Der Gemeindebund schlägt vor, Kinderbetreuung organisatorisch und finanziell zur Gänze in kommunale Verantwortung zu übernehmen.
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Gemeindekooperationen bei der Kinderbetreuung
Gemeindekooperationen bewähren sich seit Jahrzehnten in Österreich – von Wasserversorgung über Abfallwirtschaft bis zu Standesämtern. Der Österreichische Gemeindebund präsentierte zwei erfolgreiche Modelle aus Vorarlberg und Niederösterreich, die zeigen: Auch bei der Kinderbetreuung ermöglicht interkommunale Zusammenarbeit qualitativ hochwertige, flexible Angebote zu deutlich reduzierten Kosten. Die Beispiele untermauern den Vorschlag des Gemeindebunds in den Reformpartnerschaftsverhandlungen, Kinderbetreuung zur Gänze in kommunale Verantwortung zu übernehmen.
Gemeindekooperationen haben in Österreich eine lange Tradition und entwickeln sich zunehmend zum unverzichtbaren Instrument kommunaler Aufgabenerfüllung. Am 21. Oktober 2025 stellte der Österreichische Gemeindebund zwei wegweisende Beispiele vor, wie Gemeinden durch Zusammenarbeit auch im sensiblen Bereich der Kinderbetreuung qualitativ hochwertige und flexible Lösungen für den ländlichen Raum schaffen können.
Bewährtes Modell mit wachsender Bedeutung
Gemeindeverbände sind im Infrastrukturbereich von großer Bedeutung: Neben Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsverbänden bilden auch Abfallwirtschaftsverbände einen wichtigen Bestandteil kommunaler Infrastruktur. Schulgemeinschaftsverbände, Standesamtsverbände, Staatsbürgerschaftsverbände, Sozialhilfeverbände, Musikschulverbände sowie Wirtschaftsverbände sind weitere Beispiele für Gemeindekooperationen in Verbandsform.
Die Vorteile dieser regionalen Zusammenschlüsse liegen auf der Hand: Fixkosten für einzelne Gemeinden können gesenkt werden, langfristige Investitionen sind gemeinsam leichter finanzierbar, die einzelne Gemeinde profitiert von gemeinsamer Infrastruktur, Steuergeld kann zielgerichteter eingesetzt werden und ein qualitativ hochwertiges Service sichergestellt werden.
Gemeindeverbände mit der längsten Tradition in Österreich sind vor allem die Wasserversorgungsverbände. Bei solchen Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge steht die geforderte Qualität des Wassers und die möglichst effiziente Weise der Versorgung an oberster Stelle. Waren es früher vor allem die leitungsgebundenen Dienstleistungen, für welche gemeinsame Strukturen geschaffen wurden, so hat sich das Spektrum der Kooperation auf die unterschiedlichsten Bereiche ausgeweitet.
Kinderbetreuung: Neuestes Kooperationsfeld
In diese erfolgreiche Tradition reiht sich nun die Kinderbetreuung als neuestes Beispiel interkommunaler Zusammenarbeit ein. Der Gemeindeverband Kinderbetreuungsregion Jagdberg in Vorarlberg und ein Verein im niederösterreichischen Waldviertel demonstrieren, wie Gemeinden durch Kooperation die wachsenden Herausforderungen im Bereich der elementaren Bildung meistern können.
Vorarlberger Vorreitermodell mit sechs Gemeinden
Der Gemeindeverband Kinderbetreuungsregion Jagdberg vereint seit Jänner 2023 die sechs Gemeinden Düns, Dünserberg, Röns, Satteins, Schlins und Schnifis mit rund 7.000 Einwohnern. Nach intensiver Vorbereitung ab November 2021 stimmten die Gemeindevertretungen einstimmig für diese österreichweit erste gemeindeübergreifende Organisation im Kinderbetreuungsbereich. Obmann Wolfgang Lesser betonte: „Wir würden es wieder tun, weil wir sehen, dass es sehr gut funktioniert.“
Koordinatorin Ulrike Porodt führt mit drei weiteren Mitarbeiterinnen neun Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtungen mit 19 Gruppen, in denen 440 Kinder von 72 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut werden. „Für die Gemeinden als frühere Träger ist der Vorteil, dass sie diese Agenden jetzt ausladen konnten“, erklärte Porodt. Das Themenfeld Elementarpädagogik sei mit gesetzlichen Regelungen, Bildungsauftrag und Personalverwaltung sehr komplex.
Die Vorteile für Mitarbeiterinnen liegen in größeren Wahlmöglichkeiten, besserer gegenseitiger Unterstützung und passgenauen Fortbildungen. Familien profitieren von durchgängigen Öffnungszeiten auch in Ferienzeiten und größtmöglicher Flexibilität. Alle Standorte bleiben erhalten, bei Bedarf können Kinder aber kurze Wege zu Nachbarstandorten nutzen.
