Burghauptmann Reinhold Sahl (rechts) bei seinem Vortrag.
Wenn historische Mauern digital werden
Was hat die Wiener Hofburg mit den mehr als 55.000 Gebäuden österreichischer Gemeinden gemeinsam? Mehr als man zunächst denkt. Beim 18. IFM-Kongress an der TU Wien zeigte sich, dass die Lösungen, mit denen Burghauptmann Reinhold Sahl die historischen Gemäuer der Hofburg in die digitale Zukunft führt, wegweisend für die gesamte kommunale Immobilienwirtschaft sein könnten.
Ohne rechtliche Verpflichtung hat Reinhold Sahl das Thema Energieeffizienz und ESG zu seiner Priorität erklärt. Der Grund ist pragmatisch: Energieverbräuche stellen in historischen Gebäuden einen enormen Kostenblock dar. Doch statt auf teure, invasive Sanierungen zu setzen, geht die Burghauptmannschaft einen anderen Weg.
In Zusammenarbeit mit der TU Wien wurde eine kostengünstige, gering invasive Lösung entwickelt, die auf IoT-Messgeräten, Smart-Meter-Adaptern und modernen Industrieroutern basiert. Diese Hardware-Architektur, entstanden aus einer Kooperation der TU Wien mit Stanford, ermöglicht eine wesentlich günstigere Datenerfassung als klassische Gebäudetechnik. Die Software ANDA wertet die Daten aus und macht Energieströme transparent.
Besonders bemerkenswert: Historische Elemente wie Kastenfenster werden nicht als Problem, sondern als Lösung betrachtet. Bei bewusstem Einsatz erweisen sie sich sogar als Energiesparer. Die Dokumentation erfolgt in einem 3D-Tool, in dem Messgeräte und IT-Komponenten verortet werden – das vereinfacht Wartung, Fehlersuche und Sanierungsplanung erheblich.
Relevanz für Gemeinden
Diese Technologie ist für kommunale Liegenschaften hochinteressant. Viele Gemeinden verfügen über denkmalgeschützte oder historische Gebäude – Rathäuser, Schulen, Kultureinrichtungen –, bei denen kostenintensive Vollsanierungen oft nicht realisierbar sind. Die kostengünstige Nachrüstung mit österreichischen Produkten könnte hier einen gangbaren Weg darstellen. Der Rollout erfolgt durch innovative heimische Firmen und generiert lokale Wertschöpfung.
Künstliche Intelligenz macht Verbräuche vorhersehbar
Professor Alexander Redlein von der TU Wien zeigte am Kongress, wie aus gesetzlicher Verpflichtung ein Mehrwert wird. Auf Basis der ESG-Messdaten und Forschung gemeinsam mit der Stanford University werden lokale neuronale Netzwerke trainiert. Diese können Verbräuche anhand aktueller Wetter- und Nutzungsdaten vorhersagen.
Bei Abweichungen werden Service-Mitarbeiter oder Analytiker automatisch informiert. Künstliche Intelligenz gibt erste Hinweise auf mögliche Mängel. Entscheidend ist dabei: Es handelt sich um eine lokale Lösung, die österreichische Wertschöpfung generiert und nicht von ausländischen Cloud-Anbietern abhängig ist.
ESG-Reporting: Aufschub, aber kein Ausstieg
Dennis Pietzka von PwC Österreich räumte mit Gerüchten auf: ESG-Reporting ist nicht vom Tisch. Geplant ist lediglich ein \"Stop the clock\"-Proposal – eine Verschiebung der Erstanwendung um rund zwei Jahre. In dieser Zeit sollen Vereinfachungen erarbeitet werden, etwa eine Einschränkung des Anwendungsbereichs auf Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitenden und 450 Millionen Euro Umsatz sowie Vereinfachungen der ESRS-Standards.
Das Ziel, bis 2050 CO₂-neutral zu sein, bleibt jedoch bestehen. Dafür sorgen auch andere Regelungen wie das Energieeffizienzgesetz. Gemeinden sollten sich daher weiterhin mit dem Thema auseinandersetzen, auch wenn konkrete Erleichterungen noch zu beschließen sind.
Cybersicherheit: Vom Luxus zur Pflicht
Alessandro Friedreich warnte eindringlich vor der Verletzlichkeit von Gebäuden durch Gebäudetechnik und deren externe Steuerung. Das Netz- und Informationssystemsicherheitsgesetz (NISG) sowie das Resilienz kritischer Einrichtungen-Gesetz (RKEG) erweitern die bisherige IT-Sicherheitssicht um Gebäudeaspekte.
Während das RKEG nur auf dezidiert genannte Infrastruktur anzuwenden ist, verlangt das NISG – abhängig von Größe und Unternehmenszweck – eine interne Risikoanalyse. Bei Verstößen drohen Strafen bis zu 500.000 Euro für die Unternehmensführung. Viele Experten sprechen bereits von einem hybriden Krieg, in dem sich Europa befindet.
