
EU-Gipfeltreffen auf Korfu: Am 24. Juni 1994 unterzeichnen für Österreich Bundeskanzler Franz Vranitzky und Außenminister Alois Mock den Beitrittsvertrag zur Europäischen Union.
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Österreichs Weichenstellung auf dem Weg in die EU
Am 1. Jänner 1995 trat Österreich der Europäischen Union bei, im Juni 1995 nahm es bereits an Sitzungen der Europäischen Union teil – aber wesentlich entscheidender für den Beitritt war ein früheres Juni-Ereignis: Am 12. Juni 1994 entschied die österreichische Bevölkerung in einer bundesweiten Volksabstimmung über den Beitritt zur Europäischen Union.
Der Weg nach Brüssel war lang, nicht unumstritten und von intensiven Verhandlungen geprägt. Dass dieser Beitritt nicht nur ein außenpolitisches Großereignis war, sondern auch eine kommunalpolitische Zäsur darstellt, wird heute mitunter übersehen. Dabei trugen die Gemeinden – vielfach im Schatten der großen Politik – wesentlich zur europäischen Integration bei.
Der Beginn: Von Brüssel bis Korfu
Mit einem Schreiben an den Präsidenten des Rates der Europäischen Gemeinschaften, Roland Dumas, stellte Österreichs Außenminister Alois Mock am 14. Juli 1989 den offiziellen Antrag auf die EU-Mitgliedschaft Österreichs. Zwei Wochen später wurde der Beitrittsprozess eingeleitet. Die konkreten Verhandlungen begannen 1993, gemeinsam mit Norwegen, Schweden und Finnland.
Mock, unterstützt von Staatssekretärin Brigitte Ederer, führte die Verhandlungen mit großer persönlicher Hingabe. Im Frühjahr 1994 konnten die Gespräche erfolgreich abgeschlossen werden. Am 24. Juni 1994 unterzeichneten Mock und Bundeskanzler Franz Vranitzky im Rahmen des EU-Gipfels auf Korfu den Beitrittsvertrag.
Zustimmung durch das Volk
Die entscheidende Zustimmung erfolgte durch die Bevölkerung: Bei der Volksabstimmung am 12. Juni 1994 sprachen sich 66,6 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher für den Beitritt aus. Brigitte Ederer hatte im Vorfeld mit dem sogenannten „Ederer-Tausender“ (ein versprochener monatlicher Einsparungseffekt von 1.000 Schilling pro Haushalt) geworben – ein Slogan, der in Erinnerung blieb und die wirtschaftlichen Argumente für den Beitritt auf den Punkt brachte – und eine Rechnung, die später vielfach hinterfragt wurde.
Die Rolle der Gemeinden
Für die österreichischen Gemeinden war der Beitritt zur Europäischen Union eine Entwicklung von historischer Tragweite. Ferdinand Reiter, damals Präsident des Österreichischen Gemeindebundes, hatte bereits in den Jahrzehnten davor begonnen, die europäische Dimension der Kommunalpolitik aufzubauen. Der Gemeindebund war unter seiner Führung und jener seines Nachfolgers Franz Romeder ein aktiver Teil des europäischen Gemeindeverbunds (RGRE) und hatte enge Kontakte zu kommunalen Vertretungen im Osten Europas aufgebaut – lange bevor der EU-Beitritt politisch abgesichert war.
Romeder war es auch, der im Gefolge des EU-Beitritts wesentliche strukturelle Grundlagen schuf: Im Jahr 1996 wurde das Brüssel-Büro des Gemeindebundes eröffnet, um die Interessen der Gemeinden direkt bei der EU vertreten zu können. Auch die Verankerung eines Konsultationsmechanismus – also das Recht der Gemeinden, bei EU-Vorhaben informiert und beteiligt zu werden – wurde in dieser Phase rechtlich abgesichert. Diese Beteiligung ist heute europaweit nahezu einzigartig und stärkt die kommunale Mitwirkung im Mehrebenensystem der Union nachhaltig.
Quelle: Interview mit Ferdinand Reiter und Rückblick auf den EU-Beitritt in KOMMUNAL 10/2005, Seiten 64 ff.