Reinhard Haider

Reinhard Haider: „Wer Transparenz schon immer lebt, tut sich mit neuen Technologien leichter.“

Digitalisierung

Mehr Zeit, mehr Service: Wie KI den Gemeindealltag verändert

Reinhard Haider, Amtsleiter im oberösterreichischen Kremsmünster, ist Digitalisierungsvorreiter unter Österreichs Gemeindebediensteten. Im Interview berichtet er über die Erfahrungen, die er mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz gemacht hat und welche Perspektiven er in diesem Bereich sieht.

Wie war die erste Reaktion innerhalb der Gemeindeverwaltung und der Bevölkerung auf Ihre KI-Initiativen?

Reinhard Haider: Einerseits gab es ein Staunen, dass Beamte so innovativ sind, andererseits haben sich die Leute über das digitale Bürgerservice gefreut.

Vor einem Jahr startet Kremsmünster mit einem Chatbot auf der Gemeindeseite. Wie sind die Erfahrungen damit?

Derzeit gibt es ca. fünf bis sechs ernsthafte Chats pro Tag. Rund 30 Prozent der Fragen beziehen sich auf Services der Gemeinde, in letzter Zeit häufig zum Hundehaltergesetz. Weitere 30 Prozent haben nach Personen gefragt, vor allem nach Gemeindemitarbeiterinnen und -mitarbeitern.

20 Prozent der Fragen bezogen sich auf das Themengebiet Tourismus. Hier wird meist nach Gasthäusern und Freizeitangeboten gefragt. Zehn Prozent haben den Chatbot selbst zum Thema. Weitere zehn Prozent sind Fragen an die lokale Wirtschaft, vor allem zu regionalen Produkten und zu Angeboten im Ort. 

Und die restlichen fünf Prozent der Anfragenden stellten keine konstruktive Fragen oder versuchten den Chatbot auszutricksen.

In welchen Bereichen wird in Kremsmünster KI derzeit eingesetzt?

Wir nutzen die KI in vielen Bereichen, so z.B. für die Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, zum Ausarbeiten von Reden oder zur Erstellung von Statistiken und Diagrammen. Interessant ist auch, Contentpläne für Social Media erstellen zu lassen oder Dokumente analysieren zu lassen. Auch Texte in barrierefreier Sprache zu formulieren oder Formeln zu generieren, kann die KI sehr gut. Erste Versuche machen wir derzeit damit, die Technologie zur Protokollierung einzusetzen.

Können Sie ein Beispiel geben, bei dem KI bereits einen messbaren Mehrwert für Verwaltung oder Bürger gebracht hat?

Wie vorhin erwähnt, messen wir, für welche Fragen der Chatbot genutzt wird. In der Öffentlichkeitsarbeit ermöglicht die KI einen höheren Output bei geringerem Zeiteinsatz. Auch bei der Ausarbeitung von Reden lässt sich der Zeitaufwand messbar reduzieren.

Welche Technologien oder Plattformen verwenden Sie? Arbeiten Sie mit externen Partnern zusammen oder bauen Sie Kompetenzen intern auf?

Wir arbeiten immer mit externen Partnern, oft mit Startups. Wie alle oberösterreichischen Gemeinden nutzen wir beispielsweise die News-Plattform der Linzer Firma Newsadoo. 
Für den Chatbot nutzen wir das LLM-System der französischen Firma Mistral. LLM sind hochentwickelte KI-Systeme, die darauf abzielen, die menschliche Sprache nicht nur zu verstehen, sondern auch in einer Weise zu reproduzieren, die einem natürlichen Dialog entspricht. Diese Modelle werden durch maschinelles Lernen trainiert und entwickeln sich stetig weiter.

Gibt es auch Bereiche, in denen Sie KI ausprobiert haben, wo es (noch) nicht funktioniert hat?

Protokollierungen nach der Gemeindeordnung funktionieren – zumindest derzeit – noch nicht. Auch ein DSGVO-konformes Personalmanagement gelingt noch nicht.

Wie kann KI dazu beitragen, Verwaltungsprozesse effizienter zu gestalten?

KI lernt permanent, es wird an uns liegen, die KI zu kontrollieren und trotzdem alles effizienter zu gestalten. Ein Beispiel ist der Chatbot, andere Beispiele sind interne GPTs, die schnellere Antworten auf Fragen ermöglichen.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen bei der Einführung von KI in der öffentlichen Verwaltung?

Wir müssen interne Rahmenbedingungen schaffen und diese auch umsetzen, damit wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnehmen, sie zur Nutzung motivieren und gleichzeitig durch Schulungen die Sicherheit geben, dass nichts passiert, außer dass wir bessere Ergebnisse erzielen.

Welche Rolle spielt Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern bei KI-Projekten?

Transparenz ist enorm wichtig. Wer Transparenz schon immer lebt, tut sich mit neuen Technologien leichter, siehe KI, Open Data oder das Informationsfreiheitsgesetz IFG.

Wie stellen Sie sicher, dass der Einsatz von KI fair, nachvollziehbar und datenschutzkonform ist?

Wir nutzen bevorzugt Technologie aus Europa wie eben Mistral. Bei Technologie aus den USA, China etc. geht es um Aufklärung und Schulung der Mitarbeitenden, damit sie wissen, was sie tun. Weiters ist die Kennzeichnung bei ausschließlich KI-generierten Inhalten, wie von Diagrammen, verpflichtend.

Gibt es ethische Leitlinien oder Prinzipien, die Sie in Kremsmünster bei KI-Projekten beachten?

Ethik spielt eine große Rolle und wird ständig intern besprochen. Ebenso die Nicht-Diskriminierung für alle gesellschaftlichen Bereiche. Die Prinzipien wurden schriftlich erarbeitet und im Datenschutzhandbuch verpflichtend, als Dienstanweisung, dargelegt. 

Zur Person

Reinhard Haider studierte E-Business und Marketing an der FH Steyr und ist seit 1996 Amtsleiter der Marktgemeinde Kremsmünster. Weiters ist er E-Government-Beauftragter des Oberösterreichischen Gemeindebundes und Obmann des FLGÖ Oberösterreich. Er unterrichtet E-Government an der FH Linz, an der FH Wien und an der Donau Uni Krems.

Der Beitrag erschien in der NÖ Gemeinde 6/2025.