Johannes Pressl: „In Dänemark liegt der Schlüssel in einem klaren, positiv gelebten Verständnis von Gemeinschaft und Verantwortung.“
„Im aktuellen Politherbst geht es ans Eingemachte“
Die Verhandlungen in der Reformpartnerschaft zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und der neue Stabilitätspakt zeigen: Es braucht Geduld, Mut und den langen Atem, den Max Weber vor mehr als 100 Jahren beschrieben hat. olitik, so schrieb er, sei „ein starkes, langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“. Genau das erleben wir derzeit.
Heute – über 100 Jahre später – müssen wir mit den Möglichkeiten der „Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz“ Verwaltung völlig neu denken. Die Prinzipien von Max Weber bleiben zwar die Basis – einiges könnte einfach nur „anders“ werden.
Verwaltung neu denken – Daten als Schlüssel der Reform
Wenn wir über Bürokratiereform sprechen, dann geht es heute nicht mehr nur um Paragrafen oder Zuständigkeiten, sondern um Daten – sie sind der „Zentralschlüssel“ der Verwaltung der Zukunft.
Eine moderne Verwaltung beruht nicht mehr auf Formularen, sondern auf intelligenter Vernetzung: Daten, die einmal erfasst werden („Once-Only-Prinzip“), Daten, die zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geteilt werden, und Daten, die Bürgerinnen und Bürger selbst einsehen und verwalten können.
Möglicherweise geht’s mit der Reform mit dem Blick auf KI und die digitalen Daten ganz anders als wir glauben. Weil die heute überwiegend negative „Bürokratieempfindung“ von Langsamkeit, komplizierten Abläufen und zu viel Papierkram mit KI-gestützten Programmen gelöst werden könnte. KI kann eben komplexe Aufgaben schneller und besser lösen und das auch „quer“ über verschiedene Ebenen „denkend“ (besser rechnend und abgreifend). Für die Bürgerinnen und Bürger können digitale Assistenten und gut gemachte digitale Lösungen wieder ein Gefühl von Einfachheit und Klarheit und Ersparnis von Wegen, Zeit und Nerven vermitteln.
Damit könnte möglicherweise die Digitalisierung und könnten KI unterstützte Modelle wieder zum eigentlichen Zweck von Bürokratie führen: Das wäre kein Bruch mit der Idee von Max Weber, sondern deren konsequente Weiterentwicklung. Bürokratie bleibt Garant für Gleichbehandlung, Rechtssicherheit und Ordnung – sie muss aber einfacher, schneller und nachvollziehbarer werden. Dazu braucht es einheitliche Datenschnittstellen, klare Weitergaberegeln und eine Kultur des Vertrauens.
Sicherheit ist selbstverständlich: technisch, rechtlich und menschlich. Unsere Gemeindeverwaltungen genießen dieses Vertrauen längst – sie sind nah bei den Menschen, verlässlich und diskret. Dort, wo Verwaltung noch persönlich stattfindet, entsteht auch das Vertrauen, das digitale Systeme brauchen.
Reformpartnerschaft mit Substanz
Die Reformpartnerschaftsgruppe „Verfassung und Verwaltung“ unter der Leitung der Staatssekretäre Alexander Pröll und Sepp Schellhorn ist derzeit die wohl aktivste. Wir sind dort mitten in der Arbeit – und das Bohren der Bretter ist tatsächlich spürbar.
Parallel dazu treiben wir als Gemeindebund unsere eigene Gemeindedatenplattform voran. Gemeinsam mit leitenden Amtsleiterinnen und Amtsleitern sowie im Gleichklang mit dem Städtebund erarbeiten wir erstmals eine vollständige Aufgabensammlung aller Gemeinden – quer durch alle Bundesländer und Rechtsmaterien. Erstaunlich, dass es so etwas bisher nicht gab, aber für eine digitale Gesamtstrategie ist das unverzichtbar.
Und auch die ID-Austria wächst: Immer mehr Gemeinden geben sie aus, weil sie erkennen, dass dieser digitale Identitätsschlüssel die Basis für künftige Vereinfachungen ist. Mittlerweile stellen schon zwei Drittel aller Gemeinden die ID-Austria aus. Allein im Oktober sind 460 Gemeinden dazugekommen. Vielen Dank an Alle, die dieses wichtige Angebot bisher geschaffen haben.
