
Der Europäische Rechnungshof hat festgestellt, dass die Reform von 2014 mit Blick auf den Bürokratieabbau praktisch wirkungslos verpufft ist. Die Dauer der Verfahren hat sich im Laufe des Jahrzehnts um die Hälfte erhöht.
© Daenin - stock.adobe.com
Öffentliche Ausschreibungen mit weniger Wettbewerb als vor zehn Jahren
Breites Interesse an Ausschreibungen, möglichst viele Unternehmen, die Angebote abgeben, mehr Wettbewerb und damit bessere Angebote zu niedrigeren Preisen, geringeren Ausgaben für die öffentlichen Auftraggeber und weniger Belastungen für die Steuerzahler– das ist die Idealvorstellung für öffentliche Vergabeverfahren. Tatsächlich ist das Interesse von Unternehmen, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen und damit der Wettbewerb, erheblich zurückgegangen.
Das ist das ernüchternde Ergebnis eines Prüfungsberichts, den der Europäische Rechnungshof (EuRH) 2023 veröffentlicht hat. „Wir müssen von einem verlorenen Jahrzehnt sprechen. Alle Indikatoren für Wettbewerb haben sich in dieser Zeit deutlich verschlechtert“, erklärte das für den Bericht verantwortliche österreichische Mitglied des Europäischen Rechnungshofes, Helga Berger.
Oft beteiligt sich nur ein einziges Unternehmen

42 Prozent aller europaweit ausgeschriebenen Aufträge wurden demnach in Ausschreibungen vergeben, an denen sich nur ein einziges Unternehmen beteiligt hatte, das ist eine Verdoppelung gegenüber 2011. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Unternehmen, die sich überhaupt für öffentliche Aufträge interessieren und Angebote einreichen, pro Verfahren von knapp sechs auf drei fast halbiert. „Unternehmen verlieren aufgrund übermäßiger Bürokratie das Interesse an öffentlichen Aufträgen,“ erklärt Helga Berger.
Direktvergaben haben zugenommen
Gleichzeitig haben die Direktvergaben in fast allen Mitgliedstaaten zugenommen, obwohl sie eigentlich nur unter bestimmten Umständen zulässig sind. Grenzüberschreitende Vergaben sind dagegen der Ausnahmefall, nur in 5 Prozent der Fälle werden Unternehmen aus einem anderen Mitgliedstaat beauftragt und das, obwohl die Rechtsvorschriften vor allem auch vor dem Hintergrund des gemeinsamen EU-Binnenmarktes entsprechend harmonisiert wurden.
Das ist eine besorgniserregende Entwicklung in Anbetracht der Ziele, die die EU-Kommission mit der Novelle der Vergabevorschriften im Jahr 2014 verfolgt hatte: einfacher, transparenter, innovativer und leichter sollte der Zugang für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden.
Reform ist verpufft
Der Europäische Rechnungshof hat festgestellt, dass die Reform von 2014 mit Blick auf den Bürokratieabbau praktisch wirkungslos verpufft ist. Die Dauer der Verfahren hat sich im Laufe des Jahrzehnts um die Hälfte erhöht, Unternehmen und Behörden halten die Prozedur – zumal im Vergleich zu der flexibleren Auftragsvergabe im Privatsektor – für schwerfällig.
Gleichzeitig werden öffentliche Aufträge nicht nach inhaltlichen Kriterien (umweltfreundlich, sozial und innovativ) vergeben, meist ist das billigste Angebot erfolgreich. Und auch der Anteil der an KMU vergebenen Aufträge ist nicht gestiegen. Zu hoher Verwaltungsaufwand, zu rigide oder zu stark maßgeschneiderte Vergabekriterien sowie Marktkonzentration werden als entscheidende Ursachen dafür identifiziert.
Die Gründe für den mangelnden Wettbewerb sind vielschichtig und regionalspezifisch. Der Europäische Rechnungshof hat daher der EU-Kommission empfohlen, die Ursachen gemeinsam mit den Mitgliedstaaten näher zu analysieren und einen Aktionsplan zur Beseitigung der wichtigsten Wettbewerbshindernisse vorzulegen. Die laufende Konsultation der Kommission dazu ist Teil der Umsetzung dieser Empfehlung.
Hintergrund
Der Sonderbericht 28/2023 „Öffentliches Auftragswesen in der EU: Weniger Wettbewerb bei der Vergabe von Aufträgen für Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen im Zeitraum 2011–2021" ist auf der Website des Europäischen Rechnungshofs abrufbar. Zudem hat der Rechnungshof ein interaktives Dashboard für das öffentliche Auftragswesen entwickelt, das öffentlich zugänglich ist. Das Dashboard bietet die praktische Möglichkeit, die Entwicklungen in bestimmten nationalen Märkten und Schlüsselindustrien miteinander zu vergleichen.