Walter Leiss: „In verfassungswidriger Weise wurden den Gemeinden als Schulerhalter in den vergangenen Jahrzehnten immer neue Aufgaben übertragen, die die innere Organisation und damit den Schulbetrieb betreffen.“
© Philipp Monihart

Mehr Kompetenzen brauchen Reform und mehr Geld!

Die Anfänge des staatlichen Schulwesens in Österreich gehen auf die Schulreform von 1774 unter Maria Theresia zurück. Die ursprünglich sechsjährige Schulpflicht wurde Ende des 19. Jahrhunderts auf acht Jahre erhöht und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Hauptschule, die Pflichtschule für die 10- bis 14-Jährigen, eingeführt. Schließlich wurde 1962 eine umfassende Schulreform beschlossen. Wegen der gesellschaftspolitischen Brisanz des Schulwesens finden sich viele Schulgesetze im Verfassungsrang.

Die Kompetenzartikel sehen vor, dass auf dem Gebiet des Schulwesens die Gesetzgebung und die Vollziehung – soweit nichts anderes bestimmt ist – Bundessache sind. Im Artikel 14 Bundesverfassungsgesetz allerdings findet sich ein „Relikt“. Die Grundsatzgesetzgebung liegt beim Bund und die Ausführungsgesetzgebung bei den Ländern.

Diese Form der Gesetzgebung sollte nach dem Regierungsprogramm abgeschafft werden. Danach ist unter anderem in den Angelegenheiten der äußeren Organisation nur die Gesetzgebung über die Grundsätze Bundessache, die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung jedoch Landessache. 

Schon seit der Einführung der Schulpflicht waren die Gemeinden für die Bereitstellung der Gebäudeinfrastruktur zuständig. Grundsätzlich hat sich daran auch im Laufe der Jahrhunderte nichts geändert. Auch nicht durch die Schulreform 1962, da alle Länder im Rahmen ihrer Ausführungsgesetzgebungskompetenz die Gemeinden als gesetzliche Schulerhalter bestimmt haben.

Anforderungen an Schulgebäude haben sich geändert

Es gibt eine Vielzahl von Schulen (über 5.000 an der Zahl), wo die Gemeinden die Schulerhalter sind. Diese haben nach der Festlegung durch die Länder im Rahmen der Schulsprengel Gebäude errichtet oder als Bildungsstätten zur Verfügung gestellt und diese für den Schulbetrieb ausgestattet. Dies im Rahmen ihrer Funktion als Schulerhalter. Die Gemeinden waren demnach für die Errichtung des Schulgebäudes, seine Einrichtung, Beleuchtung, Beheizung sowie auch Reinigung zuständig.

Naturgemäß haben sich in den letzten Jahrzehnten die Anforderungen an Schulräume entsprechend geändert, beginnend bei der Einrichtung nach ergonomischen Gesichtspunkten bis hin zur Schaffung der Infrastruktur für die Nutzung digitaler Medien.

Auch die Anforderungen für Schulsportstätten haben sich im Laufe der Zeit entsprechend geändert und sind zu beachten. Für ganztägige Schulformen waren bauliche Investitionen genauso erforderlich wie für die Reduktion der Klassenschülerhöchstzahl oder die Schaffung der Voraussetzungen für modernen Unterricht.

All dies wurde von den Gemeinden als Schulerhalter ermöglicht. Diese Aufgabe wird von den Gemeinden auch grundsätzlich nicht bestritten. Es soll auch nicht verschwiegen werden, dass dafür Förderungen seitens des Bundes und der Länder für die baulichen Maßnahmen bereitgestellt wurden. 

Gemeinden haben keinen Einfluss auf Pädagogik und Organisation

Seit jeher war es allerdings dem Einfluss der Gemeinden als Schulerhalter entzogen, zu bestimmen, was in der Schule passiert und von wem und wie der Unterricht erfolgt. Einen Einfluss auf die „Pädagogik“ nehmen die Gemeinden nicht.

