
Johannes Pressl mit dem deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz beim Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
© Henning Angerer DStGB
Meinung
Reformen aus Überzeugung
Die Finanzen und notwendige Reformen waren auch in den letzten Wochen das „Überthema“ in der kommunalpolitischen und auf die Gemeinden bezogenen innenpolitischen Diskussion in Österreich.
Zu den beginnenden Stabilitätspaktverhandlungen ist Anfang Juni bei der Landeshauptleutekonferenz in Leogang auch noch die von der Bundesregierung angestoßene Reformpartnerschaft für Österreich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden dazugekommen. Ich habe diese stellvertretend für den Österreichischen Gemeindebund mit Überzeugung unterzeichnet. Wohl wissend, dass die darin genannten Themen Verwaltungs- und Verfassungsbereinigung, Energie, Bildung und Gesundheit allein noch zu wenig sind. Aber mit der Überzeugung, dass einmal an einem Ende begonnen werden muss.
Ich habe auch im Bewusstsein unterschrieben, dass wir als Gemeinden in der Staatsorganisation nach Bund und Ländern nur der „Juniorpartner“ sind. Aber mit der Überzeugung, dass es nicht um „David gegen Goliath“ geht, sondern auch den Entscheidungsebenen „über uns“ - Bund und Ländern – um Ehrlichkeit im Umgang mit den Gemeinden und Städten gehen muss.
Und schließlich war mit der Unterschrift klar: REFORMEN werden auch von uns in den Gemeinden Einschränkungen abverlangen, Einschnitte erfordern und Veränderungen bedingen. Aber ich bin überzeugt, sie werden auch für unsere Organisation des Zusammenlebens in den Gemeinden die Möglichkeit der Erneuerung, die Chance der Modernisierung und einen längst notwendigen neuen Blick auf die kollektive Zukunft der Gemeinden bringen.
Miteinander reden statt gegenseitig ausrichten
Etwas befremdlich ist es da wohl, dass immer wieder auch „Dritte“ in aller Öffentlichkeit ihre Kommentare zu den Gemeinden und Gemeindefinanzen abgeben. Interessanterweise Organisationen, die von der tagtäglichen Gemeindepraxis und den Komplexitäten und finanziellen Erfordernissen, unter denen wir das lokale Zusammenleben organisieren, keine Ahnung haben. Sogenannte „Thinktanks“ fühlen sich da in letzter Zeit besonders berufen, aber auch bei anderen Interessensverbänden und Einzelpersonen könnte man meinen gilt das Sprichwort: „Da redet der Blinde von der Farbe“. Peter Heymich – der Landesgeschäftsführer im Kärtner Gemeindebund - hat das jüngst sehr schön zusammengefasst.
Konkret „Wollen“ statt nur „Mut haben sollen“
Der sprichwörtliche „MUT zu Reformen“ wird immer wieder wortreich beschworen. Aber letztlich braucht´s den konkreten Willen und der kann nur bei einem selbst und bei konkreten Projekten beginnen. Im Österreichischen Gemeindebund stehen jetzt und über den Sommer diese „konkreten“ Themen an:
- Wir organisieren eine Leerstandskonferenz am 22. Juli in Wien. Weil wir von theoretischen Vorgaben, wie 2,5ha Grenzen beim Bodenverbrauch nichts halten und uns lieber praktische Beispiele, konkrete Projekte und wirkungsvolle Maßnahmen anschauen, wie wir zukünftig unsere Städte und Dörfer noch Boden- und Ressourcen schonender entwickeln können. Info und Anmeldung auf www.gemeindebund.at.
- Wir arbeiten an einer optimalen Datenwirtschaft als Grundlage für eine umfassende Digitalisierung in unseren Gemeinden. Und haben uns deshalb nicht nur personell seit März mit unserer Mitarbeiterin Magdalena Pfeffel im Österreichischen Gemeindebund verstärkt, sondern feilen auch mit Hochdruck an einer Daten- und Digitalstrategie für die Gemeinden. Der Städtebund, das Bundesrechenzentrum, die entsprechenden Ministerien und speziell die Staatssekretäre Pröll (Digitalisierung) und Schellhorn (Deregulierung) sind in der Gesamtstaatsverwaltung unsere zentralen Ansprechpartner. An der Basis der Gemeinden und Städte und einschlägiger Softwareunternehmen geht´s parallel um „Use-Cases“ und viele kreative Überlegungen - weit über die bisherigen Möglichkeiten hinausgehender Anwendungen.