Lernen aus Dänemark: „Samfundssind“ – Gemeinschaft als Haltung
Unsere Fachreise nach Dänemark hat eindrucksvoll gezeigt, wie Kultur und Struktur in Verwaltung und Gesellschaft zusammenwirken. Dänemark zählt im Durchschnitt rund 60.000 Einwohner pro Gemeinde – das verändert vieles: Zuständigkeiten, Ressourcen, Entscheidungswege. Doch trotz dieser Größe bleibt das Gemeindesystem mit vielen – auch digitalen – Angeboten nah dran bei den Menschen. Der Schlüssel liegt in einem klaren, positiv gelebten Verständnis von Gemeinschaft und Verantwortung.
In Dänemark herrscht der Geist des „Samfundssind“ – wörtlich übersetzt: das Bewusstsein für das Gemeinsame, für das gesellschaftliche Ganze. Dieses Wort beschreibt eine Haltung, nicht nur ein System. Es bedeutet, dass Politik und Verwaltung nicht fragen, „was nicht geht“, sondern „was möglich ist“. Dass Bürgerinnen und Bürger selbstverständlich mitgestalten. Dass Verwaltung sich als Ermöglicher versteht – nicht als Hindernis.
Dänemark lebt diese Haltung konsequent – sichtbar in der Alltagskultur:
- Mobilität ist dort ein Gemeinschaftsprojekt. Fahrräder prägen das Stadtbild, und selbst bei Wind und Wetter sind Menschen unterwegs – ganz ohne E-Bikes, aber mit Haltung.
- Projekte wie „Copenhill“, ein modernes Müllheizkraftwerk mit Skipiste und Parkanlage, verbinden Energie, Freizeit und Stadtentwicklung auf innovative Weise.
- Und in der Verwaltung gilt: Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern Dienst am Bürger. Und die Menschen vertrauen der Verwaltung und der Politik, weil sie davon ausgehen, dass die Verwaltung das Beste für sie machen will.
Dieses „Samfundssind“ ist vielleicht der wichtigste Impuls, den wir aus Dänemark mitnehmen können: ein starkes Bewusstsein dafür, dass Fortschritt nicht von oben verordnet, sondern von unten getragen wird. Genau diese Haltung brauchen auch wir – in unseren Gemeinden, in der Verwaltung, in der Zusammenarbeit der Ebenen.
Pflege mit Zukunft – Gemeinden übernehmen Verantwortung
Neben der Verwaltungsreform beschäftigen uns Themen, die in den Gemeinden längst Realität sind: allen voran Pflege und Betreuung im Alter. Die demografische Entwicklung ist deutlich: Wir werden älter, aber weniger junge Menschen rücken nach.
Am 19. November haben wir deshalb mit der Veranstaltungsreihe „Pflege mit Zukunft – Gemeinden übernehmen Verantwortung“ gestartet. Ziel ist es, gemeinsam mit Expertinnen, Praktikern und Verantwortlichen aus den Gemeinden eine kommunale Pflegestrategie zu entwickeln. Dabei geht es nicht nur um Finanzen, sondern auch um Lebensqualität im Alter, um altersgerechte Ortsentwicklung und um das Zusammenspiel zwischen professioneller Pflege, Familie und Nachbarschaft.
Infrastruktur sichern – neu denken, fair finanzieren
Auch bei der digitalen Infrastruktur bleibt viel zu tun. Nach langen Verzögerungen wurden zuletzt 120 Millionen Euro aus den Glasfaserförderungen wieder freigegeben – ein wichtiger Schritt, aber zu wenig.
Ich habe daher beim Austrian Fiber Summit vorgeschlagen, an bewährte Modelle der Vergangenheit anzuknüpfen: Der Wasserwirtschaftsfonds hat über Jahrzehnte ermöglicht, dass in Österreich fast 30 Milliarden Euro in Trinkwasser und Kanal investiert wurden – budgetschonend, aber wirkungsvoll. Ein ähnliches Fondsmodell für den Breitbandausbau könnte gerade in ländlichen Regionen die Lösung sein: mit klaren Rahmenbedingungen, Anschlussverpflichtungen und langfristiger Finanzierungssicherheit.
Fazit: Reformen gelingen nicht über Nacht. Aber wenn Leidenschaft auf Augenmaß trifft, wenn Vertrauen mit Verantwortung verbunden wird, dann können Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam viel bewegen.