Ein zentraler Schritt für Gemeinden auf dem Weg zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors ist die systematische Inventarisierung aller kommunalen Liegenschaften.
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Renovieren fürs Klima: Gemeinden in der Pflicht
Das Europäische Klimagesetz sieht vor, dass die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Im Oktober 2023 ist dafür eine Rechtsvorschrift – die EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED III) – in Kraft getreten. Zwei Jahre später wird diese Richtlinie nun in nationales Recht umgesetzt und sieht vor, dass Gemeinden ihren Jahres-Energieverbrauch jährlich um 1,9 Prozent reduzieren und drei Prozent der öffentlichen Gebäude renovieren müssen. Für kleinere Gemeinden wird es in gewissen Bereichen längere Übergangsfristen geben.
Die Bewältigung der Klimakrise ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit – und sie beginnt dort, wo Menschen leben und arbeiten: in den Gemeinden.
Während globale Klimaziele und nationale Strategien die Richtung vorgeben, liegt die konkrete Umsetzung vielfach in den Händen der Kommunen. Als Eigentümerin öffentlicher Gebäude, Betreiberin von Infrastruktur, Raumplanungsbehörde und Dienstleisterin für Bürgerinnen und Bürger verfügen Gemeinden über umfangreiche Hebel zur Reduktion von Treibhausgasemissionen – also zur Dekarbonisierung.
Die Europäische Union hat mit dem Green Deal ein ambitioniertes Ziel formuliert: Klimaneutralität bis 2050. Österreich geht noch einen Schritt weiter und strebt Klimaneutralität bis 2040 an. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen alle Sektoren – von Energie über Mobilität bis hin zu Bau und Abfall – dekarbonisiert werden. Gemeinden kommt dabei eine zentrale Rolle als Vorreiter, Multiplikatoren und Ermöglicher zu.
Zugleich stehen viele Gemeinden vor großen Herausforderungen: knappe Budgets, fehlende personelle Ressourcen, komplexe Förderlandschaften und Unsicherheit bei der Projektplanung. Doch es gibt auch gute Nachrichten: technologische Lösungen, rechtliche Rahmenbedingungen und Förderprogramme entwickeln sich dynamisch weiter. Und immer mehr Gemeinden zeigen, dass Dekarbonisierung nicht nur möglich, sondern auch wirtschaftlich und sozial sinnvoll ist.
Der rechtliche Rahmen
Das Europäische Klimagesetz sieht vor, dass die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Ein Zwischenziel auf dem Weg dorthin ist die Senkung der Netto-Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent. Im Rahmen des sogenannten Pakets „Fit für 55“ werden eine Reihe von EU-Rechtsvorschriften entwickelt bzw. überarbeitet, um die Zielerreichung 2030 zu gewährleisten.
Eine dieser Rechtsvorschriften ist die EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED III), die überarbeitet wurde, im September 2023 in Kraft getreten ist und nun in nationales Recht umzusetzen ist – spätestens bis 11. Oktober 2025 (zu Redaktionsschluss waren noch keine Details veröffentlicht). Damit kommen zusätzliche Anforderungen und ambitionierte Vorgaben für öffentliche Gebäude auf die Kommunen zu.
Dekarbonisierung des Gebäudesektors in Gemeinden
Der Gebäudesektor zählt zu einem der größten Hebel für die Reduktion von Treibhausgasemissionen – insbesondere in Gemeinden, wo viele öffentliche Gebäude wie Schulen, Kindergärten, Verwaltungsgebäude und Freizeiteinrichtungen stehen. Diese Gebäude sind oft älter, energetisch ineffizient und beheizt bzw. gewärmt mit fossilen Systemen, was sowohl hohe Kosten als auch hohe Emissionen verursacht.
Viele kommunale Gebäude sind über 15 oder 20 Jahre alt, mit schlechter Wärmedämmung, veralteten Fenstern und ineffizienten Heizungsanlagen. Ihre Energieverluste sind groß, sowohl durch Gebäudehülle als auch durch alte Heiztechnik.
Der Artikel 5 der EED III sieht die Einführung eines jährlichen Energieverbrauchsreduktionsziels von 1,9 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2021 für den gesamten öffentlichen Sektor vor. Dies schließt auch Gebäude ein, die nicht konditioniert sind, unabhängig von ihrer Größe – also auch solche mit weniger als 250 m² Nutzfläche.
