Rathausplatz in St. Pölten
Ein wesentliches Ziel ist das Vermeiden von Zersiedelung, weil man heute kompakte Siedlungen möchte und Flächenverbrauch vermeiden will.
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Flächenwidmung

Innenentwicklung kann man nicht erzwingen

Arthur Kanonier, Professor für Bodenpolitik und Bodenmanagement an der TU Wien, erläutert Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten der kommunalen Raumplanung.

Welche Ziele sollten Gemeinden bei der Flächenwidmung verfolgen?

Arthur Kanonier: Die klassische Aufgabe der Flächenwidmung ist das Vermeiden von Nutzungskonflikten – also, dass etwa Baugebiete neben Industrie- oder Gewerbegebieten liegen. Das geht zurück auf die industrielle Revolution, als Menschen noch direkt in Industriebetrieben gewohnt haben. 

Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, die richtigen Nutzungen an passenden Standorten zu realisieren. Es gibt Nutzungen, die standortgebunden sind – dafür müssen Bereiche reserviert sein. Beispielsweise sind nicht alle Flächen für Betriebs- oder Wohngebiete geeignet. 

Ein drittes wesentliches Ziel ist das Vermeiden von Zersiedelung, weil man heute kompakte Siedlungen möchte und Flächenverbrauch vermeiden will. Das widerspricht aber manchmal dem ersten Ziel der Vermeidung von Nutzungskonflikten. Denn wenn kompakt gebaut wird, kann es passieren, dass solche Nutzungskonflikte entstehen. Das muss jede Gemeinde für sich beurteilen und lösen.

Wie groß ist der Spielraum von Gemeinden bei der Festlegung von Flächenwidmungsplänen?

Arthur Kanonier
Arthur Kanonier: „Viele Gemeinden haben vor Jahren Verträge abgeschlossen, und es wäre an der Zeit zu kontrollieren, ob die Verträge eingehalten wurden.“ Foto: Christoph Kleinsasser

Die örtliche Raumplanung, zu der die Flächenwidmung gehört, unterliegt laut Artikel 118 der Bundesverfassung dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden. Die Gemeinde hat also hier durchaus Möglichkeiten. Allerdings natürlich unter gewissen Rahmenbedingungen: So kann der Gesetzgeber Vorgaben machen, die die Möglichkeiten der Gemeinde einschränken, etwa, dass im HQ-100-Bereich keine Baulandwidmung möglich ist.

In Niederösterreich sind jetzt vielfach regionale Raumordnungsprogramme fertig. Hier hat das Land oft Vorgaben gemacht, etwa Siedlungsgrenzen oder landwirtschaftliche Vorrangzonen. Da sind dann die Gemeinden hierarchisch nachgeordnet oder haben keine Möglichkeiten. 

Und schließlich muss man ja sagen, dass jede Umwidmung durch die Aufsichtsbehörde genehmigt werden muss. Bei jedem Quadratmeter, der umgewidmet wird, hat also das Land auch draufgeschaut.

Welche Instrumente stehen Gemeinden zur Verfügung, um ihre Planungsziele umzusetzen, z.  B. ein örtliches Entwicklungskonzept, der Flächenwidmungsplan und der Bebauungsplan?

Ja, das sind die Klassiker. Heute wenden viele Gemeinden auch die Vertragsraumordnung an. Damit binden sie den Grundeigentümer durch eine zivilrechtliche Vereinbarung und knüpfen die Widmung an gewisse Bedingungen.

Wie sind die Erfahrungen mit der Vertragsraumordnung?

Das ist durchaus eine Erfolgsgeschichte, weil die Vertragsraumordnung flexibel und umsetzungsorientiert ist. Allerdings gibt es natürlich sehr unterschiedliche Typen von Verträgen. Der „leichteste“ ist der Verwendungsvertrag, der vorschreibt, dass innerhalb einer Frist gebaut werden muss. 

Gerade auch in Niederösterreich gibt es ja das Problem der Baulandüberhänge. Ich schätze, dass rund ein Viertel des gewidmeten Baulands nicht bebaut ist. Wenn sich die Gemeinde nicht auf die Zusicherung des Grundeigentümers verlässt, dass er bauen wird, kann sie einen Vertrag schließen. Es gibt aber auch viel komplexere Verträge, etwa Vorkaufsrechte, Abtretungen, Kostenbeteiligungen etc. 

