Moderatorin Martina Klementin und Kathrin Stainer-Hämmerle
Kathrin Stainer-Hämmerle mit Moderatorin Martina Klementin.
© Jürg Christandl

Gemeindetag und Kommunalmesse

Frauen brauchen mehr Mut zur Macht

Bei einem Platzlgespräch sprach Kathrin Stainer-Hämmerle über hartnäckige Hürden für Politikerinnen und die Bedeutung echter Bürgerbeteiligung. Die Botschaft: Ansprechen, ermutigen und Strukturen ändern.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Die Frauenquote in der Politik ist nach wie vor viel zu niedrig. Doch woran liegt das? Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle hat im Auftrag des Gemeindebundes Bürgermeisterinnen und Bürgermeister befragt – mit aufschlussreichen Ergebnissen.

Vereinbarkeit als größte Hürde – aber nicht die einzige

Als Haupthindernis nannten beide Geschlechter die schwierige Vereinbarkeit von Politik und Familie. Interessanterweise erwähnten männliche Amtsinhaber diesen Punkt sogar häufiger als ihre weiblichen Kolleginnen – offenbar sehen sie dieses Problem vor allem bei Frauen. Beim zweitgenannten Grund jedoch zeigten sich deutliche Unterschiede: Während Männer meinten, Frauen hätten schlicht kein Interesse, diagnostizierten Bürgermeisterinnen mangelndes Selbstbewusstsein bei Frauen.

„Ich glaube, beides stimmt tatsächlich", so Stainer-Hämmerle. Doch einfach zu sagen, Frauen wollten halt nicht, greife zu kurz. Vielmehr seien es männlich geprägte Parteistrukturen, die vorherrschende Diskussionskultur – oder besser: Unkultur – sowie ungünstige Sitzungszeiten am Abend, die Frauen den Zugang erschwerten.

Das ambivalente Verhältnis zur Macht

Ein weiteres Phänomen beobachtet die Politologin immer wieder: Frauen hätten ein „ambivalentes, wenn nicht ablehnendes Verhältnis" dazu, Macht für sich zu beanspruchen und in Führungspositionen zu gehen. Das liege nicht am biologischen Geschlecht, sondern daran, was man Frauen zutraue und wie sie sozialisiert würden. Selbst Vizebürgermeisterinnen sehen sich oft nicht als „Kronprinzessinnen": 46 Prozent gaben in der Umfrage an, nicht Bürgermeisterin werden zu wollen – eine Quote, die Stainer-Hämmerle selbst erstaunte.

Daniela Klampfl, neue Vizepräsidentin des Gemeindebundes, bestätigte dies aus eigener Erfahrung: Die Mehrfachbelastung durch Familie, Beruf und Politik sei für viele Frauen einfach zu groß. „Wir brauchen mehr Weiblichkeit in der Politik. Das tut den Gemeinden gut", appellierte sie.

Niederösterreich als Vorreiter – Kärnten als Schlusslicht

Regional gibt es große Unterschiede: In Niederösterreich ist die Frauenquote unter den Bürgermeisterinnen am höchsten – möglicherweise, weil es dort keine Direktwahl gibt und damit eine Hürde wegfällt. Bei den Landtagen hingegen ist Kärnten mit nur sechs Mandatarinnen Schlusslicht. Vorarlberg dagegen erreichte erst diese Woche als erstes parlamentarisches Gremium in Österreich eine 50-Prozent-Quote: 18 Frauen, 18 Männer. Die Grünen und Neos hätten dort Standards gesetzt, denen auch die ÖVP gefolgt sei.

Quote ja oder nein?

Auf die Frage nach Quotenregelungen zeigte sich Stainer-Hämmerle pragmatisch: „Wir haben ein freies Wahlrecht, da ist es schwierig, eine Quote einzuführen." Denkbar wäre jedoch, einen Teil der Parteienförderung an Quoten zu binden. Parteien täten das, was Wählerinnen und Wähler belohnten – insofern liege es auch an der Gesellschaft, Diversität zu honorieren.

Die effektivste Maßnahme bleibe jedoch: Frauen direkt ansprechen, ermutigen und unterstützen. „Sie brauchen vielleicht einen Schubser mehr", so die Politologin. Tatsächlich gaben Bürgermeisterinnen als häufigsten Grund für ihr Engagement an: „Ich wurde überredet." Männer hingegen wollten vor allem „etwas gestalten und verändern".

Frauen bringen andere Themen ein

Dass mehr Frauen in der Politik wichtig sind, liegt für Stainer-Hämmerle nicht daran, dass sie per se bessere Politik machten. „Aber sie bringen andere Themen ein." Als Beispiel nannte sie das Dick-Pick-Verbot: „Das wäre undenkbar gewesen, wenn es nicht so viele Frauen im Parlament gegeben hätte, die gesagt haben: Ja, das ist für uns ein Problem."

Bürgerbeteiligung braucht Vertrauen und einen langen Atem

Beim zweiten großen Thema des Abends, der Bürgerbeteiligung, warnte Stainer-Hämmerle vor einem falschen Einsatz: Werde sie nur genutzt, um bereits getroffene Entscheidungen absegnen zu lassen, sei das kontraproduktiv. Echte Bürgerbeteiligung brauche einen langen Atem und sei eine Kulturfrage.

„Selten hat jemand untersucht, wie sehr Politiker überhaupt ihren Bürgern vertrauen", gab sie zu bedenken. Politik müsse bereit sein, Macht aus der Hand zu geben und den Menschen zuzutrauen, selbst Lösungen zu finden – auch wenn diese anders ausfallen als ursprünglich gedacht. Das stärke das Vertrauen und erhöhe die Identifikation mit den Entscheidungen.

Wichtig sei: Bürgerräte sollten beratend wirken, nicht verbindlich entscheiden. „Die gewählten Mandatarinnen und Mandatare" würden nicht ersetzt, sondern ergänzt. Doch gerade in Zeiten, in denen Menschen nicht mehr miteinander sprächen, seien solche Räume der Begegnung „notwendiger denn je".

Eine Zuhörerin bestätigte: Eine gute Kultur im Gemeinderat motiviere auch die Bürgerinnen und Bürger zum Engagement. Stainer-Hämmerle stimmte zu: Die Zeit der „Dorfkaiser", die jahrzehntelang autokratisch regierten, sei vorbei. Heute erwarte die Bevölkerung Dialog auf Augenhöhe. Eine lebendige Zivilgesellschaft entstehe aber nicht von selbst – es brauche Infrastruktur, Wertschätzung und Menschen, die aktiv daran arbeiteten.

„Man muss nicht in die Parteipolitik gehen", betonte die Politologin abschließend. „Es gibt ganz, ganz viele andere Möglichkeiten, sein Umfeld und die Gesellschaft zu gestalten" – etwa in Vereinen oder durch lokales Engagement. Die Gemeinden seien schließlich die „Schule der Demokratie" – und diese müsse täglich gelebt werden.

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