Ebenfalls erfasst werden müssen angemietete Gebäude, Wohngebäude sowie sämtliche sonstigen von der Gemeinde genutzten Gebäude mit einem Energieverbrauch. Für Gemeinden unter 50.000 Einwohnern gilt dies ab 2027, für Gemeinden unter 5.000 Einwohnern ab 2030.
Mit dem Artikel 6 der EED III wird die bestehende Pflicht zur Renovierung von drei Prozent der öffentlichen Gebäude pro Jahr auf alle Verwaltungsebenen ausgeweitet.
Ziel ist die Umstellung auf Niedrigstenergie- oder Nullemissionsgebäude. Diese Verpflichtung gilt für alle unter Einsatz von Energie konditionierten Gebäude mit mehr als 250 m2 Gesamtnutzfläche, die zum 1. Jänner 2024 kein Niedrigstenergie- bzw. Nullemissionsgebäude waren und sich im Eigentum, in Miete oder Pacht befinden. Dazu zählen auch denkmalgeschützte Gebäude, Gebäude, die in Immobiliengesellschaften ausgelagert wurden sowie solche, bei denen der Gemeinde derzeit keine Verbrauchsdaten vorliegen.
Bei Wahl des „alternativen Ansatzes“ muss eine entsprechende Energieeinsparung erzielt werden, die der 3-Prozent-Sanierungsquote entspricht, wobei auch bei Wahl des alternativen Ansatzes eine jährliche 3-Prozent-Renovierungsrate grundsätzlich beachtet werden muss und bis spätestens 2040 insgesamt 45 Prozent der verpflichtenden Gebäude zu einem Niedrigstenergiegebäude umgebaut sein müssen.
Denkmalgeschützte Gebäude bzw. zu militärischen oder religiösen Zwecken genutzte Gebäude sind nicht mehr vom Anwendungsbereich ausgenommen, es können jedoch weniger strenge Anforderungen an die Renovierung angelegt werden. In diesen Gebäuden muss kein Niedrigstenergiegebäude-Standard erreicht werden, falls in der nationalen Umsetzung für diese Gebäude ein schwächerer Standard festgelegt wird.
Gebäudeinventar erstellen
Als Grundlage zur Berechnung der Quoten musste ebenfalls bis 11. Oktober 2025 ein Gebäudeinventar der öffentlichen Gebäude erstellt werden.
Das Inventar muss alle Gebäude erfassen, die im Eigentum einer öffentlichen Einrichtung sind oder von ihr genutzt werden. Dieses muss öffentlich verfügbar und zugänglich gemacht sowie mindestens alle zwei Jahre aktualisiert werden und ist mit den gemäß EU-Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie (EPBD) einzurichtenden Datenbanken zu verknüpfen Das Inventar muss mindestens folgende Angaben enthalten: Gesamtnutzfläche in m2, gemessener jährlicher Energieverbrauch für Wärme, Kühlung, Strom und Warmwasser, sofern diese Angaben vorliegen, sowie gemäß der Richtlinie 2010/31/EU ausgestellte Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz jedes Gebäudes.
CO₂‑ und Energie‑Bilanzen / Ist‑Analyse
Damit die Dekarbonisierung auf kommunaler Ebene gelingt, sind klare Methoden, gute Daten und verlässliche Unterstützungsstrukturen essenziell. Gemeinden benötigen Werkzeuge, die helfen, den Ist‑Zustand zu analysieren, Maßnahmen zu planen, umzusetzen und ihre Wirkung zu messen. Ein zentraler erster Schritt ist die Erstellung einer Bilanz, also einer Übersicht über Energieverbräuche, Emissionen und die Sektoren, in denen das Potenzial zur Reduktion am größten ist.
KlimaBilanz des Klimabündnis Österreich
Dieses Tool liefert eine Grobbilanz der Treibhausgasemissionen und Energieverbräuche auf Gemeindeebene, basierend auf statistischen und gemeindeeigenen Daten. Es macht sichtbar, in welchen Bereichen – z. B. Verkehr, öffentliche Gebäude, Heizung privater Haushalte – Handlungsbedarf besteht. Sektoren mit den größten Handlungspotenzialen werden sichtbar und legitimieren konkrete Maßnahmen in den jeweiligen Bereichen.
Die Ergebnisse können die Ausgangsbasis für zukünftige kommunale Klimastrategien sein und zeigen den Weg in die Energieunabhängigkeit auf.
Thermische Sanierung der Gebäudehülle
Die thermische Gebäudesanierung ist ein zentraler Hebel zur Reduktion von Treibhausgasemissionen in öffentlichen Gebäuden. Gemeinden in Österreich können hierfür zwei unterschiedliche Fördervarianten in Anspruch nehmen: Einzelmaßnahmen und die umfassende Sanierung. Beide Programme werden vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz über die Umweltförderung im Inland (UFI) abgewickelt, jedoch mit unterschiedlichen Anforderungen und Konditionen.
