Blick auf Meran
In Südtirol, hier Meran, begann die Krise später als in anderen Teilen Oberitaliens.
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Wie die Corona-Lage in Südtirol aussieht

Als einer der Hauptgründe, warum sich das Corona-Virus in Oberitalien so schnell ausgebreitet hat, gilt das Champions-League-Spiel zwischen Atalanta Bergamo und dem spanischen Verein FC Valencia am 19. Februar, bei dem sich Tausende Menschen infiziert haben dürften. „Wahrscheinlich hat man dann von staatlicher Seite zu langsam reagiert“, vermutet Andreas Schatzer, Präsident des Südtiroler Gemeindenverbandes und Bürgermeister der Gemeinde Vahrn.

Paul Rösch, Bürgermeister der Stadt Meran, sieht ein grundlegendes Problem: „Italien hat die Retourkutsche dafür bekommen, dass man im Sanitätswesen so viel eingespart hat. Er gibt zwar wunderbare Ärzte, aber wenn man ins Spital kommt, muss man, überspitzt gesagt, sogar die Bettwäsche mitnehmen“, meint er sarkastisch. Das habe dazu geführt, dass es zu wenig Schutzmasken und -kleidung gegeben hat.

Fallzahlen stiegen trotz Maßnahmen gegen Corona in Italien

In Südtirol fing die Krise viel später an als im Corona-Hotspot rund um Mailand. Rund 14 Tage, nachdem dort die Fallzahlen in die Höhe geschnellt sind, wurden die Ausgangsbeschränkungen für den gesamten Staat verhängt.

Andreas Schatzer, Präsident des Südtiroler Gemeindenverbandes
Andreas Schatzer, Präsident des Südtiroler Gemeindenverbandes: „Wir sind erstaunt, warum das in Österreich so gut funktioniert hat, dass dort die Infektionen nach Verhängung der Maßnahmen so stark zurückgegangen sind.“

Trotzdem stiegen die Fallzahlen weiterhin. „Wir sind erstaunt, warum das in Österreich so gut funktioniert hat, dass dort die Infektionen nach Verhängung der Maßnahmen so stark zurückgegangen sind“, sagt Schatzer. Erst jetzt habe man das Land wieder in Griff bekommen und die Maßnahmen werden allmählich zurückgenommen.

Südtirol ist anders im Umgang mit dem Coronavirus

In Südtirol, so Schatzer, wundere man sich, wie viele Strafen im Rest Italiens wegen Verstöße gegen die Corona-Maßnahmen verhängt werden. „Offensichtlich nimmt man die Probleme zu wenig ernst“, vermutet Schatzer. In Südtirol sei das Problembewusstsein größer.

Es gibt einen Kodex, in dem festgelegt ist, welche Unternehmen bereits wieder öffnen dürfen und welche noch geschlossen bleiben müssen. „Nach welchen Kriterien das entschieden wird, ist aber ziemlich unklar. Auf Baustellen dürfen Installationsfirmen bereits seit einiger Zeit arbeiten, andere Unternehmen aber nicht“, wundert sich Schatzer.

Wirtschaft schneller wieder öffnen?

In Südtirol würde man sich wünschen, dass das Land mehr Autonomie bekommen würde. Schatzer: „Wir glauben, dass wir manche Öffnungsmaßnahmen früher als im Rest Italiens machen könnten, weil wir überzeugt sind, dass die Bevölkerung in Südtirol sehr diszipliniert ist.“

Eines bleibe aber klar, sagt der Meraner Bürgermeister Paul Rösch: „Der Gradmesser für Erleichterungen bleibt die Lage in den Krankenhäusern. Nur wenn die Erkrankungen rückläufig bleiben, kann man Öffnungen vornehmen.“

Unterschiedliche Wahrnehmungen zum Thema Corona in Italien

Auch Rösch hat den Eindruck, dass die Eigenverantwortung vom deutschsprachigen Teil der Bevölkerung ernster genommen wird. „Wenn in Österreich, Deutschland oder auch in Schweden gesagt wird, jeder sollte eine Maske tragen, dann wird das auch gemacht.“ In Italien sei das nicht so.

Paul Rösch, Bürgermeister von Meran
Paul Rösch, Bürgermeister von Meran: „Das Thema Eigenverantwortung wird vom deutschsprachigen Teil der Bevölkerung ernster genommen.“

Rösch hat dazu auch eine interessante Geschichte zu erzählen: So gab es die Anordnung - die allerdings nirgendwo festgeschrieben war -, dass man sich nur 200 Meter von der eigenen Wohnung entfernen durfte. Vor Ostern kündigte Landeshauptmann Kompatscher an, dass die Regelung auf 400 Meter gelockert werden könne, den Gemeinden stünde es aber frei, strengere Maßnahmen zu treffen.

Bei der Diskussion in der Meraner Stadtregierung gab es dann, berichtet Bürgermeister Rösch, eine klare Trennung zwischen Deutschsprachigen und Italienischsprachigen. „Beispielsweise war Vizebürgermeister Andrea Rossi, ein Italiener, der auf meiner Liste (Liste Rösch/Grüne) kandiert hat und normalerweise extrem liberal ist, extrem rigide.“ Die deutschsprachigen Mandatare seinen dagegen für größere Lockerungen gewesen.

„Ich habe dann den Vizebürgermeister gefragt, warum er für so strenge Bestimmungen war und habe gemeint, dass die italienischen Mandatare wohl vermuten, dass ihre Landsleute zum Schlendrian neigen. Er hat mir sagt, dass das stimmt, es gebe aber auch noch andere Gründe: So hätten die italienischen Mandatare oft Verwandte in Gegenden Oberitaliens, die extrem vom Virus betroffen seien, daher sei auch die Angst größer.“

Dazu komme noch, so Bürgermeister Rösch, dass die deutschsprachigen Südtiroler oft deutsche und österreichisches Fernsehen anschauen, die Italiener würden dagegen nur die italienischen Kanäle sehen, bei denen ein ganz anderes Bild der Lage vermittelt wird. „Das macht natürlich Angst“, sieht Rösch ein, warum Italiener und Deutschsprachige so vollkommen anders agieren wollen.