
Rainer Praschak und Silvia Drechsler wollen mit mit transparenter Sachpolitik und zukunftsorientiertem Politikstil überzeugen.
© Stadtgemeinde Mödling
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Doppelte Premiere in Mödling
In der Bezirkshauptstadt Mödling teilt sich ein Führungsduo das Bürgermeisteramt und stellt damit eine doppelte Premiere dar: Silvia Drechsler ist die erste Frau im Chefsessel, und Rainer Praschak wird der erste grüne Bürgermeister Niederösterreichs.
Die Gemeinderatswahlen Anfang April führten in Mödling zu einem Wahlergebnis, das eine neue Mehrheitskonstellation erlaubt. Nach vier Jahrzehnten ist die ÖVP erstmals nicht mehr in der Stadtregierung und stellt demzufolge auch nicht mehr den Bürgermeister. Stattdessen haben die SPÖ und die Grünen, die in den vorangegangenen Legislaturperioden abwechselnd mit der ÖVP koalierten nun ein gemeinsames Arbeitsübereinkommen auf die Beine gestellt und sich für die kommenden fünf Jahre einiges vorgenommen.

Das Bürgermeisteramt teilen sich die beiden Parteispitzen und schaffen damit eine doppelte Premiere. Silvia Drechsler (SPÖ) amtiert seit der Angelobung Ende April in der Funktion und ist damit 150 Jahre nach der Stadterhebung Mödlings die erste Frau in dieser Position. Rainer Praschak (Die Grünen) wird ihr 2027 offiziell nachfolgen, und aller Voraussicht nach, dadurch der erste grüne Bürgermeister in Niederösterreich. Der Führungstausch ist bereits fix vereinbart – nicht als Kompromiss, sondern als politisches Statement. Die beiden setzen auf Zusammenarbeit statt Konkurrenz, auf abgestimmte Schwerpunkte und eine geteilte Verantwortung. Was sie verbindet, ist nicht nur ein ähnlicher Zugang zu Stadtentwicklung, sondern auch der Wille, alte Strukturen aufzubrechen und Raum für neue Ideen zu schaffen.
Silvia Drechsler will die Welt gestalten
Beide sind in Mödling tief verwurzelt und haben einen illustren Werdegang, der einen näheren Blick verdient. Drechsler wurde 1963 in Mödling geboren, und hat hier auch die Handelsakademie absolviert. Sie kommt aus einem sozialdemokratischen Elternhaus, hat in der Kirche ministriert, dort auch verschiedene Gruppen geleitet, und sich sehr für Wirtschaft interessiert. „Ich war bei Amnesty International und Global 2000, schon damals mit dem Gedanken >Man muss in der Welt etwas gestalten.<“
Drechsler gründete eine Familie und machte sich mit einem Großhandel selbständig. Später hat sie in Zeitungsredaktionen und bei der Raiffeisen Holding gearbeitet. „Ganz konträr zu meiner politischen Einstellung war ich eigentlich immer in den schwarzen Konzernen unterwegs“, stellt sie fest.
Als 1999 eine Bürgerliste, die sich aus der ÖVP abgespalten hat, die Gemeindefinanzen zum Thema macht, spricht das die wirtschaftsaffine Frau an. Sie engagiert sich dafür und zieht in den Gemeinderat ein. Dort macht sie eine so gute Figur, dass 2005 alle Parteien bei ihr anklopfen. „Zwar bin ich durch keine Parteischule gegangen, dafür aber durch die Schule der Gemeinde, und habe so sehr viel gelernt.“ Drechsler wechselt zur Mödlinger SPÖ und wird schließlich 2016 deren geschäftsführende Vorsitzende. „Das war eine spannende Zeit, denn damals waren wir in Opposition und ich konnte hier wirklich Parteiarbeit leisten.“
Rainer Praschak: Architekt mit Interesse für Stadtentwicklung
Auch Rainer Praschak ist durch und durch Mödlinger. Er kommt aus einer gutbürgerlichen, liberalen Familie, und ist in der Bezirkshauptstadt, die sich im südlichen Speckgürtel Wiens befindet, aufgewachsen und sozialisiert worden. Nach seinem Architekturstudium arbeitet er anfangs in einem örtlichen Architekturbüro, doch schon bald zieht es ihn in den Kulturbereich.
Seine Leidenschaft für die Musik wird sein Berufsleben fortan bis zum Eintritt in die Politik prägen. Praschak organisiert Konzerte und betreibt einen Plattenladen, den er als „Kulturnahversorger“ bezeichnet. Lange Zeit arbeitet er als Fachreferent beim österreichischen Musikinformationszentrum, einem Verein, der auf Initiative der Republik gegründet wurde, um österreichisches Musikschaffen zu dokumentieren und zu fördern. Für die Grünen zieht er 2010 erstmalig in den Gemeinderat ein, wird wenige Jahre später ihr Klubsprecher, 2015 Stadtrat und 2020 Vizebürgermeister. Praschaks besonderes Interesse gilt, passend zum Architekturstudium, dem Resort Stadtentwicklung: „Das ist für mich ein bisschen eine Rückkehr zu meinen Wurzeln, wenn man so will. Stadtentwicklung, Baukultur und alles was dazu gehört hat mich schon immer gefesselt“, bekennt der progressive Bürgermeister in spe.
Eine glückliche Fügung, denn hinsichtlich Stadtentwicklung und Klimaschutz steht in Mödling so einiges am Programm - ganz aktuell etwa die Umgestaltung eines zentral gelegenen, ehemaligen Tankstellen-Areals zu einem Park. Wie dieser schlussendlich aussieht, ist das Ergebnis eines Bürgerbeteiligungsverfahren. Die Bürgerbeteiligung zieht sich übrigens wie ein roter Faden durch das rot-grüne Arbeitsübereinkommen.
Praschak forciert auch diverse Klimaanpassungen: „Wir wollen dort, wo es möglich ist, konsequent entsiegeln und mehr versickerungsoffene Flächen schaffen. Wie wollen mehr Bäume in die Stadt bringen und Baumschutz betreiben. Die Schwarzföhre tut sich mit der Trockenheit und der Hitze extrem schwer. Dazu kommt jetzt auch noch eine Pilzerkrankung. Das Gleiche gilt für unsere Rosskastanien. Wir haben hunderte Kastanien in der Stadt, die laufend weniger werden.“ Die Gärtnerei forsche ständig, welche Baumarten für den jeweiligen Standort die zukünftig noch geeigneten sind. „Und wie können wir jenes Wasser, das es noch gibt, möglichst gut in den Baumscheiben halten? Dafür spielt das Schwammstadtprinzip eine große Rolle“, führt Praschak weiter aus.

