Urnengänge
Vorstoß in Richtung E-Voting statt Wahlkartenbürokratie
22,3 Prozent der über sechs Millionen Wahlberechtigten haben bei der Nationalratswahl ihre Stimme per Wahlkarte abgegeben. Bei der Wahl im Jahr 2019 waren es nur 16,3 Prozent gewesen. „Das zeigt, dass die Menschen frühzeitig wählen möchten“, sagt Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl.
Hohe Kosten
Die Kosten für die Möglichkeit, per Wahlkarte abzustimmen, sind hoch: Alleine die Portokosten für den Versand machen 11,5 Millionen Euro aus. Dazu kommen noch rund 4,5 Millionen Euro für den zusätzlichen Personalaufwand.
Pressl berichtet, dass Wahlkarten rund um die Welt geschickt wurden – und manche davon kamen letztlich dann doch nicht an. Vielfach kam es auch vor, dass Bürgerinnen und Bürger die Vorteile des Zu-Hause-Wählens nutzten und dann die Wahlkarte im Wahllokal abgaben. „Das ist nicht der Sinn einer Wahlkarte, aber offenbar wollen diese Personen in Ruhe wählen“, meint er. Angesichts der dicken Unterlagen mit den Listen für Vorzugsstimmen, ein verständlicher Wunsch.
Insgesamt kamen etwa 5 bis 15 Prozent der Wahlkarten nicht wieder zurück. Bei vielen fehlte auch die Unterschrift, sodass sie als ungültig galten.
E-Voting als Chance
Der Gemeindebund möchte nun, dass die Wahlergebnisse einheitlich und digital bei den Wahlkommissionen eingegeben werden können. Vor allem will man aber, dass zukünftig auch elektronisch, also etwa per Handy, abgestimmt werden kann. „Wir wollen Digitalisierung statt Wahlbürokratie“, sagt Gemeindebund-Chef Pressl. Mit der ID-Austria habe Österreich schon eine Voraussetzung, um digital abzustimmen.
Pilotprojekte gefordert
Bei einer Pressekonferenz des Gemeindebundes erläuterte die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle die Erfahrungen, die man in anderen Ländern mit E-Voting gemacht hat.
In Estland, dem europäischen Vorreiterland in Sachen E-Government, gibt es die elektronische Wahlmöglichkeit bereits. Dort wählen rund 60 Prozent der Wählerinnen und Wähler per E-Voting. Und sogar 82 Prozent finden es gut, dass es die Möglichkeit dazu gibt. Unter anderem deswegen, „weil sich dann niemand verzählen kann“, berichtet Pressl.
Stainer-Hämmerle möchte, dass zumindest Pilotprojekte für E-Voting getestet werden. „In der Schweiz macht man das in einigen Regionen bereits. Begonnen hat man damit, dass man die Möglichkeit, elektronisch zu wählen, zunächst für Auslands-Schweizer ermöglicht hat.“
Wichtig sei es vor allem, so Stainer-Hämmerle, dass das geheime Wahlrecht sichergestellt sei. „Durch die Einführung von Wahlkarten wurde die Verantwortung dafür aber bereits stark den Wählerinnen und Wählern übergeben“, sagt sie. Ein ebenfalls wesentlicher Punkt sei, dass durch eine Vereinfachung der Wahlgang nicht zu einer Nebensache verkommen dürfe.“
Viel Zustimmung, aber auch Skepsis
Der Vorstoß des Gemeindebundes wurde von vielen Gemeinden positiv aufgenommen. „Das hat uns sehr gefreut“, sagt Pressl. „Es gab aber auch Rückmeldungen, in denen erklärt wurde, aus welchen Gründen das elektronische Wählen nicht gehen könnte.“
Genannt wurden vor allem Sicherheitsbedenken: „Wer eine Sprengelwahlbehörde auf seine Seite zieht, hat zwar potenziell die Macht über einen Bruchteil aller Stimmen. Bei solch einem Wahlbetrug müssten aber immer noch echte Menschen aus allen Parteien partizipieren. Wer unterdessen ein Computersystem knackt, kann potenziell hunderttausende Stimmen manipulieren“, schrieb Maximilian Werner im „Standard“ und schlussfolgerte: „Dieses Risiko eingehen, während das Vertrauen in staatliche Institutionen stetig sinkt, kann niemand ernsthaft wollen. Den Gemeinden sollte die Demokratie die Mühe wert sein.“ Als mögliches Hindernis wurden von Kritikern auch eventuelle Einsprüche bei den Höchstgerichten genannt.
„Dieses oft reflexartige Nein bringt uns in der Digitalisierung nicht weiter“, meint Pressl. Es brauche vielmehr eine innovative Digitalisierungsdiskussion, um neue Möglichkeiten nutzen zu können, um die gesamte Verwaltung bürgerfreundlicher zu machen.
Internet-Banking bereit allgemein üblich
„80 Prozent der Volksbegehren werden bereits jetzt digital unterzeichnet. Das ist dank der ID Austria möglich“, so Pressl. Ziel müsse daher sein, dass die ID Austria noch sicherer und für alle Menschen verfügbar wird. „Damit werden dann viele Amtswege digital und bequem von zu Hause aus erledigbar.“
Pressl vergleicht die Entwicklung mit der Ausbreitung des Internet-Bankings: „Vor zehn Jahren waren Überweisungen von Handy aus für Viele undenkbar, heute ist das ganz normal.“ Das habe natürlich mit sich gebracht, dass es weniger Bankfilialen gibt, anderseits sei es heute viel bequemer, Geldgeschäfte abzuwickeln. „So wollen wir das auch in der Verwaltung erreichen.“
Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Infrastruktur in den Gemeinden stark verändert. Nicht nur Bankfilialen sind verschwunden, sondern auch Postämter oder Nahversorger. „Es hat keinen Sinn, das zu bejammern und sich die gute alte Zeit zurückzuwünschen“, sagt Gemeindebund-Präsident Pressl. Sinnvoller sei es, die neuen technischen Möglichkeiten zu nutzen. So gebe es für die Nahversorgung bereits viele Pilotprojekte, wo man mit digitalen Bezahlsystemen 24 Stunden am Tag einkaufen kann.
Als weiteres Beispiel nennt Pressl den Postversand: „Es gibt immer mehr Paketboxen, von denen man seine Sendungen abholen kann.“ Im Gesundheitsbereich sei es, so Pressl, mittlerweile üblich, „Doktor Google“ zu konsultieren. „Das ist nicht ideal. Besser wäre es, telemedizinische Angebote des österreichischen Gesundheitssystems aufzubauen.“
Die Digitalisierung wird sich also auf die gesamte Entwicklung der Gemeinden auswirken. „Mit Hilfe der Digitalisierung wird es möglich sein, Funktionen, die aus dem Dorf vielleicht schon lange abgewandert sind, in einer neuen Form wieder zurückzuholen“, ist Pressl zuversichtlich. Dafür brauche es keine reflexartigen Neins, sondern viele neue Ideen.