Ordner mit Ausschreibungsunterlagen
Die Regeln für Ausschreibungsverfahren bei öffentlichen Auftraggebern sind unterteilt in den Bereich ab den sogenannten Schwellenwerten und unterhalb der Schwellenwerte.
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Wie Gemeinden eine Ausschreibung formulieren

Gemeinden und Gemeindeverbände sind genauso wie der Bund, die Länder und bestimmte Einrichtungen öffentlichen Rechts (z. B. die Landeskliniken, die Wirtschaftskammer) dazu verpflichtet, Aufträge auszuschreiben. Aber was ist bei der Formulierung von Ausschreibungen zu beachten?

Warum gibt es Ausschreibungen?

Es ist nicht immer leicht verständlich, warum sich eine ausschreibende Stelle, z.B. eine Gemeinde, nicht gleich direkt an ein kleines Unternehmen vor Ort wenden kann, um eine Leistung in Auftrag zu geben. Denn die Vertragspartner kennen einander und wissen gut über die lokalen Anforderungen und den Bedarf der jeweiligen Gemeinde Bescheid.

Die Ursache liegt in den Vorgaben der Europäischen Union, genauer gesagt, dem europäischen Vergaberecht und dem darauf aufbauenden österreichischen Bundesvergabegesetz (BVergG) in seiner aktuellen Fassung des Jahres 2018. Öffentliche Ausschreibungen dienen also dazu, aus einem breiten Bewerberfeld den bestmöglichen Leistungserbringer für einen bestimmten Auftrag zu ermitteln.

Im Bundesvergabegesetz werden die Regeln für Ausschreibungen bzw. Vergabeverfahren festlegt. Hier wird beschrieben, wer, was und in welcher Form auszuschreiben hat/ist.

Die wichtigsten Grundsätze des Vergaberechts

  • Transparenz im Vergabeverfahren
  • Sicherstellung des freien, fairen und lauteren Wettbewerbs
  • Gleichbehandlung aller Bieter
  • Auftragsvergabe nur an rechtlich befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen
  • Diskriminierungsverbot und rein sachliche Beurteilung der Bieter und ihrer Angebote
  • Angemessenheit der Preise

Wenn gegen einen dieser Grundsätze verstoßen wird, hat der Bieter das Recht, ein Nachprüfverfahren einzuleiten. Dieses Verfahren dient dazu, zwischen der Zuschlagsentscheidung, aber noch vor der Beauftragung, bestimmte Entscheidungen des Auftraggebers rechtlich überprüfen zu lassen. Für Gemeinden sind dafür die Landesverwaltungsgerichte zuständig.

Der Antrag auf Nachprüfung kann von dem/der Bieter gestellt werden, wenn der Antragsteller ein Interesse am Abschluss des Vertrages behauptet und ihm/ihr durch den Verstoß ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Tipps für Ausschreibungen

Rechtsanwalt Martin Schiefer gibt Tipps, worauf man bei Ausschreibungen achten solle:

 

  1. Sie müssen wissen, was Sie eigentlich wollen.

    Es muss möglichst klar sein, was benötigt wird.


     
  2. Wer regional vergeben will, muss EU-weit ausschreiben.

    „Nach dem neuen Bundesvergabegesetz ist ,klein-klein‘nicht mehr erlaubt“, stellt Vergabe-Experte Schiefer klar.


     
  3. Je weniger Know-how zum Thema Ausschreibungen in der Gemeinde vorhanden ist, umso mehr Kommunikation ist nötig.

    Schiefer: „Know-how muss man vom Markt holen, d.h., man muss mit den Bietern sprechen.“ Das Vergabegesetz lässt eine Markterkundung zu. „Hier kann man viel lernen“, so Schiefer.


     
  4. Den Hausverstand nicht ausschalten.

    Schiefer: „Was man selber nicht versteht, weil man es von einer anderen Ausschreibung abgeschrieben hat, sollte man nicht verwenden.“


     
  5. Gleiches ist mit Gleichem zu vergleichen.

    Man muss sich genau überlegen, wie man eine Ausschreibung gestaltet.


