
Die in diesem Jahr beginnende Revision der Vergaberichtlinien muss daher für eine Rückbesinnung auf das Wesentliche und eine umfassende Entrümpelung des Vergaberechts genutzt werden.
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Wann wird das Vergaberecht endlich praxistauglich?
Die EU-Vergaberichtlinien wurden 2014 verabschiedet, sind 2016 in Kraft getreten und seit 2018 auch in Österreich umgesetzt. Sie sind ab Auftragswerten von ca. 5,5 Millionen Euro für Bauaufträge, 221.000 Euro für Liefer- und Dienstleistungsaufträge und 750.000 Euro für Sozialdienstleistungen anzuwenden. Die Richtlinien erheben den Anspruch, das öffentliche Auftragswesen zu vereinfachen, den Binnenmarkt zu stärken und insbesondere die Beteiligung von KMU anzuheben. Außerdem ermöglichen sie die Berücksichtigung von Sozial-, Umwelt- und Nachhaltigkeitskriterien, die interkommunale Zusammenarbeit sollte in Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH erleichtert werden. Auf den ersten Blick und in der Theorie also ein gelungenes Paket. Wie so oft, entscheidet aber erst der Praxistest über das tatsächliche Gelingen.
Der Sonderbericht des EU-Rechnungshofs bestätigt, dass österreichische Gemeinden mit ihrer kritischen Einschätzung nicht allein sind. Die in diesem Jahr beginnende Revision der Vergaberichtlinien muss daher für eine Rückbesinnung auf das Wesentliche und eine umfassende Entrümpelung des Vergaberechts genutzt werden.
Das Vergaberecht darf nicht Vehikel zur Erreichung übergeordneter Politikziele sein, schon gar nicht in Zeiten knapper Kassen. Die der Kommission vom Rechnungshof empfohlene Analyse sollte zu Tage fördern, dass Sozial- und Nachhaltigkeitskriterien vielfach über Leistungsbeschreibungen nachgefragt werden und öffentliche Bauaufträge nur die höchsten Gebäudestandards umsetzen dürfen. Zusätzliche verpflichtende Nachhaltigkeitskriterien sind daher widersinnig und machen die Verfahren nur noch komplizierter.
Schwellenwerte müssen attraktiv sein
Auch die Schwellenwerte sind zur Diskussion zu stellen. Die (statistische) Belebung des Binnenmarkts wird nur gelingen, wenn die Schwellenwerte ausreichend attraktiv sind, um grenzüberschreitende Angebote zu rechtfertigen. Im kommunalen Bereich ist dies aktuell nicht einmal in Grenzregionen der Fall. Denn im Gegensatz zur Anschaffung von Waren kommen im Dienstleistungs- und Bausektor der menschliche Faktor (Anfahrtszeiten, Unterbringung, Sprachbarrieren) und unterschiedliche nationale oder regionale Traditionen, Bauordnungen, Feuerschutzbestimmungen etc. zum Tragen. Faktoren, die aber in der Theorie unbedeutend sind.
Nach zahlreichen EuGH-Verfahren zu Beginn der 2000er-Jahre sollte die interkommunale Zusammenarbeit abgesichert werden. Letztlich erwies sich aber auch diese Bestimmung als praxisfremd. Gemeinden, die im Streben nach Effizienz neue Kooperationsformen entwickeln bzw. einander nur punktuell aushelfen, fallen bei Überschreiten der (niedrigen) Schwellenwerte doch wieder unter die Vergaberegeln.
Alles in allem also ein weites Feld, allein schon aus kommunaler Sicht.
Die EU-Kommission betont in ersten Diskussionen, dass sie natürlich die Situation in allen Mitgliedstaaten und aller Beteiligten berücksichtigen muss. Dies darf nicht als Ausrede dienen, am Ende doch wieder mehr zu fordern.
Wenn sie den Zielen dieses Mandats, nämlich Vereinfachung, Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Stärkung des europäischen Sozialmodells gerecht werden will, muss sie das Vergaberecht entrümpeln und die kleinen Strukturen, die Europa zusammenhalten, entlasten.
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Bis 7. März kann man sich an der öffentlichen Konsultation zur Revision der Vergaberichtlinien beteiligen. Diese besteht aus einem allgemeinen Teil, wo Erfahrungen und Praxisbeispiele beschrieben werden können und einem Multiple-Choice-Fragebogen. Dieser ist aufgrund seiner mitunter widersprüchlichen Fragestellung bzw. Vermengung unterschiedlichster Aspekte in einer Frage aber mit Vorsicht zu genießen bzw. sollte jedenfalls um entsprechende Erklärungen ergänzt werden.