
Alfred Pokorny montierte seine „geschmuggelten“ Raketen“, die den 22. Oktober 1955 zu einem unvergesslichen Moment machten.
Jahrestag
Ein krasser Funken für die Freiheit
Wien, 22. Oktober 1955: Der Wiener Heldenplatz liegt im Dunkel, die Stadt hält den Atem an. Dann schießen Raketen in den Himmel, rot und weiß, immer höher, bis sich eine gewaltige Fahne aus Licht bis zum Parlament spannt.
Es war mehr als „nur ein Feuerwerk“ – es ist der Augenblick, in dem Österreich nach zehn Jahren Besatzung sein neu gewonnenes Selbstbewusstsein feiert. Leopold Figls Worte „Österreich ist frei!“ hallen noch nach, als aus der Nacht ein Phönix aus Funken aufsteigt und die Freiheit in gleißendem Glanz verkündet.
Eigentlich war es schon 15. Mai 1955 so weit: Im Marmorsaal von Schloss Belvedere unterzeichneten die Außenminister der vier Besatzungsmächte und Österreichs Regierung den Staatsvertrag. „Österreich ist frei!“ – diese Worte Leopold Figls gingen um die Welt. Innerhalb weniger Wochen begann der Abzug der Besatzungstruppen und das Land atmete auf. Doch der eigentliche emotionale Höhepunkt kam für Österreich erst im Herbst – mit einem Feuerwerk, das in der Erinnerung vieler Zeitzeugen bis heute als Symbol für die wiedergewonnene Unabhängigkeit gilt.
Der Sollenauer Feuerwerksmeister Alfred Pokorny erhielt den Auftrag, ein Spektakel zu gestalten, das den historischen Moment würdigte. Inspiriert wurde er von Figls oft wiederholtem Satz: „Verliert nicht den Glauben an Österreich. Österreich wird wieder auferstehen wie der Vogel Phönix aus der Asche.“ Diese Worte wurden zur Grundlage einer der eindrucksvollsten Inszenierungen der Zweiten Republik.
Am 22. Oktober 1955, wenige Tage vor Beschluss der österreichischen Neutralität, war der Wiener Heldenplatz die Bühne für dieses einzigartige Ereignis. Pokorny ließ 90 Meteorraketen in Rot und Weiß in den Himmel steigen. Sie zeichneten breite Lichtstreifen, verschmolzen zu einer gigantischen rot-weiß-roten Fahne und endeten in funkelnden Rosenbuketts. Zeitzeugen berichteten, dass der Platz taghell erleuchtet war und ein „magisches Band“ aus Licht das Parlament und die jubelnde Menge verband.
Doch die Vorbereitungen waren alles andere als einfach. Die Bürokratie erwies sich als zäh: Wochenlang suchten Pokorny und seine Schwester Alice nach Zuständigkeiten für Genehmigungen und Budget. Eine Verordnung untersagte sogar kurzfristig das Aufbauen des Feuerwerks während einer Parade des neu formierten Bundesheeres. Und erst eine Radiodurchsage in den Abendnachrichten gab endgültig grünes Licht: „… eine Beleuchtung der öffentlichen Gebäude und ein Riesenfeuerwerk am Heldenplatz …“ Erst dann war klar, dass die Feier wirklich stattfinden würde.
Als die Raketen schließlich zündeten, strömten Abgeordnete und Regierungsmitglieder aus dem Parlament auf die Rampe, um das Schauspiel zu sehen. Viele hatten Tränen in den Augen – darunter auch Leopold Figl. Jahre später sollte er Pokorny persönlich danken und betonen, wie sehr ihn dieser Moment bewegt hatte.
Das Feuerwerk von 1955 war mehr als nur ein Festakt. Es war ein Lichtzeichen für ein neues, freies Österreich. In der Jubiläumsausgabe 2005 von KOMMUNAL wurde dieser Abend treffend als „Phönix aus Licht und Asche“ beschrieben – ein Sinnbild für den Wiederaufstieg eines Landes, das zehn Jahre lang unter Fremdherrschaft gestanden hatte und nun seine Freiheit in strahlenden Farben am Himmel feierte.
Quelle: Herbert Waldhauser, „Und der Phönix hob sich aus der Asche“, KOMMUNAL 10/2005, Seite 50 ff