Bundeskanzler Christian Stocker, Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit Ehefrau Doris Schmidauer, Gemeindebundpräsident Johannes Pressl, Landeshauptmann Peter Kaiser und der Klagenfurter Bürgermeister Christian Scheider.
Bundeskanzler Christian Stocker, Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit Ehefrau Doris Schmidauer, Gemeindebundpräsident Johannes Pressl, Landeshauptmann Peter Kaiser und der Klagenfurter Bürgermeister Christian Scheider.
© Jürg Christandl

Gemeindetag in Klagenfurt: Reformen, Finanzen und mehr Frauen in der Politik

Bei der Haupttagung des Österreichischen Gemeindetages in Klagenfurt standen die angespannte Finanzlage der Gemeinden und notwendige Reformen im Mittelpunkt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Christian Stocker und zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus der Kommunalpolitik diskutierten über Lösungen.

Zu Beginn der Veranstaltung, stand das Thema Frauen in der Politik im Mittelpunkt. Doris Schmidauer, Ehefrau des Bundespräsidenten und Schirmherrin der österreichischen Bürgermeisterinnen, betonte: „Frauen sind auf keiner politischen Ebene ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend vertreten." Frauenpolitik sei nicht nur Frauensache, sondern ein Anliegen der gesamten Gesellschaft.

Maria Knauder, Bürgermeisterin aus St. Andrä im Lavanttal, verwies auf die ungleiche Verteilung der Kinderbetreuung: „Kinderbetreuung liegt immer noch großteils in den Händen der Frauen, da bleibt oft kaum Zeit, sich politisch zu betätigen."

Silvia Häusl-Benz, Bürgermeisterin von Pörtschach, forderte funktionierende Familienstrukturen und Programme, die Frauen ermutigen und fördern. Und Christian Scheider, Bürgermeister von Klagenfurt, sagte: „Menschen brauchen Vorbilder." Frauen hätten andere Blickwinkel und könnten wichtige Erfahrungen einbringen, etwa bei der Stadtplanung.

Moderatorin Martina Klementin, Bürgermeisterinnen-Schirmherrin Doris Schmidauer, der Klagenfurter Bürgermeister Christian Scheider und die Bürgermeisterinnen Maria Knauder und Silvia Häusl-Benz.

Gemeinden fordern mehr Geld

Günther Albel, Bürgermeister von Villach und Vertreter des Städtebundes, sprach in seinen Grußworten die finanzielle Notlage vieler Gemeinden an. Er kritisierte, dass die Grundsteuer seit 40 Jahren nicht erhöht wurde. In Kärnten könnten 80 von 132 Gemeinden nicht mehr positiv abschließen.

Albel appellierte an den Bundeskanzler: „Gebt's uns das Geld, das uns zusteht – vielleicht ein bisschen mehr – dann brauchen wir keine Anschubfinanzierungen, keine Subventionen und KIP-Mittel, dann erledigen wir auch unsere Aufgaben."

Van der Bellen: Investieren und reformieren

Bundespräsident Alexander Van der Bellen begann seine Rede im Kaunertaler Dialekt, wechselte dann aber ins Hochdeutsche, „damit mich alle verstehen". Er sagte: „Die Wirtschaftslage erfordert, dass wir investieren, die Budgetlage erfordert, dass wir reformieren."

Van der Bellen betonte die gemeinsame Verantwortung: „Österreich ist unser gemeinsames Projekt, und wir sind alle verantwortlich, dass dieses Projekt gelingt." Dass dies gelinge, zeige eine aktuelle Umfrage, wonach die Bevölkerung den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern vertraue.

Pressl: Vertrauen verpflichtet

Gemeindebundpräsident Johannes Pressl erinnerte an den Gemeindealltag: Während einer Freitagvormittagstagung sitzen Kinder in Kindergärten, Bürgerinnen und Bürger kommen aufs Gemeindeamt. „Wir lösen stündlich große und kleine Probleme", sagte Pressl.

Das Vertrauen in die Kommunalpolitik liege laut Umfragen bei 54 Prozent. Gleichzeitig änderten sich Gesellschaft und Ansprüche. „Früher war es Individualismus, heute oft Egoismus", so Pressl. Die Bereitschaft, sich einzubringen, nehme ab, während die Erwartungen steigen.