Die gute Nachricht: Mit einfachen Mitteln lässt sich die Sicherheit erheblich verbessern. Bessere Firewalls, rechtzeitige Systemupdates und Backup-Stromversorgung sind kostengünstig umsetzbar und stärken die Resilienz erheblich. Für kommunale Betreiber kritischer Infrastruktur wie Wasserwerke, Krankenhäuser oder Energieversorger ist dies längst kein Luxusthema mehr.
Fachkräftemangel: Workplace als Recruiting-Tool
Dass Immobilien auch beim Kampf um Fachkräfte eine Schlüsselrolle spielen, zeigten Marco Porak, Generaldirektor IBM Österreich, und Ursula Schöneborn-Siligan, CFO von MIC Customs Solutions. Beide Unternehmen haben massiv in mitarbeiterorientierte Workplace-Konzepte investiert.
Das Credo: \"Das Unternehmen investiert nicht in Flächen, sondern in Menschen.\" Komfort ist keine Verschwendung, sondern Voraussetzung für Produktivität. Das Ergebnis: geringe Fluktuation und Erfolge beim Recruiting. Auch für Gemeinden, die im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter stehen, könnte dies ein Denkanstoß sein.
Internationale Kooperation als Zukunftsmodell
Der IFM-Kongress legte auch den Grundstein für eine Zusammenarbeit zwischen der TU Wien und dem IIT-Bombay. In einer gemeinsamen Winter School zum Thema \"ESG in Practice\" werden Studierende in smarten Technologien wie IoT, KI und Workplace Management weitergebildet. Eine Design-Thinking-Challenge soll innovative Lösungsansätze für aktuelle Problemstellungen österreichischer und indischer Immobilienunternehmen kreieren.
Von der Theorie zur kommunalen Praxis
Der 18. IFM-Kongress machte deutlich: Die Immobilienwirtschaft steht vor gewaltigen Herausforderungen – von der Energiewende über Cybersicherheit bis zum Fachkräftemangel. Gleichzeitig sind die technologischen Lösungen oft bereits vorhanden und erprobt.
Die Burghauptmannschaft zeigt exemplarisch, wie historische Bausubstanz mit modernen, kostengünstigen Technologien zukunftsfit gemacht werden kann. Diese Lösungen sind unmittelbar auf die mehr als 55.000 kommunalen Gebäude in Österreich übertragbar – vom denkmalgeschützten Rathaus bis zur Pflichtschule. Entscheidend wird sein, ob die Kommunalpolitik die Zeichen der Zeit erkennt und in Innovation investiert, statt nur auf gesetzlichen Druck zu reagieren.
Die Burghauptmannschaft Österreich
Die Burghauptmannschaft Österreich ist eine nachgeordnete Dienststelle des Bundesministeriums für Wirtschaft, Energie und Tourismus. Dienststellenleiter (und damit Burghauptmann) ist Hofrat Reinhold Sahl.
Mit einer Gesetzesänderung im Jahr 2000 wurden der Burghauptmannschaft Österreich jene Gebäude und Liegenschaften innerhalb und außerhalb Österreichs übertragen, die zum kulturellen und historischen Erbe Österreichs gezählt werden. Darunter befinden sich neben der Hofburg Wien, das Bundeskanzleramt und das Schloss Belvedere sowie das Regierungsgebäude am Stubenring (ehemaliges k.u.k. Kriegsministerium) und mehrere Palais in Wien. Weiters sind die kaiserliche Hofburg zu Innsbruck, das Schloss Ambras, das Schloss Hof sowie das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen unter den insgesamt 105 Liegenschaften zu nennen.
Die durch die Burghauptmannschaft Österreich verwalteten Liegenschaften weisen auf Grund ihrer baulichen Beschaffenheit eine eingeschränkte Nutzbarkeit auf, unterliegen bestimmten völkerrechtlichen oder gesetzlichen Verpflichtungen oder werden von den Obersten Organen des Bundes für staatspolitische oder hoheitliche Aufgaben genutzt.
Zu den zentralen Aufgaben der Burghauptmannschaft Österreich zählt somit die nachhaltige Erhaltung und Bewirtschaftung sowie der nachhaltige Kultur- und Tourismusbetrieb im baukulturellen Erbe der Republik Österreich.
18. IFM-Kongress
Der IFM-Kongress (Immobilien und Facility Management) fand am 13. und 14. November 2025 an der TU Wien statt. Die zweitägige Konferenz brachte Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlicher Hand zusammen. Schwerpunkte waren Workplace Experience, ESG und Nachhaltigkeit sowie Cybersicherheit in der Immobilienwirtschaft. Der Kongress wird jährlich von der TU Wien ausgerichtet und gilt als wichtigste Fachveranstaltung für Immobilienmanagement im deutschsprachigen Raum.