Kläranlage
Pharma- und Kosmetikindustrie machen Druck, die Mitfinanzierung der vierten Reinigungsstufe in der Kommunalen Abwasserrichtlinie zu kippen.
© Bohdan Melnyk - stock.adobe.com

Europas Omnibusse: Fahr mit – aber wer zahlt das Ticket?

Jedes Mandat hat seine Schlagworte und Prioritäten. Auf europäischer Ebene muss der Grüne Deal zugunsten des Clean Industrial Deal und ProtectEU abdanken, überdies werden viele Inhalte des ehemaligen Leuchtturmprojekts hinterfragt. Das führt dazu, dass sogenannte „Omnibusse“ Brüssel beherrschen und alles mitnehmen, was für Unternehmen nach exzessiver Bürokratie und Berichterstattung klingt. Aber natürlich nur im übertragenen Sinn, denn ein EU-Omnibus ist ein Vereinfachungsverfahren, in dem mehrere Rechtsakte möglichst schnell reformiert werden.

Aber noch einmal von vorne. Wir erinnern uns an das Mandat „Von der Leyen I“ und das Großprojekt Grüner Deal. Die EU muss – gemäß den Vorgaben der Pariser Klimakonferenz, deren Ziele von allen EU-Staaten mitgetragen werden – bis 2030 Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren und letztlich bis 2050 klimaneutral werden. Der Weg dorthin ist gar nicht so steinig wie gedacht, denn laut jüngsten Prognosen verfehlt die EU in ihrer Gesamtheit die 2030-Ziele um nur wenige Prozentpunkte. 

Dass viele Richtlinien und Verordnungen, auf denen diese Prognosen basieren, noch gar nicht umgesetzt sind, darf nicht weiter stören. Die Kommission betont, die Klimaziele an sich stehen nicht zur Disposition, Abschläge soll es nur bei Datensammlung und Berichterstattung geben.

Der kollektive Aufschrei der Wirtschaft und die rechte Mehrheit im EU-Parlament haben die Kommission also – zu Recht – zum Einlenken bei Belastungen für Unternehmen bewogen. Nachhaltigkeitsberichterstattung für Produktion und Lieferketten stehen zur Disposition.  

Und hier kommen nun die Omnibusse ins Spiel. So werden in Brüssel nämlich Vereinfachungsverfahren genannt, wo Reformvorhaben aus unterschiedlichen Rechtsakten zusammengefasst werden, um Hürden für KMU und SMC abzubauen. Mitte 2025 sind schon vier Omnibusse unterwegs, bis Jahresende sollen weitere folgen. 

Auch Verwaltungen wollen entlastet werden

Soweit, so gut. Schade ist, dass bisher nicht daran gedacht wurde, Berichterstattungspflichten der öffentlichen Hand zu hinterfragen und zum Beispiel kleinere Verwaltungen zu entlasten. 

Die ersten Omnibusse bieten wenig Ansatz für Erleichterungen in den Gemeinden, zukünftige in den Bereichen Umwelt und Digitalisierung aber sehr wohl. Städte, Gemeinden und (Abwasser- und Abfallwirtschaftsverbände) müssen insbesondere ein Auge auf den Umweltomnibus werfen, der noch heuer auf die Reise geschickt werden soll. Denn Pharma- und Kosmetikindustrie machen Druck, die Mitfinanzierung der vierten Reinigungsstufe in der Kommunalen Abwasserrichtlinie zu kippen. Die erweiterte Herstellerverantwortung verpflichtet diese beiden Industriezweige, 80 Prozent der Kosten für die Abscheidung von Mikroschadstoffen und Pharmarückständen zu tragen, sowohl beim Ausbau der Anlagen als auch im laufenden Betrieb. 

Die Kunststoffindustrie macht mobil gegen die Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung. Die erweiterte Herstellerverantwortung gibt es in der Abfallwirtschaft seit Jahren, ihre Ausweitung auf andere Sektoren wurde noch vor einigen Monaten mehrheitlich befürwortet. Ein Hinterfragen oder gar Ende derselben bedeutet unweigerlich höhere Kosten für Allgemeinheit bzw. Gebührenzahler.

Gemeinden sind es gewohnt, Dinge ganzheitlich zu sehen. Klar ist, dass die notwendigen Investitionen in Kläranlagen nur durch saftige Gebührenerhöhungen finanziert werden können, wenn Hersteller die Verantwortung abgeben. Dass eine finanzielle Mehrbelastung der Privathaushalte keinen schlanken Fuß macht und die Wahrnehmung der EU negativ beeinflussen wird, sollte bedacht werden, bevor es auch hier einen Reparatur-Omnibus braucht … 
 

Schlagwörter