Drei Forderungen zu den Finanzen

Pressl nannte drei konkrete Forderungen:

  1. Netto-Null-Neuverschuldung bis 2030: Die Gemeinden bekennen sich zum Ziel, keine neuen Schulden zu machen.
  2. Faire Mittelverteilung: Einnahmen wie die CO₂-Bepreisung oder die Digitalsteuer sollen gerecht zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilt werden.
  3. Anpassung der Grundsteuer: Die Grundsteuer sei seit 40 Jahren unverändert geblieben. Eine moderate Anpassung um 60 bis 80 Euro pro Jahr sei notwendig.

Reformvorschläge in drei Bereichen

Pressl sprach auch über notwendige Reformen:

  • Kinderbetreuung: Die Gemeinden seien bereit, die Verantwortung für die Kinderbetreuung vollständig zu übernehmen. Im Gegenzug könnten sie sich aus der Gesundheitsfinanzierung zurückziehen.
  • Kooperationen: Pressl will keine Gemeindezusammenlegungen, sondern „Multidienstleistungsverbände". Diese sollen mehrere Aufgaben bündeln, etwa in den Bereichen Wasser, Kanal oder Abgabenverwaltung.
  • Digitalisierung: Digitalisierung könne helfen, Nahversorgung in Ortszentren zurückzubringen, etwa durch automatisierte Selbstbedienungsläden. Pressl rief dazu auf, die ID Austria zu unterstützen.

Pressl appellierte an Bund und Länder, ehrlich über Zuständigkeiten und Finanzierung zu sprechen. „Das wird auch manchen wehtun", sagte er, „aber ohne starke Gemeinden geht es nicht."

Stocker: Effizienz statt Kahlschlag

Bundeskanzler Christian Stocker bezeichnete seinen Besuch am Gemeindetag als „ein bisschen wie Heimkommen". Der ehemalige Vizebürgermeister von Wiener Neustadt sagte: „Das Rüstzeug, das ich mir in der Kommunalpolitik angeeignet habe, war wichtig für meine jetzige Position als Bundeskanzler."

Christian Stocker
Bundeskanzler Christian Stocker: „Das Rüstzeug, das ich mir in der Kommunalpolitik angeeignet habe, war wichtig für meine jetzige Position als Bundeskanzler."

Angespannte Finanzlage

Stocker sprach offen über die schwierige Finanzlage. Die Pandemie, die Energiekrise und die Inflation hätten die Ausgaben stark erhöht. Er nannte konkrete Zahlen:

  • Inflationsrate: 4 Prozent
  • Wirtschaftswachstum 2023: –1,2 Prozent
  • Prognose 2024: +0,3 Prozent
  • Abgabenquote: rund 43,8 Prozent
  • Staatsquote: 56,3 Prozent

Die Einnahmen seien hoch, aber die Ausgaben höher. Das führe zu einem Budgetdefizit, das alle Ebenen betreffe.

Drei mögliche Wege

Stocker sprach drei Wege an:

  1. Mehr Geld ausgeben – keine Option, weil das Geld fehlt.
  2. Sparen – notwendig, aber ohne starke Leistungskürzungen.
  3. Effizienz steigern – der wichtigste Weg.

Er warnte davor, sich „zu Tode zu sparen". Ziel müsse sein, Leistungen zu sichern und Ressourcen klug zu nutzen.

Reformpartnerschaft in drei Bereichen

Der Kanzler begrüßte die Reformpartnerschaft mit dem Gemeindebund und den Ländern. Drei Bereiche stehen im Fokus:

  • Bildung: Reformen müssten aus Sicht der Schülerinnen und Schüler sowie der Pädagoginnen und Pädagogen gedacht werden. Ziel sei es, grundlegende Kompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen zu sichern.
  • Gesundheit: Ziel seien bessere Strukturen und kürzere Wartezeiten.
  • Verwaltung: Verfahren sollen einfacher und schneller werden.

Stocker betonte die Notwendigkeit, Aufgaben und Zuständigkeiten klar zu regeln. Ideologische Auseinandersetzungen seien fehl am Platz. Die Reformpartnerschaft will bis Ende 2026 konkrete Ergebnisse vorlegen.

Der Gemeindetag in Klagenfurt zeigte: Die Gemeinden stehen unter finanziellem Druck, sind aber bereit, Reformen mitzutragen. Alle Beteiligten betonten die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Stocker schloss mit einem Appell: „Es geht nicht darum, wer zuerst recht hat – sondern dass wir gemeinsam gewinnen: die Menschen in unserem Land und ein moderner, effizienter Staat."

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