Die Einzelförderung richtet sich an gezielte Sanierungsschritte – etwa den Austausch von Fenstern oder die Dämmung eines Dachs – bei Gebäuden, die älter als 15 Jahre sind. Sie ist besonders geeignet für Gemeinden, die schrittweise sanieren oder punktuelle Verbesserungen vornehmen möchten. Demgegenüber verfolgt die umfassende Sanierung ein ganzheitliches Ziel: Es soll der Heizwärmebedarf des gesamten Gebäudes signifikant reduziert werden. Neben der Dämmung und dem Fenstertausch werden auch Fassaden- und Dachbegrünungen gefördert, sofern diese zur Verbesserung der Energieeffizienz beitragen oder städtisches Mikroklima verbessern.
Handlungsempfehlungen für Gemeinden
Ein zentraler Schritt für Gemeinden auf dem Weg zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors ist die systematische Inventarisierung aller kommunalen Liegenschaften. Dabei sollten relevante Parameter wie das Alter der Gebäude, der bauliche Zustand der Gebäudehülle, das bestehende Heizsystem sowie die aktuellen Energieverbräuche erfasst werden. Auf Basis dieser Daten lässt sich ein Sanierungsfahrplan entwickeln, der die einzelnen Maßnahmen nach ihrem CO₂‑Einsparpotenzial, den zu erwartenden Kosten und den verfügbaren Fördermöglichkeiten priorisiert.
Laut der Richtlinie (EU) 2024/1275 (EUR-Lex) über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden sollten insbesondere die 43 Prozent der Wohngebäude mit der schlechtesten Energieperformance prioritär renoviert werden. Dazu gehören auch Gebäude, in denen schutzbedürftige Haushalte, von Energiearmut betroffene Menschen oder Menschen, die in Sozialwohnungen leben, untergebracht sind.
Besonders effektiv sind gebündelte Maßnahmenpakete, bei denen z. B. Dach-, Wand- und Fensterdämmung mit einem gleichzeitigen Wechsel der Heiztechnik kombiniert werden. Solche ganzheitlichen Sanierungsansätze sind nicht nur energetisch effizienter, sondern werden in vielen Fällen auch mit höheren Fördersätzen belohnt. Eine enge Zusammenarbeit mit regionalen Energieagenturen, Fachexpert:innen und Förderstellen ist dabei empfehlenswert, um technische Kompetenz sicherzustellen und sämtliche Fördermittel optimal auszuschöpfen.
Abschließend ist ein regelmäßiges Monitoring der umgesetzten Maßnahmen wesentlich: Wie viel Energie und CO₂ wurden durch die Sanierung tatsächlich eingespart? Welche Investitionskosten sind angefallen? Diese Form der transparenten Erfolgskontrolle unterstützt nicht nur die strategische Steuerung künftiger Maßnahmen, sondern verbessert auch die Kommunikation mit Bürgern und politischen Entscheidungsträgern.
Thermische Sanierung der Gebäudehülle
Gemeinden in Österreich können hierfür zwei unterschiedliche Fördervarianten in Anspruch nehmen: Einzelmaßnahmen und die umfassende Sanierung.
Thermische Gebäudesanierung - Einzelmaßnahmen | Umweltförderung
Thermische Gebäudesanierung - Umfassende Sanierung | Umweltförderung
Sektoren der Dekarbonisierung auf Gemeindeebene:
Gebäudesektor
Thermische Sanierung öffentlicher Gebäude
Umstieg auf erneuerbare Heizsysteme (z. B. Biomasse, Fernwärme, Wärmepumpen)
Energiemanagementsysteme für Gemeindeimmobilien
Energieversorgung
Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Dächern
Bürgerbeteiligung und Energiegemeinschaften (EEG)
Nahwärmelösungen (z. B. Hackschnitzel-Nahwärme)
Mobilität
Ausbau von Rad- und Fußwegen
Elektrifizierung des Gemeindefuhrparks
(E-Autos, E-Busse)
Ladeinfrastruktur und Sharing-Modelle
Beschaffung & Kreislaufwirtschaft
Klimafreundliche Beschaffung
(z. B. regionale & nachhaltige Produkte)
Reduktion von Abfall und Förderung von
Wiederverwendung
Nachhaltige Baustoffe bei Infrastrukturprojekten