
Es gibt rechtliche Hürden und Verwaltungsgrenzen, aber auch erfolgreiche Praxisbeispiele und ein wachsendes Bewusstsein für das Thema Leerstand.
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Leerstand ist keine Naturgewalt – zwischen Problem und Potenzial
Leerstehende Häuser, verlassene Geschäftslokale, brachliegende Flächen: In vielen Gemeinden ist Leerstand sichtbares Zeichen für eine Entwicklung, die allen zu schaffen macht – und zugleich ein gewaltiges, ungenutztes Potenzial. Bei der großen Leerstandstagung des Österreichischen Gemeindebundes wurde klar: Es braucht mehr als Förderungen und Appelle. Gefordert sind klare Daten, rechtliche Klarheit, politische Führung und vor allem der Mut, Neues auszuprobieren. Der Tag hat deutlich gemacht: Leerstand lässt sich nicht verwalten, er muss gestaltet werden. Wer ihn als Ressource begreift, kann damit nicht nur Gebäude retten, sondern ganze Ortskerne wiederbeleben. Und genau dafür braucht es – neben Konzepten – vor allem eines: entschlossene Gemeinden.
Leerstand ist längst kein Randthema mehr. In vielen Gemeinden prägen leere Häuser, verwaiste Geschäftslokale und brachliegende Gebäude das Ortsbild. Sie stehen symbolisch für den Verlust an Lebendigkeit und Attraktivität.
Gleichzeitig bergen sie ein enormes Potenzial: Leerstand kann zum Ausgangspunkt für neue Ideen werden, wenn Gemeinden, Eigentümer und regionale Akteure gemeinsam handeln. Diese Botschaft zog sich wie ein roter Faden durch die Konferenz des Österreichischen Gemeindebundes zum Thema „Leerstand – kein Stillstand, sondern Herausforderung und Chance“, die Ende Juli in Wien stattfand.
Ein Auftakt mit klaren Botschaften
Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl eröffnete die Tagung mit einem Appell, der sowohl an die Gemeinden als auch an die Eigentümer gerichtet war. Leerstand, so Pressl, sei nicht nur eine Verwaltungsfrage, sondern eine Aufgabe, die Mut, Eigeninitiative und einen klaren Blick für pragmatische Lösungen erfordere. Er stellte drei zentrale Thesen in den Mittelpunkt der Diskussion.
- Erstens müsse die Eigenverantwortung der Eigentümer gestärkt werden: „Hinter jedem leerstehenden Haus steht ein Mensch, der eine Verantwortung für diese Immobilie trägt – nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Gemeinde, in der er lebt.“
- Zweitens brauche es einen realistischen Blick auf die rechtlichen und finanziellen Hürden, die Sanierungen und Umbauten erschweren. Anstatt immer neue Fördertöpfe zu fordern, sollten bestehende Bau- und Sanierungsvorschriften überprüft und vereinfacht werden.
- Und drittens plädierte Pressl für ein aktives Leerstandsmanagement in den Gemeinden. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister müssten den Mut haben, auf Eigentümer zuzugehen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und auch unkonventionelle Lösungen zu suchen.
Mit diesen Gedanken schlug Pressl den Bogen zu einem weiteren zentralen Anliegen des Gemeindebundes: dem Bodenschutz. Leerstandsaktivierung ist für ihn kein Selbstzweck, sondern auch ein wirksames Instrument, um die weitere Zersiedelung zu verhindern und Ortskerne wiederzubeleben. „Wir können die schönsten Fassaden sanieren“, so Pressl, „aber ohne Leben dahinter bleiben sie nur Kulissen.“ Genau darum gehe es: Leerstand müsse als Chance begriffen werden, um wieder Wohnen, Arbeiten und Begegnung in die Ortszentren zu bringen.
Tiroler Erfahrungen: Zwischen Anspruch und Realität
Einen Einblick in die rechtlichen Rahmenbedingungen und die praktische Umsetzung gab der Innsbrucker Jurist Eduard Wallnöfer. Seine Analyse zeigt, welche Möglichkeiten bestehen – und wo die Grenzen liegen.
Praktische Ansätze aus den Regionen
Nach diesen rechtlichen Einordnungen rückte die Praxis in den Mittelpunkt. Im ersten Panel zeigten Christine Filipp von der LEADER-Region Weinviertel Ost, Elisabeth Leitner vom Verein LandLuft, die Architektin Caren Ohrhallinger von nonconform und der bayerische Bürgermeister Leonhard Wöhr eindrucksvoll, wie Gemeinden Leerstand aktivieren können. Ob durch gemeinschaftlich genutzte Häuser, kreative Zwischennutzungen oder die Einbindung der Bevölkerung in Gestaltungsprozesse – überall dort, wo Gemeinden selbst zum Motor wurden, entstanden lebendige Ortskerne.
Das zweite Panel widmete sich den Themen Leerstandsdatenbanken und interkommunaler Zusammenarbeit.
Am Beispiel von Eisenerz und der Region Waldviertel wurde deutlich, wie wichtig es ist, Informationen zu bündeln und über Gemeindegrenzen hinaus zu denken. Rainer Rosegger, Gerhard Prokop, Patrick Layr und Josef Wallenberger stellten Projekte vor, die zeigen: Nur wer den Überblick über bestehende Leerstände hat und gemeinsam mit Nachbargemeinden agiert, kann langfristig wirksame Strategien entwickeln.
Vom Reden ins Handeln kommen
Die Tagung machte deutlich, dass Leerstand keine Einbahnstraße ist. Es gibt rechtliche Hürden und Verwaltungsgrenzen, aber auch erfolgreiche Praxisbeispiele und ein wachsendes Bewusstsein für das Thema. Präsident Pressl brachte es in seiner Schlussbetrachtung auf den Punkt: „Wir dürfen Leerstand nicht nur verwalten, wir müssen ihn gestalten. Das heißt: aktiv auf Eigentümer zugehen, bürokratische Barrieren abbauen und vor allem Mut zeigen.“
Mit diesem klaren Auftrag endete die Konferenz – und hinterließ das Bild eines Themas, das Gemeinden künftig noch intensiver beschäftigen wird. Denn Leerstand ist nicht nur ein Problem, das man lösen muss. Er ist auch eine Chance, das Leben in die Ortskerne zurückzuholen.
Auf der Website des Gemeindebundes finden sich Audio und Videos sowie andere Unterlagen zur Konferenz.