Walter Leiss
Walter Leiss: „Die Gemeinden servicieren ihre Bürgerinnen und Bürger gerne, aber zuerst erhalten wir keine Daten von Infizierten und jetzt sollen wir sie von Genesenen, Geimpften und Getesteten erhalten.“
© Philipp Monihart

Ohne Datenschutz geht nichts – aber mit schon gar nichts

Die in den letzten Jahren fortschreitende Digitalisierung unserer Lebenswelt hat mit sich gebracht, dass Daten zunehmend interessanter werden und der Handel mit Daten ein eigener Geschäftszweig geworden ist. In der grauen Vorzeit, als noch Briefe geschrieben wurden und Händler noch geschriebene Kundendateien führten, war das scheinbar alles kein Problem. Aber die Digitalisierung aller Lebensbereiche führte sehr schnell zu ungeahnten Potentialen, was mit unseren Daten gemacht werden kann. Und wir hinterlassen überall Daten. Im Bankgeschäft, beim Einkaufen, beim digitalen Stöbern und in unserer Kommunikation.

Nicht nur, dass unser Aufenthaltsort ständig bekannt ist, nein, auch Bewegungsprofile - ob im Auto, im Flugzeug oder zu Fuß. Wie viel Schritte wir täglich machen, ob wir laufen oder radeln und welchen Puls oder welche Herzfrequenz wir haben. Wir stellen alle diese Daten selbstverständlich gerne öffentlich zur Verfügung und berichten auch darüber in den sozialen Medien. Stimmungslagen, Likes und Dislikes und die breite Palette die uns die Emojis so zur Verfügung stellen. Manchmal wundern wir uns, woher die das Alles wissen. Was wir gerade kaufen möchten, wohin wir reisen wollen oder welches Auto uns interessieren würde. Aber alles kein Problem, solange es nicht öffentlich wird. Dafür gibt es ja den Datenschutz – glauben wir halt.

Wir überlassen unsere Daten bereitwillig jedem, der sie haben will. Schließlich sind sie ja geschützt. Aber wer hat schon jemals die seitenlangen Einwilligungserklärungen beim Update oder bei der Installation eines Dienstes oder Programmes gelesen.

Besonders Behörden müssen unsere Daten schützen. Dafür gibt es ja die Europäische Datenschutzrichtlinie, die wir national brav umgesetzt haben. Ob die Behörden diese Daten sinnvoll nutzen oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Sensibel werden wir, wenn´s um Gesundheitsdaten geht. Sie dürfen auch nicht von der Wissenschaft genutzt werden, nicht einmal in anonymisierter Weise und auch nicht für wissenschaftliche Zwecke oder um uns das Leben zu erleichtern oder zu retten. ELGA darf es nicht wissen, dafür Apple oder ein anderes Unternehmen.

Die Corana-Pandemie hat wieder deutlich gezeigt, was geht und was nicht mit unserem Datenschutz. Zu Beginn durften die Bürgermeister die Daten der Erkrankten genauso wenig erhalten wie Ärzte. Hilfe vor Ort scheinbar nicht notwendig – Datenschutz geht vor.

Grüner Pass als Eingriff in die Grundrechte?

Eine Corona App, um ein sinnvolles contact tracing durchzuführen, stieß auf ungeahnte Schwierigkeiten und war letztlich zum Scheitern verurteilt. Lieber unsere vielfach unrichtigen Daten auf Zettel geschrieben beim Wirt hinterlassen und dann im Keller verstauben lassen als ein elektronisches Medium dafür nutzen. Aber dann mit der Kredit- oder Bankomatkarte zahlen, die Daten sind ja dann geschützt. Noch absurder wird die Debatte im Zuge der Öffnungsschritte und dem grünen Pass.

„Grüner Pass ist ein unzulässiger Eingriff in die Grundrechte“ titelten jüngst die „Salzburger Nachrichten“. Dies käme einer Vorratsdatenspeicherung 2.0 gleich, betonte Hans G. Zeger, Obmann der ARGE Daten. „Das ist ein unzulässiger Eingriff in die Grundrechte. Zuerst müsse der Staat mir nachweisen, dass ich eine Gefahr darstelle, und nicht auffordern, mich als frei zu beweisen“ so Zeger. 
Hat er die weltweite Situation, die vielen Toten und die überfüllten Intensivstationen nicht mitbekommen? 

Zwar gibt es auch gegenteilige Stimmen. Zur Eindämmung der Pandemie habe auch der Schutz sensibler Daten seine Grenzen, sagen Fachleute. Aber auch nur unter eingeschränkten Bedingungen. Daher wissen wir auch nicht, wie viele von den Lehrkräften tatsächlich schon geimpft sind.

Andererseits gibt es die Überlegung, für jene Bürger und Bürgerinnen, die mit elektronischen Medien nicht so gut umgehen können, die erforderlichen Dokumentation über Getestet, Genesen und Geimpft bei den Gemeinden ausdrucken zu lassen. Die Gemeinden servicieren ihre Bürgerinnen und Bürger gerne, aber zuerst erhalten wir keine Daten von Infizierten und jetzt sollen wir sie von Genesenen, Geimpften und Getesteten erhalten. Verständlich ist das nicht mehr.

Datenschutz als Hindernis bei der Gewaltprävention

Aber auch abseits der Pandemie treibt der Datenschutz seine Blüten. So bringt Hans Rauscher im Zusammenhang mit der Gewalt gegen Frauen vor, dass die seit 1. Jänner 2020 möglichen sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen wegen des Datenschutzes nicht wirklich funktionieren würden.

Ein anderes Beispiel zeigt auf, dass die Meldedaten britischer Staatsbürger in Österreich nicht genutzt werden dürfen, um sie auf die bevorstehenden rechtlichen Änderungen betreffend ihres künftigen Aufenthaltes in Österreich aufmerksam zu machen. Im Gegensatz zu Großbritannien, wo das medial sehr breit gestreut wurde und viele dort lebende Europäer bereits um einen dauerhaften Aufenthaltstitel angesucht haben, ist das für die bei uns lebenden Briten vielleicht nicht so bekannt. Sie aber gestützt auf die Meldedateien zu informieren, ist unzulässig. 

... und in der Politik?

Der Datenschutz gilt aber nicht überall. Wenn man sich die Veröffentlichungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss vor Augen führt, muss man eigentlich glauben, dass es einen Datenschutz in Österreich nicht gibt. Hier erfährt man detailliert, wer wann wen getroffen hat, was geredet und geschrieben wurde und nicht nur von den unmittelbar Betroffenen, sondern auch von Dritten. Ja selbst der Wortlaut von Strafanzeigen und Anklageschriften wird veröffentlicht, manchmal bevor sie den Betroffenen selbst zugestellt wurden. Ob es mit dem Untersuchungsgestand überhaupt zusammenhängt ist dabei nebensächlich. Jedenfalls kann mit den Daten die Öffentlichkeit bedient werden und dies rechtfertig offensichtlich alles. Das versteht dann keiner mehr.

Diesen Spagat zwischen Datenschutz und Öffentlichkeit und Transparenz versucht das in Diskussion befindliche Informationsfreiheitsgesetz zu durchtrennen. Ohne klares Zurückdrängen des Datenschutzes wird dies nicht gelingen. Denn die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen können sich weder auf die Immunität der Abgeordneten, noch  auf das Redaktionsgeheimnis der Journalisten stützen und sind dann „nicht nur in der Kritik“, sondern stehen auch noch vor dem Richter.