Viele Gemeinden haben vor Jahren Verträge abgeschlossen, und es wäre an der Zeit zu kontrollieren, ob die Verträge eingehalten wurden und, falls das nicht der Fall ist, Sanktionen zu setzen. Das kann schwierig sein, wenn ein Vertrag etwa vor zehn Jahren abgeschlossen wurde. Hier stellt sich einerseits die Frage, wer das prüfen kann, weil die Verträge ja sehr unterschiedlich sind, und anderseits wie die Gemeinde gegen Grundeigentümer vorgehen können. Da spielt dann auch die Frage der Amtshaftung eine Rolle. Viele Gemeinden sind da sehr zurückhaltend.

Welche Mitspracherechte haben Grundeigentümer und die Bevölkerung?

Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne sind Verordnungen, daher ist das Mitspracherecht der Grundeigentümer überschaubar. Natürlich kann man zu Entwürfen Stellungnahmen abgeben, aber das ist es dann auch schon. 
Über das Bauverfahren gibt es noch die Möglichkeit, einen Flächenwidmungsplan anzufechten, aber das gilt nur für den Grundeigentümer und die Nachbarn. 

Das sind die rechtlichen Möglichkeiten, die es gibt. Viel wirksamer sind allerdings Protestbewegungen, die massiven politischen Druck erzeugen können. Ein großes Betriebsgebiet oder eine Betriebsansiedelung durchzubringen, kann dadurch schwierig werden.

Welche Möglichkeiten gibt es, Baulandreserven im Ortsbereich sinnvoll zu nutzen?

In Niederösterreich ist man bei bestehendem Bauland eher zurückhaltend. Oft ist es ja so, dass es im Ortskern, also in bester Lage, als Bauland gewidmete Liegenschaften gibt, die jahrzehntelang nicht verwendet werden. Hier heranzukommen, ist oft schwierig. So gibt es hier, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, keine Abgabe auf unbebautes Bauland.

Neues Bauland hat man mit der Befristung oder mit der Vertragsraumordnung besser im Griff.

Wie können Gemeinden Leerstand aktiv bekämpfen – und was kann über Flächenwidmung dazu beigetragen werden?

Um in Leerstände einzugreifen, ist die Flächenwidmung nicht das geeignete Instrumentarium. In der wissenschaftlichen Literatur heißt es, dass der Flächenwidmungsplan ein „Negativinstrument“ ist: Er bietet dem Grundeigentümer Nutzungsmöglichkeiten oder beschränkt sie. Der Umsetzer ist also immer der Grundeigentümer. 

Im Verhältnis zu den Möglichkeiten im Grünland, ist im Bestand, also in den Innenlagen, die Rechtslage viel komplexer. Die Gemeinde kann zwar im Bebauungsplan etwa eine höhere Bebauungsdichte oder eine geschlossene Bauweise vorsehen, aber das heißt nicht, dass das dann auch gemacht wird. Die Gemeinde kann also nicht etwa vorschreiben, dass in ein leerstehendes Lokal ein Bäcker oder ein Gasthaus hineinkommt.

Welche Rolle spielt die verkehrstechnische Erschließung bei neuen Widmungen im Ortsgebiet?

Das ist eine zentrale Frage! In Kombination mit der Flächenwidmung muss sich ein sinnvolles Ganzes ergeben. Heutzutage geht es ja nicht nur um motorisierten Individualverkehr, sondern auch um öffentlichen Verkehr oder etwa Radwege.

Wie können Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aktiv gegen Bodenverbrauch vorgehen, ohne die Entwicklung der Gemeinde zu bremsen?

Raumplanung hat eine langfristige Dimension. Der Gemeinderat muss sich überlegen, wo zukünftig Entwicklung möglich sein soll und vor allem wo nicht. Mit einem örtlichen Entwicklungskonzept haben Gemeinden viele Gestaltungsmöglichkeiten. 

Statt immer wieder neu über Widmungen zu diskutieren, erscheint es mir besser, langfristig Bereiche festzulegen, die außer Streit stehen. Das machen auch viele Gemeinden, dass sie einmal langfristig strategisch festlegen, wo ihre Grenzen liegen und wohin sie sich eben nicht hinentwickeln wollen. Das ist der Schutz nach außen.

Die Innenentwicklung muss parallel dazu gehen. Vor allem in Westösterreich kommt es immer öfters vor, dass Gemeinden Immobilien kaufen, um beispielsweise den Betrieb eines Gasthauses zu ermöglichen. Das heißt dann aber noch lange nicht, dass es dafür dann auch einen Pächter gibt! Das ist viel schwieriger, als einfach eine Verordnung zu erlassen. 

Der Beitrag erschien in der NÖ Gemeinde 7/2025.