Podiumsdiskussion im kleinen Festsaal der Industriellenvereinigung, die Gastgeber der Konferenz war.

Praxisbeispiele und neue Wege für Gemeinden beim Thema Leerstand

Wie kann es gelingen, aus Leerstand in Gemeinden neue Impulse zu schaffen? Im ersten Panel der Leerstandstagung des Österreichischen Gemeindebundes wurden konkrete Antworten gegeben.

Unter der Leitung von Präsident Johannes Pressl berichteten Praktikerinnen und Praktiker aus Österreich und Deutschland von ihren Erfahrungen und machten deutlich: Leerstand ist kein Schicksal, sondern eine Ressource – wenn man ihn aktiv gestaltet.

Zahlen, Fakten und der lange Atem

Christine Filipp, Geschäftsführerin der LEADER-Region Weinviertel Ost, beschrieb eindrucksvoll, wie sie das Thema in ihrer Region mit 58 Gemeinden angegangen ist. „Wir haben zuerst einmal hingeschaut“, so Filipp. Statistische Daten zeigten, dass der Leerstand im östlichen Weinviertel bei rund 13 Prozent liegt – deutlich über dem österreichischen Durchschnitt. Hinzu kommen eine stark alternde Bevölkerung und die Aussicht, dass ohne Gegenmaßnahmen immer mehr Gebäude leer stehen werden.

Für Filipp war klar: „Es gibt keine Patentlösung, kein Rezept für alle Gemeinden.“ Stattdessen setzt sie auf Bewusstseinsbildung und konkrete Unterstützung. Informationsveranstaltungen, die Ängste von Eigentümern abbauen – etwa vor problematischen Mietverhältnissen –, gehören ebenso dazu wie die Einrichtung von sogenannten „Kümmerer-Strukturen“ in den Gemeinden. „Ein Bürgermeister kann nicht nebenbei auch noch Leerstandsmanager sein. Es braucht vor Ort Menschen, die sich gezielt um diese Aufgabe kümmern“, betont Filipp.

Baukultur als Motor für Veränderung

Elisabeth Leitner, Obfrau des Vereins LandLuft, brachte eine weitere Perspektive ein: Baukultur. Seit über 25 Jahren arbeitet LandLuft daran, Gemeinden zu unterstützen, ihre Ortskerne mit qualitätsvoller Gestaltung zu beleben. „Es geht darum, gute Beispiele sichtbar zu machen“, so Leitner. Über einen von LandLuft organisierten Preis werden Gemeinden ausgezeichnet, die mit Mut und Kreativität vorangehen.

Diese Beispiele werden nicht nur dokumentiert, sondern aktiv weitergetragen: durch Ausstellungen, Publikationen und Peer-to-Peer-Austausch. „Wenn ein Bürgermeister von einem Kollegen hört, wie der es geschafft hat, Leerstand zu beleben, hat das mehr Wirkung als jede Theorie“, sagt Leitner. Damit entstehe eine Dynamik, die vor allem eines braucht: Durchhaltevermögen.

Leerstand als Ressource begreifen

Auch die Architektin Caren Ohrhallinger von nonconform unterstrich die Bedeutung von Perspektivwechseln. Leerstand, so ihre Botschaft, dürfe nicht nur als Defizit betrachtet werden, sondern müsse als Ressource verstanden werden. Nonconform arbeitet seit Jahren mit partizipativen Prozessen in Gemeinden und veranstaltete bereits acht österreichweite Leerstandskonferenzen.

„Viele Gebäude sind mehr als nur leerstehende Hüllen. Sie tragen Geschichte, Identität und Potenzial in sich“, betont Ohrhallinger. Deshalb gelte es, diese Orte wieder sichtbar zu machen – oft durch kleine, experimentelle Zwischennutzungen, die das Bewusstsein verändern. „Wir brauchen diesen positiven Ausnahmezustand, in dem Menschen sehen: Da geht etwas.“

Blick nach Deutschland: Kümmerer und Bodenpolitik

Wie wichtig eine klare Strategie ist, zeigten zwei deutsche Beispiele. Franz Demmelmeier, Bürgermeister der bayerischen Gemeinde Weyarn, berichtete von einer konsequenten Bodenpolitik. Seit Jahrzehnten kauft die Gemeinde Flächen, entwickelt sie selbst und sorgt so dafür, dass Wohnraum nicht nur neu entsteht, sondern auch ältere Bewohner ihre Häuser zugunsten altersgerechter Wohnungen verlassen. „Das schafft Platz für junge Familien und verhindert, dass wertvolle Immobilien leerstehen“, erklärt Demmelmeier.

Noch konkreter wurde Tobias Hanig, „Altstadtkümmerer“ in Burghausen. Seine Aufgabe: Leerstand nicht nur verwalten, sondern aktiv beseitigen. Hanig ist direkt vor Ort ansprechbar, spricht Eigentümer persönlich an, organisiert Zwischennutzungen und arbeitet eng mit Hochschulen zusammen. 

„Das Wichtigste ist Vertrauen. Mit Zwang erreicht man nichts, aber durch Dialog und kreative Angebote lassen sich Türen öffnen“, sagt er. Die Stadt Burghausen geht sogar so weit, leerstehende Flächen anzumieten und für Start-ups oder Kleingewerbe nutzbar zu machen – ein Modell, das mittlerweile Strahlkraft weit über die Stadt hinaus hat.

Kleine Gemeinden nicht vergessen

In der Diskussion wurde deutlich, dass gerade kleinere Gemeinden oft vor besonderen Herausforderungen stehen. Sie können sich keine eigenen „Kümmerer“ leisten und verfügen nicht über die Budgets größerer Städte. Hier setzen Projekte wie „Leerstand mit Aussicht“ an, das Wissen und Werkzeuge bündelt, die auch für kleinere Kommunen nutzbar sind. Entscheidend, darin waren sich die Panel-Teilnehmer einig, ist der Mut, einfach anzufangen – mit kleinen Schritten, Zwischennutzungen und Pilotprojekten, die Signalwirkung entfalten.

Das Panel machte deutlich, Leerstand ist kein Verwaltungsproblem, sondern eine Gestaltungsaufgabe. Gemeinden, die bereit sind, neue Wege zu gehen, können aus vermeintlichen Problemzonen lebendige Ortskerne machen. Wie Franz Demmelmeier es formulierte: „Man muss früh beginnen, konsequent bleiben und die Menschen mitnehmen. Dann wird aus Leerstand ein Standortvorteil.“ 

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