
„Wenn man wirklich etwas ändern will, dann darf man nicht nur zuschauen.“ Elisabeth Kuster über ihren Entschluss, sich politisch zu engagieren.
© Alexander Kuster
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Die erste Ortschefin im Montafon
Mit 30 Jahren übernimmt Elisabeth Kuster das Bürgermeisteramt in St. Gallenkirch – als erste Frau im gesamten Montafon. Ihre Geschichte ist eine von Tatkraft, Bodenständigkeit und neuen Wegen für ihre Heimatgemeinde.
Wenn man mit Elisabeth Kuster spricht, spürt man sofort, dass hier eine Frau sitzt, die weiß, wovon sie redet – und die auch bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Ihre Antworten kommen direkt, ohne Umschweife, dafür mit umso mehr Klarheit. „Ich war nie jemand, der lange redet, ohne etwas zu tun“, sagt sie. Und vielleicht ist genau das der Grund, warum sich so viele Menschen in St. Gallenkirch für sie entschieden haben. Über 67 Prozent der Stimmen entfielen bei der jüngsten Wahl auf sie – ein deutliches Zeichen für Vertrauen.

Dass sie damit nicht nur die erste Frau im Bürgermeisteramt in der Geschichte ihres Ortes ist, sondern im gesamten Montafon, ist für sie ein Nebenaspekt. „Ich habe nicht kandidiert, weil ich eine Frau bin – aber es freut mich natürlich, wenn ich damit auch anderen Mut machen kann.“
Ihr Weg in die Politik war kein klassischer. Ein Bekannter fragte sie, ob sie es sich vorstellen könne, sich in der Gemeindepolitik einzubringen. „Ich hab gesagt: Ja, das kann ich mir ja einmal anhören. Aber dass ich einmal vorne stehen würde – das war da noch weit weg.“
Kuster besuchte eine Fraktionssitzung, schaute sich an, wie diskutiert wird, ging wieder nach Hause – und sprach mit ihrer Familie. „Ich weiß noch, wie meine Mama gesagt hat: Warum kandidierst du nicht einfach selbst?“ Anfangs war das eher ein Gedanke aus dem Bauch heraus. Aber je mehr sie darüber nachdachte, desto klarer wurde: Wenn man wirklich etwas ändern will, dann darf man nicht nur zuschauen.
Expertin für erneuerbare Energie
Elisabeth Kuster ist eigentlich gelernte Installateurin, hat nach der Lehre noch die HTL gemacht, und eine vielbeachtete Diplomarbeit im Bereich erneuerbare Energie geschrieben, die mit dem „Special Young Scientist Energy Award“ ausgezeichnet wurde.
Sie war in Wien als Abteilungsleiterin für Wartung und Service von - oft denkmalgeschützten - Gebäuden tätig. Ein Job, bei dem man schnell, zuverlässig und durchsetzungsfähig sein muss. Alles Eigenschaften, die sie nun in ihre neue Rolle einbringt. Kuster hat darüber hinaus ein Studium als Energie- und Umweltechnikerin absolviert und schließt derzeit gerade eine Ausbildung in Betriebswirtschaftslehre ab.
Von Vorarlberg nach Wien und wieder zurück
Nach Wien zog es sie nicht nur wegen der Karriere, sondern auch aus Neugier. „Ich wollte sehen, wie große Projekte funktionieren. Das war anstrengend, aber auch lehrreich.“
In der Bundeshauptstadt lernt Kuster auch ihren Mann kennen – einen Wiener, der mit ihr gemeinsam nach dem Hauptstadt-Jahr nach Vorarlberg (zurück-)zieht. In Kusters Heimat betreiben sie gemeinsam drei Ferienhäuser, sie bekommen eine Tochter, die nun bald zwei wird – und organisieren ihr Leben mit einem beeindruckenden Maß an Klarheit. „Es funktioniert, weil wir uns von Anfang an darauf verständigt haben: Wenn ich Bürgermeisterin werde, dann gehen wir es gemeinsam an. Und er hat seine Arbeitszeit reduziert. Das ist nicht selbstverständlich, aber es war für uns der richtige Weg.“
Pragmatisch und empathisch
Kuster ist bekannt für ihre Direktheit: „Ich bin sehr ehrlich. Manchmal zu ehrlich. Aber ich glaube, dass das in der Politik wichtig ist. Ich will niemandem etwas vormachen.“ Die junge Mutter ist aber auch pragmatisch – und empathisch. „Ich bin ein Mensch, der zuhört. Und ich finde, genau das fehlt oft. Die Leute wollen gehört werden.“
St. Gallenkirch ist für Kuster ein Herzensort. „Wir sind touristisch sehr stark, besonders im Winter. Aber wir haben auch abseits davon unglaublich viel Potenzial. Es ist landschaftlich wunderschön, die Leute halten zusammen, und es gibt ein starkes Bewusstsein für das, was uns ausmacht.“ Sie lacht, als sie ergänzt: „Aber man muss halt schon aushalten können, dass jeder jeden kennt.“

