Walter Leiss
Walter Leiss: „Es werden Veränderungen erforderlich sein, damit die Herausforderungen der Zukunft bewältigt werden können.“
© Philipp Monihart

Die Herausforderungen werden nicht weniger

Seit nunmehr als 13 Jahren durfte ich im Generalsekretariat des Österreichischen Gemeindebundes arbeiten. In dieser Zeit wurden wir mit vielen Themen, die die Gemeinden betreffen, konfrontiert. Somit eine interessante Aufgabe, die so vielfältig war, wie es auch die Aufgaben der Gemeinden sind. Die Gemeinden mit den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten, und an der Spitze die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, werden als Gestalter des unmittelbaren Lebensumfeldes der Bürger und Bürgerinnen betrachtet. 

Viele Dienstleistungen, die die Gemeinden erbringen, werden als selbstverständlich angesehen, und oft ist den Bürgern und Bürgerinnen gar nicht bewusst, dass die Gemeinden dahinterstehen. Die Aufgaben der Gemeinde reichen von der Wiege bis zur Bahre. Bestehende Aufgaben wurden und werden beständig, entsprechend den gesellschaftlichen Bedürfnissen, angepasst und damit komplexer und deren Lösung herausfordernder. Dazu kommen laufend neue Aufgaben die durch europäische Richtlinien, Bundes- oder Landesgesetze auf die Gemeinden übertragen werden. 

Allen gemeinsam ist, dass zwar die Aufgabe übertragen wird, aber nicht gleichzeitig für die entsprechende Finanzierung Vorsorge getroffen wird. Im finanztechnischen Sinn wird dies als grauer Finanzausgleich bezeichnet. 

Ständig neue Herausforderungen für die Gemeinden

Wie generell die Finanzen ein bestimmendes Thema für die Gemeinden sind. Sie hängen grundsätzlich von der allgemeinen wirtschaftlichen Situation ab, da nur mit einer guten Wirtschaftsleistung auch entsprechende Steuereinnahmen und damit steigende Ertragsanteile verbunden sind.

2011 waren gerade die Auswirkungen der Finanzkrise, die nicht nur die Finanzmärkte, sondern die gesamte Wirtschaft negativ beeinflusst hat, überstanden. Doch lange blieb keine Zeit für Wachstum und steigende Ertragsanteile.

2015 ist die Migrationswelle über Österreich gezogen. Die Unterbringung der Geflüchteten und die Integration in die Gesellschaft sollte und soll in den Gemeinden erfolgen. Belastungen für die Sozialsysteme und die Bildungseinrichtungen waren die Folgen, die uns auch noch länger begleiten werden.

Kurze Zeit später brach  die Pandemie mit all ihren Herausforderungen über die Welt herein. Nicht nur Bundesregierung und Landesregierungen, sondern hauptsächlich die Gemeinden waren in vielfältigster Weise gefordert – beispielhaft sei die Durchführung von Testungen und die Organisation der Impfungen mit all den damit verbundenen Komplikationen genannt. Irgendwer musste ja all die Anordnungen und Vorschriften übersetzen, um sie der Bevölkerung näher zu bringen.

Kaum waren die mit der Pandemie verbundenen wirtschaftlichen Einbrüche und die gesellschaftliche Spaltung, die durch die Maßnahmen der Pandemiebekämpfung angeordnet wurden, verdaut, brach der Ukraine-Krieg aus. 

Damit verbunden war eine Energiekrise, die mit Inflation und Teuerung einherging. Die Auswirkungen sind noch heute zu spüren und haben negative Folgen für die Finanzen der Gemeinden.

Gemeindefinanzen in der Krise

Aktuell verspüren viele Gemeinden die konkreten Auswirkungen in ihren Budgets. 

Den stagnierenden Einnahmen stehen gestiegene Ausgaben, verursacht durch hohe Gehaltsabschlüsse, gestiegene Baukosten und der generellen Teuerung, gegenüber. Die Prognosen für die kommenden Jahre lassen hier keine Besserung erwarten.