Waldviertler Modell: 17 Gemeinden, 300 Kinder
Der Verein NÖ Kinderbetreuung unter Bürgermeister Roland Zimmer startete bereits 2015 nach einer Bürgerbefragung in 14 Gemeinden. Mittlerweile betreut der Verein in 17 Gemeinden über vier Bezirke rund 300 Kinder im Alter von einem halben Jahr bis zwölf Jahre. 43 Mitarbeiterinnen, darunter 24 Pädagoginnen, drei Bürokräfte für Verwaltung und Förderansuchen sorgen für reibungslosen Ablauf.
„Es funktioniert sehr gut“, so Zimmer. Die Kostenersparnis für seine Gemeinde beziffert er auf rund 50.000 Euro jährlich. Statt 72.500 Euro für eigenes Personal zahlt die Gemeinde nur 23.000 Euro an den Verein. „Wir sind sehr flexibel und schauen, die Eltern bestmöglich zu unterstützen“, betonte Zimmer. Die weiteste Entfernung zwischen Standorten beträgt 60 Kilometer, dennoch ermögliche das dichte Netz gute Personalflexibilität.
Großes Interesse aus ganz Österreich
Beide Projekte verzeichnen enormes Interesse: Zimmer hatte im laufenden Jahr bereits sechs bis sieben Veranstaltungen mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus ganz Österreich. Porodt berichtete von Besuchen aus Niederösterreich, Oberösterreich und einer Videokonferenz mit Kärnten. „Es scheint großes Interesse aus den anderen Bundesländern zu bestehen“, so die Koordinatorin.
Hintergrund: Reformpartnerschaft und Betreuungsausbau
Die Präsentation erfolgt im Kontext der Reformpartnerschaftsverhandlungen. Der Gemeindebund schlägt vor, Kinderbetreuung organisatorisch und finanziell zur Gänze in kommunale Verantwortung zu übernehmen. Im Gegenzug würden sich Gemeinden aus der Gesundheitsfinanzierung zurückziehen, wo sie derzeit 3,8 Milliarden Euro ohne wesentliche Mitsprachemöglichkeiten einzahlen.
Die Zahlen belegen eine dynamische Entwicklung: 35 Prozent der Unter-3-Jährigen nutzen Kinderbetreuung, bei den 3- bis 5-Jährigen sind es 94 Prozent. Seit Jänner 2023 sind 483 Neugruppen in Betrieb gegangen. Der Anteil WIF-konformer Einrichtungen stieg von 28 Prozent (2007) auf 60 Prozent (2024). Im ländlichen Raum werden 65 Prozent der Unter-3-Jährigen und 80 Prozent der Kindergartenkinder öffentlich betreut.
Vielfalt der Gemeindekooperationen in Österreich
Die Kinderbetreuungsverbände reihen sich in eine breite Palette bewährter interkommunaler Zusammenarbeit ein:
- Infrastruktur und Versorgung: Wasserversorgungsverbände sichern seit Jahrzehnten die Trinkwasserqualität, Abwasserentsorgungsverbände gewährleisten umweltgerechte Entsorgung, Abfallwirtschaftsverbände organisieren effiziente Müllentsorgung und Recycling.
- Soziale Dienste: Mobile Pflegeverbände ermöglichen erweiterte Pflegeinfrastruktur in ländlichen Regionen, 190 Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverbände bündeln Expertenwissen bei immer komplexeren Auslandsberührungen, Sozialhilfeverbände koordinieren soziale Unterstützungsleistungen.
- Bildung und Kultur: Schulgemeinschaftsverbände erhalten Bildungsstandorte auch in kleineren Gemeinden, Musikschulverbände sichern kulturelle Bildung in der Fläche.
- Wirtschaft und Entwicklung: Wirtschaftsverbände wie die Inkoba im Salzkammergut fördern bundesländerübergreifend Betriebsansiedlungen und Standortentwicklung, Planungsverbände koordinieren regionale Entwicklung.
- Verwaltung: Abgabenverbände, also Verbände für das gemeinsame Einheben von Abgaben, sind stark im Kommen. Einsparungspotenziale für die einzelne Gemeinde liegen bei 75 bis 80 Prozent.
- Innovation: Sechs Erfolgsfaktoren prägen erfolgreiche Gemeindekooperationen: Motivation durch politischen Grundkonsens, Organisation mit erforderlichem Knowhow, passendes Verhalten unter Berücksichtigung verschiedener Gemeindekulturen, richtige Einstellung der handelnden Personen, Technologie durch moderne IT-Lösungen und Implementierung für nachhaltige Umsetzung.
Der Gemeindebund betont, bei einer bundesweiten Lösung für die Kinderbetreuung sollten Mindeststandards definiert werden, ähnlich wie im Bildungsbereich. Gleichzeitig fordert er Gestaltungsfreiheit auf lokaler Ebene, um flexibel auf unterschiedliche Bedürfnisse reagieren zu können. Die vorgestellten Beispiele zeigen: Österreichs 2.092 Gemeinden nehmen ihre Verantwortung aktiv wahr – gemeinsam sind sie stärker.
Details zu Verbänden sind auf www.offenerhaushalt.at/gemeindeverbände nachzulesen.