Hinweise bitte an magdalena.pfeffel@gemeindebund.gv.at
- Bankomaten und digitaler Euro: Die Bankomateninitiative hat bereits 40 neue Standorte in bisher unterversorgten Bereichen gebracht und die nächsten Bankomaten sind „ausgeschrieben“.
Am 1. Juli habe ich auch den ersten Bankomaten aus dieser Initiative gemeinsam mit Nationalbank-Gouverneur Holzmann in Obritzberg-Rust eröffnet. Gemeinden, die auch von sich aus glauben, unterversorgt zu sein oder wo Menschen im gesamten Gemeindegebiet lange Wege zum nächsten Bankomaten haben, können sich auch „initiativ“ melden. Und wir denken auch schon weiter und wollen trotz Bargeldinitiativen nicht aus den Augen verlieren, welche Chancen und Möglichkeiten der digitale Euro bringen kann. Kreative Ideen zur Nutzung des „digitalen Euros“ sind natürlich auch hierzu herzlich willkommen.
- Für ernsthafte Kooperationen zwischen Gemeinden bereiten wir gerade die Grundlagen auf - für bezirksweise Gemeinde-Dienstleistungsverbände flächendeckend. Nach unserem Modell soll´s im ganzen Land von den Gemeinden getragene Gemeindeverbände geben. Die Mitgliedschaft aller könnte sogar „Pflicht“ sein, die tatsächliche Übertragung von Aufgaben „nur freiwillig“ und nur dann, wenn von der Gemeinde gebraucht und für die Gemeinde mit Mehrwert verbunden. Die von allen getragene und von jeder Gemeinde mitentschiedene Struktur hätte den Vorteil, dass es keine von „oben herab“, sondern „von der Basis weg“ getragene und damit selbstbestimmte Struktur ist!
- Ein Modell wie beim Trinkwasserleitungs- und Kanalbau schlagen wir mittelfristig auch für den noch fehlenden Glasfaserausbau im ländlichen Raum vor. Vom Kanal- und Wasserleitungsbau kennen wir flächendeckende Planungen, Anschlussverpflichtungen, einen Förderfonds und Richtlinien, die hohen Ausbauaufwand besonders berücksichtigen und Gebührenhaushalte, die „Wirtschaftlichkeit und Reinvestition“ fordern aber „Gewinn“ ausschließen. Auch für den geförderten Glasfaserausbau schlagen wir solche Modelle jetzt vor – in einer Phase, wo sich der Bund durch „Rückzug“ bereits ausgeschriebener Fördermillionen nochmals eine Nachdenkpause eingeräumt hat. Alles, damit wir endlich dauerhaft in Richtung flächendeckendem Ausbau kommen und dieser zumindest im kommenden „Jahrzehnt“ Realität werden kann. Und auch den seitens A1 Telekom ins Stocken geratenen Ausbau versuchen wir wieder ankurbeln.
- Wir vernetzen uns vor allem auch „europäisch“! Kürzlich beim Deutschen Städte- und Gemeindebund und auch bei Besuchen in Tschechien und bei Treffen mit dem ukrainischem Städte- und Gemeindeverband. Das Ziel ist nicht „Reisen“ oder „interessante Kulturen“ kennenlernen, sondern vor allem auch Themen gemeinsam an die EU-Kommission heranzutragen oder bei EU-Themen auch unsere Interessen einzubringen. Die „EU-einheitlichen Vergaberichtlinien“ sind aktuell gerade das heiße Thema.
- Schließlich sorgen wir auch für „Recht“ im Sinne der Gemeinden. Beim Baukartell zum Beispiel läuft die „Prozessfinanzierung“ in immer mehr Gemeinden gut an. Und auf einer weiteren Schiene wird auch noch nach „Pauschaleinigungen“ gesucht. Der Generalanwalt der Republik – Wolfgang Peschorn – hat dazu auch kürzlich das Interesse der Gemeinden erkundet. Wir sind natürlich „interessiert“, weil es unser erstes Ziel ist, Bürgermeister aus einer „fahrlässigen Krida“ herauszuhalten und „vor Untreue“ zu schützen. Und weil wir zweitens Wiedergutmachung für an Gemeinden begangenem Schaden mit aller Vehemenz wollen.
Den Sommer nutzen
Die Urlaubszeit wird jetzt – auch in Wien – Termine schwieriger machen, dafür aber Zeit für´s „Nachdenken“, für Strategiearbeit und auch zum Entspannen und Kraft tanken ermöglichen.