Ebenso wenig haben sie Einfluss auf die innere Organisation des Schulbetriebes. Ob ganztägige Schulformen eingeführt werden, ob ein differenziertes oder verschränktes Schulsystem zur Anwendung kommt und ob die Schule gewünschte gesellschaftspolitische Verpflichtungen erfüllen kann oder nicht, ist nicht Aufgabe der Gemeinden als Schulerhalter. Neben dem Lesen, Schreiben und Rechnen – davon wird ja immer weniger gesprochen – sollen die Schulen richtiges Sozialverhalten vermitteln, wirtschaftliche Funktionsweisen erklären, richtige Ernährung und Gesundheit vermitteln, die bei Kindern und Jugendlichen offenbar vorhandene Bewegungsarmut verhindern und neuerdings auch digitale Grundkenntnisse lehren.

Es soll gar nicht hinterfragt werden, ob und wie die Schule diese sicher notwendigen Grundkompetenzen vermitteln kann, außer Zweifel steht aber, dass damit mehr Bürokratie verbunden ist und dementsprechend mehr und vor allem pädagogisch geschultes Personal gebraucht wird.

Gemeinden wurden immer neue Lasten umgehängt

Die Aufgabe der Bereitstellung des erforderlichen Personals, um pädagogische Inhalte zu vermitteln, ist aber nicht Aufgabe des Schulerhalters. Das einzige Personal an den Schulen war der Schulwart, der für die Reinigung der Schule zuständig ist.

In kompetenz- und damit verfassungswidriger Weise wurden den Gemeinden als Schulerhalter in den vergangenen Jahrzehnten allerdings immer neue Aufgaben übertragen, die nicht die äußere Organisation, sondern die innere Organisation und damit den Schulbetrieb betreffen.

Egal, ob es um den Einsatz von SozialhelferInnen, von FreizeitpädagogInnen im Rahmen der ganztägigen Schulform, von Stützkräften für Kinder mit Beeinträchtigung oder um Assistenzkräfte (SekretärInnen) für die DirektorInnen geht. Geplante Bewegungscoaches, die an den Schulen tätig sein sollen, genauso wie Personal für die IT-Sicherheit, den Support bis hin zur Software für die zum Einsatz gebrachten digitalen Geräte: Dies kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sich die Schule im 21. Jahrhundert weiterentwickeln muss. Weiterentwicklung der Schule ja, aber nicht den Gemeinden die Last dafür umhängen.

Anschubfinanzierungen führen dazu, dass Kosten bei den Gemeinden bleiben

Uns ist durchaus bewusst, dass die Gemeinden als Schulerhalter erster Ansprechpartner der Eltern und der DirektorInnen sind. Jede Gemeinde bemüht sich, die bestmöglichen Voraussetzungen für die Kinder zu schaffen und den Wünschen der Eltern zu entsprechen.

Auch wenn in verfassungswidriger Weise den Gemeinden viele dieser Aufgaben durch Gesetze übertragen wurden, ist dennoch festzuhalten, dass die Gemeinden dafür nicht zuständig sind. Auch sogenannte „Anschubfinanzierungen“, die die Einführung erleichtern sollen, sind kein probates Mittel, da langfristig die Kosten bei den Gemeinden als Schulerhalter verbleiben. Abgesehen von den organisationsrechtlichen Schwierigkeiten, die sich durch verschiedene Dienstgeber ergeben, bleibt festzuhalten, dass es wohl nicht darauf ankommen kann, ob ein Kind in einer reichen Gemeinde lebt, die entsprechendes Personal und Mittel bereitstellen kann, oder in einer armen Gemeinde, die diese Möglichkeiten nicht hat. 

Eine Beseitigung dieses unhaltbaren Zustandes ist daher dringend geboten. Es gibt durchaus die Überlegung, die Gemeinden mit mehr Kompetenzen im Schulbereich auszustatten. Notwendig dafür sind allerdings eine grundsätzliche Reform und vor allem eine entsprechende Ausstattung mit den dafür erforderlichen Finanzen. Allerorts wird von der dringenden Herausforderung im Bildungsbereich gesprochen. Diese Klarstellungen werden allerdings Voraussetzung dafür sein, dass dies schlussendlich gelingen kann.