Überlagert wurde diese Entwicklung letztlich auch durch die Europapolitik. Mit dem „Green Deal“ der Europäischen Union sollte eine ökologische und wirtschaftliche Umgestaltung der EU erfolgen und Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent gemacht werden. So berechtigt das Ziel ist, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen, wurde allerdings verabsäumt die notwendigen finanziellen Mittel mit auf dem Weg zu schicken. 

Auch die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen für den Standort Europa wurden offenbar falsch eingeschätzt. Der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung ist – natürlich auch von anderen Faktoren beeinflusst -, wie wir derzeit erleben, nicht eingetreten. Eine Menge an Rechtsakten, die es auch auf der lokalen Ebene umzusetzen gilt, wurden erlassen. Die Renaturierungsverordnung, die Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie, die 4. Abwasserrahmenrichtlinie müssen auch von den Gemeinden umgesetzt werden. In der derzeitigen wirtschaftlichen Situation fragt man sich nur wie, denn sie kosten sehr viel Geld.

Gesundheit und Pflege kosten immer mehr

Aber auch ohne diese internationalen Krisenentwicklungen mit ihren Auswirkungen auf die Gemeinden gab und gibt es viele Themenfelder, die die Gemeinden organisatorisch und finanziell belasten. Das Gesundheitswesen mit seinen zersplitterten Kompetenzen, wo die Gemeinden etwa im Spitalsbereich in die Zahlungspflicht genommen werden, oder dem niedergelassenen Bereich, wo die Gemeinden zwar keine Zuständigkeiten haben, aber von den Bürgern die Erwartungshaltung besteht, dass die Gemeinde auch für Arztstellen Vorsorge zu treffen hat, als ein Beispiel. 

Der Sozial- und Pflegebereich mit stärkerer Verantwortung der Gemeinden spiegelt ein ähnliches Bild. Die Bedürfnisse nach Betreuung und Pflege steigen aufgrund der demographischen Entwicklungen, die Angebote und finanziellen Mittel hinken jedoch hinterher. Zu diesen Themen, vergleichsweise mit geringerer Bedeutung, aber medial sehr emotional diskutiert sind Dinge wie der Bodenschutz, Gemeindestrukturreformen oder eine Föderalismus-Debatte. Nicht zu vergessen die Kinderbetreuung und der Bildungsbereich. Die Anforderungen werden immer höher geschraubt und alles soll zum Nulltarif angeboten werden. Am besten sollten die Kinder ab der Geburt in Krabbelstuben betreut und verpflegt werden. Versehen mit einem Rechtsanspruch. 

Im Bildungsbereich sollen ganztägige Schulformen flächendeckend eingeführt werden und die Gemeinden nicht nur die Infrastruktur dafür bereitstellen, sondern auch das Personal organisieren. 

Effizienzpotenziale müssen gehoben werden

So gesehen viele Baustellen, die die Gemeinden und damit den Gemeindebund auch weiterhin beschäftigen werden. Kernthema bei jedem Thema werden immer die Finanzen sein, da ohne ausreichende finanzielle Mittel keine Gestaltung auf lokaler Ebene möglich ist. Und Veränderungen werden erforderlich sein, damit die Herausforderungen der Zukunft bewältigt werden können. Mehr Gelder aus dem kleiner gewordenen Topf an Abgaben werden das Problem nicht lösen. Die Hebung von Effizienzpotenzialen in den Gemeinden wird ebenso notwendig sein, wie endlich die schon lange zugesagte Reform der Grundsteuer. 

An Themen wird es dem Gemeindebund auch künftig nicht mangeln. Ob es mit der neuen Regierung gelingen wird hier rasch zu Lösungen zu gelangen, bleibt nur zu hoffen. Das Team des Gemeindebundes ist neu aufgestellt und schon engagiert an der Arbeit. 
Ich wünsche dem Gemeindebund und damit allen Gemeinden alles Gute und viel Erfolg.