Marc Germeshausen
Marc Germeshausen: „70 Prozent aller EU-Beschlüsse haben direkten Einfluss auf Gemeinden.“

Platzlgespräch am Gemeindetag

Europa vor Ort: Warum Gemeinden die Brückenbauer der EU sind

Marc Germeshausen betonte beim Gemeindetag die Bedeutung lokaler Ansprechpartner für Europa. Gemeinden sollen EU-Themen sichtbar machen, Förderprogramme nutzen – und so zeigen, dass Brüssel direkt im Alltag wirkt.

Marc Germeshausen, Leiter von Europe Direct Kärnten und Direktor des Europahauses Klagenfurt, brachte die europäische Perspektive ins Platzlgespräch. Seit mehr als 60 Jahren vermittelt seine Einrichtung Bürgeranliegen an Brüssel – und macht Europa auf lokaler Ebene sichtbar. Germeshausen selbst ist tief in der Jugendarbeit und im Vereinswesen verwurzelt, was er als Schlüssel für gelebte Demokratie bezeichnet.

Europa fängt in der Gemeinde an

Germeshausen betonte, dass 70 Prozent aller EU-Beschlüsse direkten Einfluss auf Gemeinden haben. Daher brauche es in jeder Kommune Ansprechpartner – die rund 1.600 Europagemeinderätinnen und -räte. Sie fungierten als Bindeglieder, organisierten Veranstaltungen und hielten den Dialog mit den Bürgern. „Europa darf nicht selbstverständlich werden – wir alle sind Europa, auch in den Gemeinden“, so sein Credo.

Informationsdefizite und Imageproblem

Viele Kritikpunkte an der EU seien Missverständnisse über Zuständigkeiten. Germeshausen sprach offen von einem Imageproblem: Medien griffen lieber Negatives auf, während Errungenschaften wie kostenloses Roaming kaum erwähnt würden. Wichtig sei daher Transparenz und Sichtbarkeit: EU-geförderte Projekte müssten klar gekennzeichnet und offensiv kommuniziert werden.

Förderungen und Projekte

Für Gemeinden seien Leader-Projekte das greifbarste EU-Instrument. Doch deren Zukunft sei ungewiss: Die aktuelle Periode laufe 2027 aus, im neuen Finanzrahmen seien sie bisher nicht vorgesehen. Germeshausen rief die Bürgermeister dazu auf, Druck zu machen, damit diese Förderung erhalten bleibt.

Daneben verwies er auf weitere Programme wie EFRE, ESF, Horizon Europe oder Creative Europe – und berichtete von neuen Initiativen wie Pro-European-Values-AT, das Projekte zur Vermittlung europäischer Werte mit bis zu 50.000 Euro unterstützt. Beispiele reichen von Demokratieworkshops über digitale Schnitzeljagden bis hin zu Online-Kampagnen gegen Desinformation.

Neue EU-Prioritäten: Wohnen, Mobilität, Netzausbau

Neu sei, dass die Europäische Kommission erstmals leistbares Wohnen als Priorität aufgenommen habe – ein wichtiges Signal für junge Menschen im ländlichen Raum. Weitere Schwerpunkte: Breitbandausbau, Mobilität und Energie. Als Beispiel nannte Germeshausen den Koralmtunnel, der ganze Regionen näher zusammenrücke und Chancen für Tourismus und Arbeitsmarkt biete.

Gemeinden als Brückenbauer

Zum Abschluss forderte Germeshausen, dass Gemeinden aktiv Europa in den Alltag tragen: durch Dialog, Informationsveranstaltungen und Kooperation mit den über 220 Europahäusern. „Europa wird in den Dörfern und Städten greifbar – dort entscheidet sich, ob der europäische Gedanke lebendig bleibt.“

Das Platzlgespräch mit Marc Germeshausen machte deutlich: Die EU ist kein fernes Brüssel, sondern wirkt täglich in den Gemeinden. Sein Appell: mehr Sichtbarkeit, mehr Dialog und das Bewahren zentraler Förderprogramme wie Leader, damit Europa im Alltag der Menschen spürbar bleibt.

Schlagwörter