Doch es gibt auch Herausforderungen. Die größte davon sind die Finanzen. „Wir haben in den letzten Jahren viel investiert, etwa in das Feuerwehrhaus. Das war notwendig, aber es hat natürlich Spuren hinterlassen.“

Kuster streut ihrem Vorgänger Rosen und lobt seine Verdienste um die Sanierung des Gemeindebudgets. Große Sprünge sind derzeit trotzdem nicht möglich – dennoch will sie vor allem den Sommertourismus weiterentwickeln. „Ich möchte familienfreundliche Wanderwege schaffen, Mountainbike-Strecken ausbauen, kleine Angebote für die Nebensaison auf den Weg bringen. Vieles lässt sich mit wenig Budget machen, aber mit Engagement und klarer Planung.“
Mitbestimmung wird gefördert
Ein anderes Thema, das ihr wichtig ist, ist die Beteiligung der Bevölkerung. „Ich will nicht Politik für die Leute machen, sondern mit ihnen. Ich lade jetzt schon regelmäßig zu Zukunftsgesprächen ein – zu bestimmten Themen, und dann können alle kommen, die sich dafür interessieren.“ Besonders wichtig sind ihr dabei Jugendliche. Auch jene, die noch nicht wählen dürfen. „Ich will ihnen zeigen: Eure Meinung zählt. Denn wenn sie nichts vorfinden, das sie anspricht, dann wandern sie ab.“
Glücklicherweise sei die Situation diesbezüglich in St. Gallenkirch derzeit nicht dramatisch. „Es bauen wieder einige Junge. Aber das ist kein Selbstläufer. Wir müssen schauen, dass das auch in Zukunft möglich bleibt – durch leistbaren Baugrund, durch Infrastruktur, durch Freizeitangebote.“ Sie erzählt von Ideen für generationenübergreifende Projekte: Begegnungsräume schaffen, Aktivitäten für Alt und Jung. „Es gibt viele ältere Menschen, die niemanden mehr haben. Warum nicht Brücken bauen zwischen den Generationen? Das kostet wenig, bringt aber viel.“
Gemeinsame Verkehrslösung für das Tal
Ein weiteres Dauerthema ist der Verkehr. „Jedes Wochenende staut es sich. Doch das ist ein Thema, das wir allein nicht lösen können. Es braucht eine gemeinsame Lösung für das gesamte Tal – und den politischen Willen auf Landesebene.“ Es gäbe Pläne, etwa für eine Bahnverbindung, aber die Diskussion ziehe sich seit Jahren. „Ich hoffe, dass wir es schaffen, da gemeinsam Druck zu machen – als Bürgermeisterin und Bürgermeister des gesamten Montafon.“
Auch das Thema Naturgefahren beschäftigt sie. „Wir haben immer wieder mit Muren und Hochwasser zu kämpfen. Die Wetterextreme nehmen zu. Das ist Realität – und wir müssen darauf reagieren.“ Investitionen in den Schutz
vor Naturgefahren sieht sie als Priorität. „Da geht’s nicht um Prestige, sondern um Sicherheit.“
Und bei all dem bleibt noch ein Stück Privatleben – das sie sich bewusst nimmt. Sport ist ihr Ausgleich. Sie läuft Hindernisrennen, wie z. B. die berühmten Spartan Races, trainiert in der Natur. „Ich brauche das. Es gibt mir Energie. Und ich sehe dabei auch immer wieder: Wenn man dranbleibt, geht mehr, als man denkt.“
Was sie sich für ihre Amtszeit vorgenommen hat? Viel. „Ich will, dass St. Gallenkirch ein Ort bleibt, an dem man gerne lebt. Für Familien, für Junge, für Alte. Ich möchte nicht verwalten – ich möchte gestalten.“
Und persönlich? Hat sie noch Ziele? „Natürlich. Ich will diese Aufgabe gut machen. Und wenn ich etwas mache, dann mit voller Kraft. Ich glaube nicht, dass das meine letzte Station ist – aber jetzt bin ich hier. Und ich bin bereit. Erfolg besteht für mich seit jeher aus drei Buchstaben - TUN! Das soll auch mein Motto in der Politik sein.
Zur Person
Elisabeth Kuster
Alter: 30
Gemeinde: Sankt Gallenkirch
Einwohnerzahl: 2.222. (1. Jänner 2024)
Bürgermeisterin seit: 23.4.2025
Partei: ÖVP