Am mit klimafitten Pflanzen gestalteten Vorplatz der BH Neunkirchen kommt das Schwammstadtprinzip zum Einsatz.
© „Natur im Garten“
Klimawandelanpassung
Gebäudebegrünung für Gemeinden
Die Hitzetage werden weiter zunehmen, Budgets bleiben knapp. Dachbegrünungen bieten eine der wenigen Maßnahmen, die sofort wirken: weniger Hitze, geringere Energiekosten, mehr Lebensqualität.
Neunkirchen, August 2024, 35 Grad im Schatten: In der Bezirkshauptmann- schaft herrscht dicke Luft – im wahrsten Sinne des Wortes. Klimaanlage an, Kosten hoch, Wirkung mäßig. Auch Österreichs Bürgermeister: müssen sich immer mehr mit einem Dilemma auseinander setzen: Wie bleibt die Verwaltung arbeitsfähig, wenn Hitzetage zunehmen – und das Budget knapp bleibt?
Ein Jahr später ist in Neukirchen die Situation eine andere. An der Südseite der BH ranken Pflanzen empor, das Dach ist grün, der Vorplatz kann Regenwasser speichern. Die Begrünung wirkt: Innenräume heizen sich deutlich weniger auf, die Klimaanlage läuft seltener, der Energieverbrauch ist spürbar gesunken.
Die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen wurde damit zu einem Vorzeigeprojekt im niederösterreichischen Jahresschwerpunkt „Schritt für Schritt klimafit“.
Wenn Hitze zur Daueraufgabe wird
Mit den steigenden Temperaturen wachsen auch die Herausforderungen für Österreichs Gemeinden. Versiegelte Flächen, enge Bebauung und fehlendes Grün lassen Ortskerne zu Hitzeinseln werden. Die Folgen: steigende Energiekosten, Belastung für Gesundheit und Infrastruktur.Gebäudebegrünung – ob auf dem Dach oder an der Fassade – bietet eine rasch wirksame, vielseitige und förderbare Maßnahme gegen diese Entwicklungen. Sie verbessert das Mikroklima, schützt Gebäudehüllen und trägt zur Lebensqualität in Ortszentren bei.
Mehr als Zierde: Was Gebäudebegrünung tatsächlich leistet
- Kühlung und Energieeinsparung: Begrünte Dächer und Fassaden wirken wie natürliche Klimaanlagen. Messungen zeigen:
- Dachbegrünungen können die Raumtemperaturen um bis zu 5 °C senken und 5 bis 30 Prozent Energie einsparen – abhängig von Aufbau, Dämmstandard und Nutzung. Fassadenbegrünungen reduzieren die Oberflächentemperatur der Wand um bis zu 15 °C und senken Innenraumtemperaturen im Schnitt um 1 bis 3 °C.
- Regenwassermanagement und Mikroklima: Während Gründächer bis zu 90 % des Niederschlags zurückhalten, wirken begrünte Fassaden vor allem über Verdunstung und Beschattung: Sie kühlen ihre Umgebung messbar ab und mindern die Überhitzung von Straßenräumen.
- Schutz der Bausubstanz: Ob Dach oder Fassade – die Begrünung schützt die Gebäudehülle vor UV-Strahlung, Temperaturspitzen und Schlagregen. Dadurch verlängert sich die Lebensdauer von Abdichtungen und Putzoberflächen oft um Jahrzehnte.
- Biodiversität und Luftqualität. Begrünte Gebäude schaffen neue Lebensräume mitten im Ort. Insekten, Vögel und Kleintiere finden Nahrung und Unterschlupf. Zudem binden Pflanzen Feinstaub und verbessern die Luft – realistisch um einige Gramm bis wenige Kilogramm pro 100 m² und Jahr, nicht die teils überzogenen Werte, die im Netz kursieren.
- Kombination mit Photovoltaik. Gründächer lassen sich ideal mit PV-Anlagen kombinieren. Die kühlere Umgebung verbessert deren Wirkungsgrad um bis zu fünf Prozent – eine technisch belegte, aber standortabhängige Verbesserung.
So gelingt die Umsetzung in der Praxis
Analyse und Planung:
Tragfähigkeit, Neigung und Bauzustand entscheiden über Machbarkeit. Extensive Dachbegrünungen starten ab rund acht cm Aufbauhöhe, Fassadenbegrünungen eignen sich sowohl für Neubauten als auch für nachträgliche Montage an Bestandsgebäuden.
Auswahl des Systems:
- Bodendgebundene Fassadenbegrünung: Pflanzen wurzeln im Erdreich, geringe Kosten, geringer Pflegeaufwand.
2.2. Wandgebundene Systeme: Mit Pflanztrögen oder Substratmatten, ganzjährig begrünt, aber höhere Kosten und Wartung. - Extensive Dächer: Pflegeleicht, ideal für Kommunalgebäude.
- Intensive Dächer: Mehrschichtige Aufbauten mit Sträuchern oder Bäumen, hohe Aufenthaltsqualität.
Pflege realistisch planen:
Extensive Dachbegrünungen benötigen zwei Kontrollgänge pro Jahr, Fassadenbegrünungen je nach System zwei bis vier. Wichtig sind Bewässerungskontrolle, Schnitt und Sichtprüfung der Befestigungssysteme.
Förderungen und Unterstützung:
Beratung erhalten Gemeinden beispielsweise bei „Natur im Garten“ oder der Plattform „Grünstattgrau“. Gefördert werden Gebäudebegrünungen durch: die Kommunalkredit Public Consulting (KPC) im Rahmen der thermischen Gebäudesanierung, dazu gibt es Landesprogramme in Wien, Niederösterreich und den anderen Bundesländern sowie Sonderprogramme für Klimabündnisgemeinden.
Kosten im Überblick:
- Extensive Dachbegrünung: 50–100 Euro/m²
- Bodengebundene Fassadenbegrünung: 200–400 Euro/m²
- Wandgebundene Systeme: bis 800 Euro/m². Trotz höherer Anfangskosten sind die Investitionen durch Energieeinsparung, längere Lebensdauer und Förderungen langfristig wirtschaftlich.
Beispiel aus der Praxis
Die jüngst vorgestellte Gebäudebegrünung der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen kombinierte Dach- und Fassadenbegrünung mit einem Schwammstadt-Vorplatz. Das Projekt entstand gemeinsam mit „Natur im Garten“.
Offizielle Monitoringdaten zu Temperatur oder Energie liegen noch nicht vor, doch die Verwaltung berichtet über spürbar verbesserte Raumluft und geringeren Kühlbedarf – ein ermutigendes Signal für andere Gemeinden.