Demo in Hallstatt
Im August demonstrierten Bürgerinnen und Bürger von Hallstatt gegen die Belastungen durch den Fremdenverkehr.
© Bürger für Hallstatt

Tourismus am Limit? Wege aus der Überlastung für Hotspots

Viele Gemeinden würden sich mehr Fremdenverkehr wünschen. In einigen wenigen ist aber der Andrang bereits so groß, dass die Einheimischen unter den Belastungen leiden. Wie kann man eine bessere Verteilung der Besuchermassen erreichen?

Der Tourismus boomt. In den ersten Sommermonaten – von Mai bis Juli – sind die Nächtigungszahlen österreichweit um knapp ein Prozent angestiegen. Setze man Ankünfte und Einwohnerzahl in Relation, dann liege Österreich weltweit an der Spitze, noch etwa vor Spanien und Italien, erklärt Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler.

Und anders als in den beiden Südländern gebe es, so Kraus-Winkler, in Österreich mit Ausnahme von wenigen Hotspots keinen „unbalancierten“ Tourismus. „Wir werden weiterhin Qualität vor Quantität stellen, es zählt nicht nur die Zahl der Nächtigungen, sondern auch die Tourismus-Akzeptanz“, so Kraus-Winkler.

Hallstatt: Mehr Schaden als Segen durch Tourismus?

In einigen stark belasteten Orten stößt die Begeisterung für den Fremdenverkehr aber zunehmend an ihre Grenzen. Besonders betroffen ist Hallstatt, das an Spitzentagen von Gästen überrollt wird.

Eintritt verlangen, wie es etwa Venedig tut, will man in Hallstatt nicht. „Wir wollen uns nicht zum Museum machen. Wir sind ein lebendiger Ort mit einem gesellschaftlichen Leben und Vereinen“, sagt Bürgermeister Alexander Scheutz. Er verweist auch darauf, dass die Einheimischen ohne die Touristen auf Vieles verzichten müssten. „Die Nachmittagsbetreuung für unsere Volksschulkinder, der ganztägige Kindergarten, Essen auf Rädern für unsere alten Menschen oder auch die günstigen Gemeindewohnungen wären ohne Tourismus nicht möglich“, meint Scheutz im „Standard“. Und nur wegen der Touristen könne man auch die jungen Leute im Ort halten, weil sie sonst keine Arbeitsplätze finden.

Die Gemeinde hat die Zahl der täglichen Reisebusse durch ein Slot-System begrenzt. Busunternehmen müssen ein Zeitfenster buchen und eine Gebühr von 90 Euro zahlen, sonst dürfen sie nicht parken.

Außerdem ließ der Tourismusverband eine Kamera montieren, die Bewegungsdaten speichert, nicht aber Bilder. Nun wisse man, sagte Tourismuschef Christian Schirlbauer im „Standard“, dass Hallstatt in der Hochsaison 3.000 bis 3.500 Tagesgäste habe – nicht 10.000 Besucher, wie Kritiker sagen.

Diesen ist aber auch das zu viel: Ende August organisierte die Gemeinderatsfraktion „Bürger für Hallstatt“ eine Blockade des Straßentunnels, der in den Ort führt. Die Aktion durfte aber nur eine Viertelstunde dauern. Eine geplante zweistündige Sperre wurde von der Bezirkshauptmannschaft untersagt.

Dürnstein setzt auf Leitsystem

„Es gibt keine allgemeingültige Standardlösung, um Hotspots mit ,unbalanced tourism‘ zu entzerren“, meint Robert Seeber, Bundesspartenobmann für Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftskammer Österreich. Die Wachauer Gemeinde Dürnstein hat z. B. ein neues Leitsystem entwickelt, welches die Gäste auf fünf neu entwickelte Routen durch die Stadt lenkt. „Diese Touren sind ein wichtiger Beitrag zur Entzerrung der Besucherströme. Daneben werden auch Maßnahmen für Schiffsgäste, Radfahrer und Gäste, die mit dem Auto oder dem Motorrad in den Ort kommen, gesetzt. Die Reaktionen auf dieses neue System sind positiv“, so Seeber.

