“, räumt Redlein ein. „Das ist ein Ansatz. Aber es ist ein Ansatz, wo wir testen, ob unsere Modelle besser funktionieren.“
Für Gemeinden könnte das interessant sein: Wann sind welche Gebäude tatsächlich ausgelastet? Wo wird geheizt, obwohl niemand da ist? Welche Räume werden nie genutzt?
Das Problem: Zu wenig Daten
„Wir haben nicht so viele Daten“, gibt Redlein zu. Und ohne Daten kann auch die beste KI nicht lernen. „Wir haben in sehr vielen Fällen nicht das Kontextwissen. Wenn dieses Datum nicht da ist, dann bedeutet das was.“
Deshalb ist Redlein auf Kooperationen angewiesen. „Ich bedanke mich viermal bei den Industriepartnern“, sagt er. Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter von Daikin hat sich mit Studenten zusammengesetzt und Zeit investiert, um Fehlermuster zu identifizieren. „Dadurch konnten wir das besser identifizieren.“
Auch bei der Frage, ob ein Fehler im Bestand selbst liegt – etwa ein Leck, das seit drei Jahren existiert und deshalb von der KI als „normal“ gelernt wurde – zeigt sich: „Dann kriege ich das auch nicht raus.“ Die KI ist nur so gut wie die Daten, mit denen sie gefüttert wird.
Die Rollenteilung: Forscher und Praktiker
Auf eine kritische Frage zu möglichem Overfitting in seinen Modellen reagiert Redlein offen: „Ich bin der größte Datenwissenschaftler, der künstliche Intelligenz lernt. Aber ich bin immer noch mehr der Content-Provider.“
Das sei genau der Grund, warum er die Kooperation mit Stanford schätze. „Du bist ein Spezialist bei AI. Die Kooperation zwischen dem Wissen – ok, wenn wir das sehen, dann könnte es vielleicht das sein, diese beeinflussenden Parameter könnten das sein – und deinem speziellen Wissen darüber, wie man KI aufbaut und optimiert, das ist, warum wir diese Kooperation suchen.“
Für kommunale Partner bedeutet das: Sie müssen keine KI-Experten werden. Sie bringen die Gebäude- und Praxiskenntnisse mit, die Forscher die technische Expertise.
Kosten-Nutzen: Was bringt das konkret?
Die Hardware-Kosten sind überschaubar: 500 bis 1.000 Euro pro Gebäude für die Basismessung. Die KI-Software wird im Rahmen der Forschungskooperation entwickelt – für die Partner kostenlos.
Der Nutzen:
- Automatische Überwachung: Keine manuellen Kontrollen mehr durch Mitarbeiter.
- Früherkennung: Probleme werden erkannt, bevor sie teuer werden.
- Energieoptimierung: 5-15% Einsparung sind realistisch.
- Predictive Maintenance: Wartung nach Bedarf statt nach Zeitplan.
- Datenhoheit: Keine Abhängigkeit von Cloud-Anbietern.
- Wissensaufbau: Die KI lernt die Eigenheiten jedes Gebäudes.
Was Gemeinden tun müssen
Die Anforderungen an Gemeinden, die mitmachen wollen:
- Gebäudedaten bereitstellen: Verbrauchswerte, Nutzungsinformationen, Baupläne.
- Messhardware installieren: Oft reicht die Nachrüstung bestehender Zähler.
- Kontextwissen einbringen: Wann wurde saniert? Welche Probleme gibt es? Was ist normal?
- Geduld haben: KI muss trainiert werden. Das braucht Zeit.
- Feedback geben: Sind die Anomalien echt? Welche Fehlerursache stimmte?
Die Vision: Sichere europäische KI
„Es wird uns helfen, solche Modelle weiterzumachen, und hier sichere europäische KI aufzubauen“, fasst Redlein seine Mission zusammen. Nicht abhängig von amerikanischen Tech-Giganten, nicht in rechtlichen Grauzonen, sondern made in Austria.
Die Alternative wären Cloud-Lösungen großer Anbieter. Die mögen bequem sein, werfen aber Fragen auf: Wer hat Zugriff auf die Daten? Wo werden sie gespeichert? Was passiert bei einem Anbieterwechsel? Sind die Systeme mit der DSGVO vereinbar?
Redleins Ansatz ist anders: Klein, lokal, transparent. „Ich bin immer noch mehr der Content-Provider“, sagt er über sich selbst. Kein Guru, der perfekte Lösungen verkauft, sondern ein Forscher, der mit Praktikern lernen will.
KI ist reif für die Praxis
Die Technologie ist da. Die Hardware ist erschwinglich. Die Methoden sind erprobt. Was fehlt, sind Gebäudedaten – und Partner, die bereit sind, neue Wege zu gehen.
Für Gemeinden bietet sich eine einmalige Chance: Sie können an der Entwicklung europäischer KI-Lösungen für Gebäudemanagement mitarbeiten, ohne selbst in teure Entwicklung investieren zu müssen. Sie profitieren von Forschungsexpertise der TU Wien und Stanford. Und sie behalten die volle Kontrolle über ihre Daten.
Der Ball liegt bei den Gemeinden. Die Frage ist nicht, ob KI im Gebäudemanagement kommt – sondern ob österreichische Gemeinden bei der Entwicklung dabei sind oder später Lösungen aus dem Silicon Valley kaufen müssen.
GEMEINDEN, MELDET EUCH!
Die TU Wien sucht kommunale Partner für KI-Forschung
Prof. Alexander Redlein und sein Team an der TU Wien benötigen dringend Gebäudedaten von kommunalen Liegenschaften, um ihre KI-Modelle weiterzuentwickeln. Ob Rathaus, Schule, Kindergarten, Sporthalle oder Bauhof – jedes Gebäude hilft, die Algorithmen besser zu machen.
Was Sie bekommen:
- Kostenlose Teilnahme am Forschungsprojekt
- Zugang zu modernster KI-Technologie
- Expertise von TU Wien und Stanford University
- Lokale KI-Lösungen ohne Cloud-Abhängigkeit
- Volle Datenkontrolle und DSGVO-Konformität
- Konkrete Energieeinsparungen in Ihren Gebäuden
Was benötigt wird:
- Historische Verbrauchsdaten (Strom, Wärme, Wasser)
- Informationen zur Gebäudenutzung
- Bereitschaft zur Installation einfacher Messtechnik
- Ansprechpartner vor Ort für Rückfragen
Prof. Alexander Redlein betont: „Bitte kommt zu uns, wir brauchen eure Unterstützung, eure Daten. Die sind bei uns sicher, weil wir den ethischen Grundsätzen der Forschung entsprechen. Aber es wird uns helfen, solche Modelle weiterzumachen und hier sichere europäische KI aufzubauen.“
KONTAKT
Prof. Dr. Alexander Redlein, TU Wien, Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement, Bereich Industriebau und Interdisziplinäre Bauplanung
E-Mail: alexander.redlein@tuwien.ac.at
Tel.: +43 1 58801 206000
Web: www.tuwien.at/cee/ibb
Interessierte Gemeinden werden gebeten, sich direkt zu melden. Die Zusammenarbeit erfolgt im Rahmen von Forschungsprojekten und ist für kommunale Partner grundsätzlich kostenfrei. Je mehr Gemeinden sich beteiligen, desto besser werden die KI-Modelle – und desto größer der Nutzen für alle Teilnehmer.