Juncker hinter Rednerpult
Jean-Claude Juncker bei seiner Rede im Europaparlament in Straßburg.
Foto: European Union, 2017/Etienne Ansotte

Was die Juncker-Rede für Gemeinden bedeutet

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erläuterte in seiner Rede zur Lage der Union die wichtigsten Prioritäten der der EU-Kommission bis zum Ende ihres Mandats. Die Gemeinden werden voraussichtlich von neuen Vorschlägen zum Klimaschutz betroffen sein. Positiv ist die Einsetzung der Taskforce Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sowie die Anerkennung der Bedeutung des Dialogs mit allen Ebenen.

Am 13. September hielt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor dem EU-Parlament in Straßburg seine jährliche Rede zur Lage der Union. Dabei gab er sich nachdenklich und versuchte bei der Präsentation der fünf Prioritäten darzustellen, dass die EU-Kommission nicht im Elfenbeinturm sitzt und Lehren der Vergangenheit ziehen kann.


  • So will die Kommission den Abschluss der Handelsabkommen mit z. B. Mexiko, Australien und Neuseeland vorantreiben, verspricht aber gleichzeitig, die Verhandlungsmandate zu veröffentlichen und in voller Transparenz zu handeln. Außerdem soll mithilfe eines Investitionsscreenings sichergestellt werden, dass der Verkauf strategisch wichtiger Unternehmen oder Infrastruktur an ausländische Investoren auch untersagt werden kann. In letzter Zeit meldeten immer mehr Mitgliedstaaten Bedenken gegen vor allem chinesische Übernahmen an.

  • Eine neue europäische Industriestrategie soll im Zeichen von Innovation, Digitalisierung und CO2-Reduktion stehen. Hier sprach Juncker die Autoindustrie an, die nach den Abgasmanipulationen nun verstärkt in neue, emissionsarme Technologie investieren muss.

  • Dies ist auch im Zusammenhang mit der Klimapolitik zu sehen, wo die CO2-Reduktion im Transportsektor zu den künftigen Schwerpunkten zählen wird.

  • Im Bereich Sicherheit und Inneres verwies Juncker auf die Gefahr von Cyberattacken und schlägt die Einrichtung einer Europäischen Cybersicherheitsagentur vor.

  • Und auch die Migrationsagenda bleibt ein Schwerpunkt der Kommission. Hier seien vor allem die Rückführungen zu verstärken, aktuell würden nur 35 Prozent der Personen ohne legalen Aufenthaltstitel tatsächlich rückgeführt. Die Kommission wird einen neuen Vorschlag vorlegen, ebenso für eine gemeinsame Afrikapolitik und den Ausbau legaler Migrationswege.






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Breiten Raum nahm auch die Zukunft Europas ein. Juncker, der schon auf allen Seiten des europäischen Tisches gesessen ist und bei den historischen EU-Gipfeln in Maastricht, Amsterdam, Nizza und Lissabon dabei war, meinte, Europa lebe vor allem von seiner kulturellen Vielfalt. Europa sei mehr als Geld, Binnenmarkt und Euro, die Grundprinzipien seien vielmehr Freiheit, Gleichberechtigung und Rechtsstaatlichkeit.



Zu den vielen Facetten der Gleichberechtigung zählen etwa die Gleichberechtigung von Mitgliedstaaten, Arbeitnehmern und Verbrauchern, womit er die Brücke schlug zur Diskussion über die Entsenderichtlinie oder die Kritik an mutmaßlich minderwertigen Fischstäbchen und Brotaufstrichen in Ungarn oder der Slowakei.

Taskforce Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit



Juncker betonte einmal mehr, dass sich die Europäische Union auf die wichtigen Dinge konzentrieren und Befugnisse den Mitgliedstaaten auch wieder rückübertragen muss. Deshalb wird unter der Leitung von Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans eine Taskforce Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit eingerichtet, wo Mitglieder des EU-Parlaments und der nationalen Parlamente die Arbeit zur besseren Rechtsetzung weiterführen und bis September 2018 Bericht erstatten sollen.



Aus kommunaler Sicht ist dieser Vorschlag zu begrüßen, da er eine Möglichkeit bietet, die Praktikabilität europäischer Gesetzgebung und den oft unnötigen Detailgrad von Richtlinien auf politischer Ebene zu diskutieren.

Mehr Integration bei Finanz- und Wirtschaftspolitik



Für Juncker selbst sollte die Zukunft Europas mehr Integration in den Bereichen Finanz- und Wirtschaftspolitik, Verteidigungspolitik und Steuerpolitik bringen. Der EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung sollte als europäischer Wirtschafts- und Finanzminister der Eurogruppe vorsitzen und die Kompetenz besitzen, nationale Strukturreformen zu fördern und Krisensituationen mithilfe einer idealen Koordinierung europäischer Fördermittel entgegenzuwirken.

Verteidigungsunion bis 2025



Bis 2025 sollte die europäische Verteidigungsunion und ein gemeinsamer Verteidigungsfonds umgesetzt werden und grenzübergreifende Steuerfragen wie die Mehrwertsteuer-Reform, die Finanztransaktionssteuer oder die Besteuerung der Digitalwirtschaft sollten mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden können, indem die Mitgliedstaaten die sog. Brückenklausel aktivieren und auf das Einstimmigkeitsprinzip verzichten.



Juncker schlägt auch die Schaffung neuer Behörden bzw. Agenturen vor, so etwa eine gemeinsame Arbeitsmarktbehörde zur Antidiskriminierungskontrolle oder eine europäische Aufklärungseinheit zur Terrorismusbekämpfung.

Für jeden etwas



Man könnte sagen, die Rede bot für jeden etwas und unternahm den Versuch, sich den Bürgern anzunähern indem auch Soziales, Gesundheitsfragen und Verbraucherschutz konkret angesprochen wurden. Ob diese Annäherung tatsächlich gelingt, wird von Berichterstattung und Mitwirkungsangeboten auf nationaler Ebene abhängen. Hintergrundinformationen und die Auseinandersetzung mit auch scheinbar unangenehmen Wahrheiten sind der Schlüssel zu mehr Verständnis, das EU-Bild der Bürger wird im Wesentlichen „zuhause“ und nicht in Brüssel geprägt.

Conclusio



Aus kommunaler Sicht positiv ist die Einsetzung der Taskforce Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sowie die Anerkennung der Bedeutung des Dialogs mit allen Ebenen, die lokale eingeschlossen. Konkrete Vorschläge wird zwar erst das Arbeitsprogramm der EU-Kommission bringen, die geplante Entkarbonisierung des Transportsektors wird sich aber voraussichtlich auch auf den Fuhrpark von Gemeinden sowie ihre Dienstleistungen und Vergabeverfahren auswirken.