Walter Reinthaler
„Lernen, Beobachten, Anpassen - und immer mit allen Beteiligten im Dialog bleiben.“ Walter Reinthaler rät, wie Gemeinden bei der Organisation von Großveranstaltungen am besten vorgehen.

Nahaufnahme

Der Bürgermeister von „Woodstock“

Walter Reinthaler ist Bürgermeister von Ort im Innkreis, jener kleinen Gemeinde, die Jahr für Jahr zum „Woodstock der Blasmusik“ mutiert und dabei über 100.000 Besucher beherbergt. Im Gespräch mit KOMMUNAL erzählt er, wie diese Menschenmassen zu bewältigen und zu versorgen sind.

Walter Reinthaler ist ein Mann, der das ruhige Auftreten eines Polizisten mit der Durchsetzungsfähigkeit eines gestandenen Kommunalpolitikers verbindet. 1961 in Schärding geboren, lebt Reinthaler seit den frühen 1980er-Jahren im Ort, der heute seine politische und persönliche Heimat ist.

Sein Weg in die Politik war keiner mit parteipolitischer Planung, sondern einer, der sich aus persönlichem Engagement und beruflicher Erfahrung ergab. In jungen Jahren prägte ihn die Nähe zur sozialistischen Jugendbewegung – nicht zuletzt durch die Lehre in einem SPÖ-geführten Lehrlingsheim. Doch seine spätere Laufbahn als Gendarm und Personalvertreter führte ihn in andere Bahnen. Es waren vor allem die Themen Sicherheit und Gerechtigkeit, die ihn politisierten und schließlich zur FPÖ brachten. Er engagierte sich über Jahre hinweg in der Personalvertretung, wurde Dienststellenausschussvorsitzender und wuchs langsam, aber stetig in die Gemeindepolitik hinein. Ende der 1990er-Jahre wurde er Gemeinderat, 2009 schließlich Bürgermeister.

Wer mit Walter Reinthaler spricht, merkt schnell, dass er keiner ist, der sich in politischen Schlagworten verliert. Ihn prägen klare Vorstellungen von Gerechtigkeit, sozialem Ausgleich und einer Politik des Augenmaßes. Seine Ziele beschreibt er nicht in großen Visionen, sondern in konkreten Vorhaben. Stolz ist er auf die gelungene Neugestaltung des Dorfplatzes, den Bau des modernen Gemeindeamts, oder jüngst die Sanierung der Kinderspielplätze. Es ist eine Mischung aus Pragmatismus, Erfahrung und Nähe zu den Menschen, die seine Arbeit in Ort im Innkreis auszeichnet.

Ort im Innkreis
Idyllisch und beschaulich zeigt sich die landwirtschaftlich geprägte  Hügellandschaft des Innviertels die meiste Zeit des Jahres.  
 Foto: INNVIERTEL Tourismus/Andreas Muehlleitner

Mit seinen rund 1.600 Einwohnern liegt Ort eingebettet in die sanfte Hügellandschaft des Innviertels, nur einen Steinwurf von der Innkreis-Autobahn A8 entfernt. Auch wenn die gleichnamige Auffahrt streng genommen nicht mehr auf Gemeindegebiet liegt, ist sie symbolisch wie infrastrukturell ein entscheidender Anknüpfungspunkt für die Kommune. 

Wirtschaftlich wird die Gemeinde von der Textilhandelskette FUSSL geprägt, die hier nach wie vor ihr Stammhaus hat. Es ist das Zusammenspiel von örtlicher Wirtschaft, verkehrstechnischer Anbindung und einem gewachsenen Gemeindekern, das den Charakter dieses ehemals landwirtschaftlich geprägten Ortes mit Einwohnern aus 28 verschiedenen Nationen nunmehr ausmacht. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Gemeindeentwicklung, die unter Walter Reinthalers Ägide behutsam, aber entschlossen vorangetrieben wurde.

Eines der sichtbarsten Beispiele ist der neugestaltete Dorfplatz, der nicht nur das Ortsbild aufwertet, sondern auch eine neue Mitte für das kommunale Leben geschaffen hat. Das neue Gemeindeamt bündelt Verwaltung, Bürgerservice und Treffpunkt, eine zeitgemäße Antwort auf die Frage, wie Verwaltung bürgernah organisiert sein kann.

Gemeindeamt Ort im Innkreis
Im April 2019 wurden das neu erbaute Gemeindeamt von Ort im Innkreis eröffnet. Gleichzeitig wurde auch der neue Hochwasserschutz fertig gestellt. Foto: Aberynn - CC BY-SA 4.0

Auch in puncto Infrastruktur wurden wichtige Weichen gestellt. Lärmschutzmaßnahmen entlang der Autobahn, ein neuer Hochwasserschutz,  neue Wohnsiedlungen – Ort im Innkreis hat in den letzten Jahren eine Entwicklung durchlaufen, die Reinthaler mit ruhiger Hand begleitet hat. Gleichzeitig bleibt die Gemeinde – anders als viele vergleichbare Orte – bislang von der Einstufung als Ausgleichsgemeinde verschont. Noch - wie der Bürgermeister betont. Denn die finanziellen Herausforderungen wachsen auch hier, und sämtliche Investitionen müssen wohlüberlegt und nachhaltig geplant werden.

Es begann als kleines Open-Air ...

Einmal pro Jahr verwandelt sich Ort im Innkreis zum „Woodstock der Blasmusik“.  So heißt das Festival, das aus bescheidenen Anfängen zum mit Abstand größten Blasmusikfestivals Europas geworden ist – und das seit seiner Gründung fest mit dem Ort verbunden ist. 