Im Bezug auf die Stadtentwicklung bekennen sich Praschak und Drechsler übereinstimmend dazu, das Areal rund um das ehemalige Leiner-Gebäude nebst dem Bahnhof als Betriebsgebiet zu erhalten. Derartiges ist in Mödling nämlich ohnehin rar, was sich auch bei den Finanzen bemerkbar macht. Der erwähnte Bahnhof samt seinem Vorplatz soll übrigens auch eine große Umgestaltung erfahren, doch das wird noch etwas dauern, da die Stadt hier in Abstimmung mit den ÖBB vorgehen muss.
Doch zurück zu den Finanzen, denn die sind mit eines der größten Themen für die neue Stadtregierung. Sie gehören mit zu einer ganzen Reihe von Reformen, die sich die Stadtregierung vorgenommen hat: „Das klingt zwar nicht sehr sexy, aber es steht eben eine Konsolidierung des Budgets an“, bekennt Praschak, während Drechsler auf die geplante Verwaltungsreform hinweist. Diese hätte es eigentlich schon unter Schwarz-Grün geben sollen, umgesetzt wurde davon jedoch kaum etwas. „Man merkt, dass in der Struktur der Gemeinde ganz viel Nachholbedarf ist. Wir sehen das bei der Digitalisierung, aber auch bei der Gestaltung der Arbeitsplätze und der Arbeitszeiten“, erklärt die Bürgermeisterin. „Vieles ist doch sehr verkrustet, aber es macht uns beiden großen Spaß, diese Krusten aufzubrechen und Reformen, über die wir immer wieder gesprochen haben, tatsächlich anzugehen“, ergänzt Praschak. Drechsler pflichtet ihm bei. Man werde auch Unangenehmes, das gerne liegengelassen wurde, in Angriff nehmen.
Als Beispiel dafür nennt sie die Parkraumsituation. Diese sei prekär, doch wurden dahingehend jahrelang keine Entscheidungen getroffen. Das soll sich bald ändern, denn „manchmal ist es besser, eine umstrittene Entscheidung zu treffen, als gar keine.“ Parkplätze spielen auch bei der Belebung der Innenstadt eine brisante Rolle. Der zentrale Freiheitsplatz, eigentlich ein Schmuckstück der Innenstadt, ist bislang nichts weiter als ein einziger großer Parkplatz. Die Stadtregierung möchte hier einen Naschmarkt schaffen, doch manche Geschäftsleute fürchten um ihre individualmotorisierte Kundschaft.

In vielerlei Hinsicht gilt es für die aktuelle Bürgermeisterin und ihren künftigen Nachfolger, zu vermitteln, Ausgleich zu schaffen und zu erklären. Mödling ist unter zahlreichen Gesichtspunkten eine attraktive Stadt, darum schießen die Wohnungspreise in die Höhe. Das Schaffen von leistbarem Wohnraum, insbesondere für junge Menschen, ist daher eine weitere Herausforderung, ansonsten droht eine fortschreitende Überalterung der Stadtbevölkerung. Gleichzeitig gilt es das Spannungsfeld zwischen dem Ruhebedürfnis und dem urbanen Leben der Bevölkerungsgruppen im Auge zu behalten, so Praschak. Schließlich strebe man“ Lebensqualität für alle“ an. So lautet die gemeinsame Vision des Zukunftsprogramms.

Der kulturbeflissene Architekt und die Unternehmerin mit Finanzexpertise sind samt ihren jeweiligen Gemeinderätinnen und -räten darin übereingekommen, als gleichberechtigte Partner Mödling zu einer vielfältigen, bunten, modernen und lebendigen Stadt zu machen - ohne dabei ideologische Grabenkämpfe zu führen. Gelingt ihnen das, so stehen die Chancen gut, dass sie, als Ortschefs mit transparenter Sachpolitik und zukunftsorientiertem Politikstil, als Role Models für andere Gemeinden dienen könnten. Als grüner Bürgermeister, ebenso wie als Kommunalpolitikerin, die ein anderes Resort als das Soziale zu ihrem erkoren hat. Der Sozialbereich ist für Drechsler dennoch essenziell, und sie ist überzeugt,wenn man die Wirtschaftspolitik sozial anlegt, dann wirkt sie auch positiv auf den Sozialbereich ein.