Konflikte um günstigen Wohnraum

Aber nicht nur in Hotspots wie Hallstatt oder Dürnstein sehen viele Einheimische das Maximum an Belastungsfähigkeit erreicht. Auch in zahlreichen anderen Gemeinden, vor allem im Westen des Landes, stöhnt man unter den Besuchermassen.

Eines der Hauptprobleme dabei sind die gestiegenen Wohnkosten, weil immer mehr Wohnraum kurzfristig über Plattformen wie Airbnb vermietet wird und der Bevölkerung vor Ort nicht mehr zur Verfügung steht.

Einheimischentarife erhöhen Akzeptanz

Aber auch lokale Infrastruktur, wie Schwimmbäder oder Schilifte, wird immer teurer. Viele Gemeinden bieten seit jeher spezielle Preise für die lokale Bevölkerung an. Solche günstigeren Tarife tragen auch dazu bei, dass Einheimische die Belastungen, die der Fremdenverkehr mit sich bringt, akzeptieren.

Hans Jörg Moigg
Hans Jörg Moigg, Bürgermeister von Mayrhofen: „Ich finde es gerechtfertigt, dass es Ermäßigungen für Einheimische gibt.“ Foto: Vielsaitig

„So wichtig der Tourismus ist, bringt er für die Bevölkerung natürlich auch Störungen, etwa durch mehr Verkehr. Daher finde ich es gerechtfertigt, dass es Ermäßigungen für Einheimische gibt“, meint Hans Jörg Moigg, Bürgermeister der Zillertaler Gemeinde Mayrhofen, der selbst Hotelier ist.

„Natürlich gibt es immer wieder Reibungspunkte“, sagt er, auch wenn die Vorteile des Fremdenverkehrs bei Weitem überwiegen würden. „Wenn wir keine Gäste hätten, dann könnten wir die Infrastruktur nicht ausbauen, und wir hätten weder ein Freizeitbad noch gut ausgebaute Schilifte. Und ohne die Einnahmen aus der Kommunalsteuer wäre die Verwirklichung vieler Projekte unmöglich.“

In Mayrhofen gibt es keine Ermäßigungen, die nur für Gemeindebürgerinnen und -bürger gelten, sondern die Zillertal Activcard für alle Bewohner der Region sowie landesweite Karten für alle Tirolerinnen und Tiroler.

Europarecht erlaubt keine Bevorzugung

Um das Verständnis der lokalen Bevölkerung auch in Zukunft zu gewährleisten, will man weiter die Möglichkeit haben, spezielle Preise für die lokale Bevölkerung anzubieten. Bei einer Konferenz der Tourismusreferentinnen und -referenten der Bundesländer erhielt ein entsprechender Vorschlag des Landes Tirol breite Zustimmung.

Doch so leicht ist das nicht, denn grundsätzlich sind Einheimischentarife nach EU-Recht verboten, weil dadurch Ortsansässige gegenüber anderen Unionsbürgern bevorzugt werden.

Grundsätzlich muss jeder EU-Bürger Dienstleistungen in jedem EU-Land zu denselben Bedingungen in Anspruch nehmen können. Und dazu gehören Seilbahnen ebenso wie öffentliche Schwimmbäder oder Theater.

Bundesländer wollen Ausnahmen

Man wolle jedenfalls auf EU-Ebene die Möglichkeiten abklären, falls notwendig, solle eine Ausnahme für Einheimischentarife geschaffen werden, hieß es von Seiten der Länder. „In vielen Regionen belastet der Tourismus die Bevölkerung“, so Tirols Tourismuslandesrat Mario Gerber, Einheimischentarife könnten bei der Akzeptanz helfen. „Es ist ein Unterschied, ob ein Gast die Infrastruktur über sieben Tage hinweg benutzt oder ein Einheimischer das ganze Jahr über.“

Auch der Vorarlberger Landesrat Gantner sieht in der Tourismusakzeptanz einen wichtigen Punkt. „Wir können den Tourismus nur weiterentwickeln, wenn wir die Akzeptanz in der Bevölkerung haben.“