Bürgermeister Walter Reinthaler hat die Entwicklung von Anfang an begleitet: „Das Ganze ist eigentlich Jahr für Jahr gewachsen“, sagt er. Was einst mit einem kleineren Open-Air begann, ist heute ein Mega-Event mit sieben Bühnen, über 100.000 Besuchern, hunderten Caravans und Wohnwägen und unzähligen freiwilligen Helfern. Und das alles in einer Gemeinde mit rund 1.600 Einwohnern. Eine logistische Herausforderung, die ihresgleichen sucht.

Woodstock der Blasmusik
Das Festival-Gelände  liegt großteils auf landwirtschaftlichen Gründen der bayrischen Grafenfamilie von Arco-Zinneberg. Foto: Klaus Mittermayr

Dabei beginnt die Arbeit nicht erst, wenn die ersten Festivalgäste anrollen. Monate im Voraus werden Verkehrs- und Sicherheitskonzepte abgestimmt, Wasser- und Abwasserversorgung organisiert und Abläufe mit Bezirkshauptmannschaft, Polizei, Rettung und Feuerwehr koordiniert. Es gibt eigene Behördenverhandlungen, in denen alle Änderungen zum Vorjahr durchgegangen und aktualisiert werden. Die enge Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden ist dabei ebenso selbstverständlich wie essenziell, denn das Festivalgelände erstreckt sich mittlerweile über drei Gemeinden.

Ein massiver Kraftakt betrifft die Infrastruktur: Die Versorgung mit Trinkwasser, die Entsorgung von Abwasser – bei 100.000 Besuchern keine triviale Angelegenheit. Die Gemeinde verfügt über eigene Hochbehälter mit 200.000 Litern Fassungsvermögen, doch das reicht bei Weitem nicht. LKWs müssen zusätzlich Trinkwasser anliefern, damit das System nicht kollabiert. Die Veranstalter haben inzwischen in moderne, wassersparende Duschcontainer investiert, doch die Belastungsgrenzen sind Jahr für Jahr spürbar.

Auch der Abtransport des Abwassers der tausenden Besucher des Festivals stellt für die Verbandskläranlage und deren Mitarbeiter in dieser Zeit des Festivals vor besondere Herausforderungen.  „Aber auch diese Herausforderung funktioniert mittlerweile sehr gut“, erklärt Reinthaler.

Und dann sind da noch die ganz alltäglichen Verwaltungsaufgaben, der mit einem Festival dieser Größenordnung einhergehen. Müllabfuhren müssen umgeplant werden, weil in den engen Straßen des Ortes an manchen Tagen kein Durchkommen mehr ist. Pufferräume für Verkehrsstaus müssen eingerichtet werden, insbesondere bei Schlechtwetter, wenn Camper mit ihren Wohnwagen nur langsam aufs Gelände gelangen. Feuerwehr, Polizei und freiwillige Helfer stehen bereit, um den Zustrom in Intervallen zu lenken und Unfälle zu vermeiden. Jedes Jahr fließen die Erfahrungswerte der Vergangenheit in die neue Planung mit ein – ein lernendes System, wie der Bürgermeister sagt.

Festival
Letztes Jahr kamen über 100.000 Besucher. Foto: Klaus Mittermayr

Neben der Lustbarkeitsabgabe, die jährlich einen beträchtlichen Betrag in die Gemeindekasse spült, gibt es auch eine enge Zusammenarbeit mit regionalen Vereinen. Musikvereine, Fussballvereine und andere Organisationen betreiben als Partner des Veranstalters  Verkaufsstände auf dem Gelände. Die Arbeit ist anstrengend, aber lukrativ. Reinthaler erzählt etwa von einem Vereinsstand mit einer 15 Meter langen Bar – unzählige Mengen an Getränken aller Art gehen nur hier über den Tresen. Das Klientel, vorwiegend selbst alle Musiker sei bei aller Trinkfestigkeit immer nett freundlich und gut gelaunt. Auch Gastronomie der Region und Nahversorger ziehen Nutzen – selbst wenn viele Festivalgäste autark campieren oder das Gelände gar nicht verlassen.

Das Gelände selbst, die sogenannte Arco-Arena, liegt großteils auf landwirtschaftlichen Gründen der bayrischen Grafenfamilie von Arco-Zinneberg, die bis heute große Flächen in der Region besitzt. Der Kern der Veranstaltung, das so genannte LEITNER-GUT wird das ganze Jahr über als Hauben-Restaurant und für verschiedenste Feiern und Veranstaltungen von Firmen, aber auch für Hochzeiten genutzt – mehr als 30 waren es zuletzt –, was zusätzliche Kommunalsteuereinnahmen für die Gemeinde bedeutet.

Reinthaler macht keinen Hehl daraus, dass das Festival die Gemeinde an ihre Belastungsgrenze bringt. Doch hat man über die Jahre gelernt, mit der Situation umzugehen, sie zu nutzen und dabei dennoch die eigenen Kapazitäten nicht aus den Augen zu verlieren. Nur durch die enge und gute Zusammenarbeit zwischen dem Veranstalter und allen beteiligten Organisationen, den betroffenen Gemeinden und Behörden, aber auch dem Verständnis der betroffenen Bürgerinnen und Bürger kann ein Festival dieser Größenordnung auch in einer so kleinen Gemeinde funktionieren und positive Auswirkungen für eine ganze Region bringen. Für andere Gemeinden mit ähnlichen Vorhaben hat der Bürgermeister einen einfachen Rat parat: lernen, beobachten, anpassen – und immer mit allen Beteiligten im Dialog bleiben. 

Zur Person

Walter Reinthalter

Alter: 64
Gemeinde: Ort im Innkreis
Einwohnerzahl: 1.369 (Jänner 2024)
Bürgermeister seit: Oktober 2009
Partei: FPÖ