Stefan Krejci
Immobilienexperte Stefan Krejci betont im Gespräch, wie wichtig die möglichen Nutzungsarten von Immobilien für eine positive Ortskernentwicklung sind. Und, dass man den Fokus auf die wichtigsten Liegenschaften legen sollte.
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„Nicht der Bodenwert zählt, sondern das Potenzial“

Stefan Krejci, erfahrener Immobilienexperte, Standortentwickler und Geschäftsführer der RE/MAX Commercial Group Austria im Gespräch über Leerstand, Förderlogik und den Mut zu strukturierter Projektentwicklung.

Welche Faktoren beeinflussen die Grundstückspreise?

Neben der Lage vor allem die Widmung, also ob ein Grundstück zum Beispiel mit der höchstmöglichen Widmungsart als Bauland Kerngebiet ausgewiesen ist, bestimmt maßgeblich, was überhaupt darauf gebaut werden kann. 
Gerade im Ortskern gibt es oft einschränkende Faktoren – etwa durch Denkmalschutz, bestehende Strukturen oder veraltete Bebauungspläne. Außerdem geht es um die Nutzungsarten. 

Entscheidend sind die Fragen: Was kann ich daraus machen? Wie sehen Bebauungshöhe, Bebauungsklasse und Bebauungsdichte aus? Das sind die großen Hebel, um eine Immobilie zu attraktivieren. Ein Grundstück, auf dem ich nur einen Bungalow bauen darf, ist beispielsweise weniger wert, als wenn ich darauf ein mehrgeschossiges Wohnhaus errichten kann. 

Also geht es innerstädtisch vor allem um den Bebauungsplan …

… und die Kombinierbarkeit von Nutzungen: Wenn ich zum Beispiel Wohnen mit einem kleinen Laden, einem Arzt oder einem Café kombinieren kann. Dazu braucht es aber passende Gebäude, genügend zeitgemäße Flächen und Flexibilität in der Planung. Oft sind es jedoch genau diese Voraussetzungen, die fehlen. Und das führt dazu, dass viele Liegenschaften brachliegen. Hier braucht es aktive Projektentwicklung, man muss zuerst analysieren: Was ist vorhanden? Was ist realistisch möglich? Und was braucht der Ort überhaupt?

Wie kann eine Gemeinde solche Prozesse steuern?

Gemeinden sollten nicht nur hoffen, dass sich jemand findet, der etwas kauft oder saniert. Sie sollten vielmehr ein Team aufbauen – bestehend aus einem Architekten, der nicht nur fürs Architekturmagazin, sondern vor allem wirtschaftlich planen kann, jemandem, der die Nutzungsarten definieren und kalkulieren kann und Gemeindevertretern, die mit den Eigentümern proaktiv in Gespräche treten.

Der erste Schritt ist also das Zusammenstellen eines Projektentwicklungsteams?

Nicht ganz. Denn zuallererst sollte jede Gemeinde die Leerstände erheben und analysieren. Viele Gemeinden wissen gar nicht, welche Gebäude leer stehen, wem sie gehören, wie groß sie sind und was sich damit machen ließe. Fundierte Bestandsaufnahmen – am besten regelmäßig aktualisiert – sind unerlässlich. Und eine Plausibilisierung der Frage „Haben wir wirklich ein Problem oder ist es vielleicht nur ein Gefühl?“ sollte professionell erfolgen.

Und nach der Leerstandsanalyse und der Zusammenstellung eines Projektteams …

… könnte man sich auch Gedanken über die Förderlogik machen. Man könnte zum Beispiel nicht primär die bauliche Umsetzung mit Fassadenaktionen oder ähnlichem unterstützen, sondern die vorgelagerte Projektentwicklung. 

Also: Analyse, Planung, Gespräche mit Eigentümern, Konzeptentwicklung, Wirtschaftlichkeitsberechnung. Viele Eigentümer, die nicht laufend mit Immobilien zu tun haben – und das ist die Mehrheit der Eigentümer – haben Angst vor einer Projektentwicklung und deren wirtschaftlicher Sinnhaftigkeit. Wenn Gemeinden hier ansetzen und helfen, diese Ängste zu nehmen, haben wir bessere Chancen, Ortskerne zu beleben.

Was bedeutet das für die Bewertung von Grundstücken?

Die klassische Bewertung über Vergleichswerte oder Sachwertverfahren greift oft zu kurz. Wirklich sinnvoll ist die sogenannte Residual- wertmethode. Dabei wird vom möglichen Nutzungsertrag – also den Mieteinnahmen oder dem Verkaufswert der fertigen Ertragsliegenschaft – rückwärts gerechnet: Was ist das Projekt nach Fertigstellung wert, was kostet der Weg dorthin und die Differenz dazwischen ergibt den Grundstückwert. Gemeinden sollten lernen, mit dieser Logik zu denken.

Können Sie ein Best-Practice-Beispiel, bei dem die Ortskernentwicklung besonders gut gelungen ist, nennen?

Für mich ist nach wie vor Tulln eines der bahnbrechendsten Beispiele. Die Kombination Einkaufszentrum, Tiefgarage und Hauptplatzbelebung ist ein Paradebeispiel wie man das verteufelte Auto als das akzeptiert, was es ist, nämlich der Mobilitätsgarant Nr. 1 für uns in Niederösterreich. Auch wenn man ehrlicherweise sagen muss, dass ein Projekt wie Tulln wahrscheinlich heute nicht mehr wirtschaftlich möglich wäre.

Und zum Abschluss: Ihr Rat an Gemeinden?

Drei Dinge: Erstens – hören Sie auf, nur über den Bodenwert zu reden. Entscheidend ist, was man aus dem Grundstück machen kann.
Zweitens – Sie sind keine Projektentwickler, aber Sie sind der Schlüssel dazu, dass Projekte entstehen. Analysieren Sie die Probleme vor Ort, bauen Sie ein Team auf und helfen Sie Eigentümern, ihre Liegenschaften zu entwickeln. 
Und drittens – konzentrieren Sie sich auf jene Liegenschaften, die für den Ortskern entscheidend sind, priorisieren Sie diese Projekte und sorgen Sie für eine rasche behördliche Begleitung und Abwicklung. 

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