     
  6. Vergaberecht ist das eine, Gemeinderecht ist das andere.

    „Nicht alles was im Vergaberecht erlaubt ist, ist auch nach Gemeindeaufsichtsrecht erlaubt“, gibt Schiefer zu bedenken.


     
  7. In grenznahen Gebieten ist bei Direktvergaben Vorsicht geboten.

    Bereits ab 30.000 Euro gilt die Transparenzpflicht (sonst 100.000 Euro).


     
  8. Wer schreibt, der bleibt.

    Vergaben sind genau zu dokumentieren. Etwa Bestbierbewertungen oder die Gründe, warum man sich für eine Direktvergabe entschieden hat.


     
  9. Nicht nur um das Vergaberecht kümmern, sondern auch um das Vertragsrecht.

    Schiefer: „Hier lassen Auftraggeber viel Geld liegen.“ Er empfiehlt, dass 50 Prozent der Zeit ins Vergaberecht und 50 Prozent ins Vertragsrecht investiert werden sollten.


     
  10. Achtung auf die Bieteranonymität.

    „Man muss transparent sein, darf aber nicht ,plauschen‘, warnt Schiefer. Niemand darf erfahren, wer sich die Unterlagen geholt hat.

Was sind Schwellenwerte bei Ausschreibungen?

Die Regeln für Ausschreibungsverfahren bei öffentlichen Auftraggebern sind unterteilt in den Bereich ab den sogenannten Schwellenwerten und unterhalb der Schwellenwerte.

Das Bundesvergabegesetz 2018 kennt elf Vergabeverfahren. Um zu wissen, welche Verfahrensart (offen, nicht offen, Direktvergabe etc.) zulässig und welche Bekanntmachung (EU-weit oder regional) verpflichtend ist, ist die Höhe des geschätzten Auftragswertes ausschlaggebend.

Grundlage für die Berechnung des geschätzten Auftragswertes ist der Gesamtwert ohne Umsatzsteuer, der vom Auftraggeber voraussichtlich zu zahlen ist.

Das Splitten von Aufträgen, um damit die Wertgrenzen zu umgehen, ist nicht erlaubt. Eine getrennte Vergabe z. B. der Architekturplanungsleistung und der örtlichen Bauaufsicht kann nach den neuen Regeln problematisch sein. 

Beispiele für derzeit (November 2018) gültige Schwellenwerte

  • Lieferaufträge: EUR 221.000
  • Dienstleistungsaufträge: EUR 221.000
  • Bauaufträge: EUR 5.548.000

Wird also beispielsweise bei einem Bauauftrag der Gesamtauftragswert aller Gewerke in Höhe von 5,548 Millionen Euro überschritten, so muss dieser Auftrag EU-weit ausgeschrieben werden.

Ziviltechnikerin und Bauarbeiter auf einer Baustelle.

Schwellenwerte bei Direktvergaben

Im Unterschwellenbereich können derzeit Aufträge bis zu einer Höhe von 100.000 Euro direkt vergeben werden. Dies ist in der Schwellenwerteverordnung 2018, die bis Ende 2020 gilt, festgelegt.

Was ist die elektronische Vergabe (e-Vergabe)?

Seit Oktober 2018 sind Auftraggeber im Oberschwellenbereich (bei z. B. Bauaufträgen ab einem Auftragswert von 5,548 Millionen Euro) dazu verpflichtet, Vergabeverfahren vollelektronisch durchzuführen. Das gilt von der Bekanntmachung der Ausschreibung bis zum Angebot.

Die Ergebnisse der Vergabeverfahren müssen auf einer eigenen Plattform veröffentlicht werden.

Die e-Vergabe soll für fairen und transparenten Wettbewerb sorgen, da jeder Verfahrensschritt genau mitprotokolliert und damit überprüfbar wird.

Des Weiteren soll sich sowohl für Auftraggeber wie für Auftragnehmer der bürokratische Aufwand verringern, da z. B. die elektronischen Plattformen Einkäufer wie Verkäufer durch den Beschaffungsprozess führen und rechtzeitig auf Fehler aufmerksam machen.

Wo werden Ausschreibungen veröffentlicht?

www.ausschreibungen-oesterreich.at

Ausschreibungen in der Bauwirtschaft