Selten waren die Rahmenbedingungen besser, um Schulen und Kindergärten fit für die Zukunft zu machen.
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Jetzt in zukunftsfähige Bildungseinrichtungen investieren
Bis zu 80 Prozent Bundesförderung, 500 Millionen Euro für kommunale Investitionen und zusätzlich 120 Millionen für Digitalisierung: Das ist der Inhalt des österreichischen Gemeindepakets 2024. Die Rahmenbedingungen für Gemeinden waren noch nie so gut wie jetzt. Wer heute in zukunftsfähige Bildungseinrichtungen investiert, schafft nicht nur bessere Lernräume für Kinder – sondern macht die Gemeinde auch als Wohnort attraktiver. Was es dabei zu beachten gilt und wie das Österreichische Institut für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS) Gemeinden unterstützt.
Die Klassenzimmertür fällt ins Schloss, 25 Kinder strömen herein. Was jetzt passiert, entscheidet über Lernerfolg oder Misserfolg: Die CO₂-Konzentration steigt, der Lärmpegel nimmt zu, die Raumtemperatur verändert sich. Innerhalb von 45 Minuten kann aus einem optimalen Lernraum ein Ort werden, an dem Konzentration kaum noch möglich ist.
Die bauliche Qualität von Bildungseinrichtungen wird oft unterschätzt – dabei zeigen wissenschaftliche Studien eindeutig: Schlechte Luftqualität und hoher Lärmpegel beeinträchtigen die kognitive Leistungsfähigkeit massiv. Österreichs Gemeinden stehen vor einer historischen Chance.
Mit dem Gemeindepaket 2024 stellt der Bund bis 2027 insgesamt 500 Millionen Euro für kommunale Investitionen bereit – der Bundesanteil wurde von 50 auf 80 Prozent erhöht. Eine Hälfte davon fließt gezielt in Energieeffizienz und Klimawandelanpassung. Zusätzlich stehen 120 Millionen für die Digitalisierung zur Verfügung. Selten waren die Rahmenbedingungen besser, um Schulen und Kindergärten fit für die Zukunft zu machen.
Die unterschätzten Faktoren
Viele Gemeinden sanieren ihre Bildungseinrichtungen, ohne die Akustik ausreichend zu berücksichtigen. Die Folgen sind in Studien gut dokumentiert: In Räumen mit schlechter Akustik steigen Krankenstände beim Personal, sinken Lernergebnisse bei Kindern.
Die DIN 18041 und das im September 2024 aktualisierte Kapitel 10 der ÖISS-Richtlinien für Bildungsbauten geben klare Vorgaben: Die Nachhallzeit sollte in Klassenzimmern bei 0,5 bis 0,7 Sekunden liegen.
Akustikdecken aus Mineralfaser, ballwurfsichere Wandabsorber oder freischwebende Akustiksegel haben sich in der Praxis als wirksame Lösungen im Trockenbau erwiesen. Die Investition rechnet sich mehrfach: durch reduzierte Krankenstände, verbesserte Lernergebnisse und höhere Zufriedenheit bei Pädagogen und Kindern.
Auch beim Raumklima besteht erheblicher Handlungsbedarf. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen: Bereits ab 1.000 ppm CO₂ lässt die kognitive Leistungsfähigkeit messbar nach. Das Österreichische Institut für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS) hat mit Ende Jänner 2025 seine Richtlinien zum Thema „Nachhaltigkeit, Energie, Raumklima und Haustechnik“ aktualisiert – auch als Reaktion auf die Erfahrungen aus der Pandemie.
Mechanische Lüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung, CO₂-gesteuerte Anlagen und hybride Konzepte garantieren frische Luft ohne Energieverschwendung. Große Fensterflächen für Tageslicht und LED-Beleuchtung mit intelligenter Steuerung komplettieren das Konzept. Die Neufassung des 5. Kapitels der ÖISS-Bildungsbau-Richtlinien berücksichtigt dabei die Umrüstung auf LED-Technologie und das Leuchtstofflampenverbot.
Energetische Zukunftsfähigkeit
Die Energiekrise der vergangenen Jahre hat deutlich gemacht: Bildungseinrichtungen müssen energetisch auf höchstem Niveau arbeiten. Wärmepumpen, Photovoltaik auf Dächern und Fassaden, thermische Solaranlagen und Gebäudeautomation gehören heute zum Standard zukunftsorientierter Planungen. Dazu kommen Fassaden- und Dachbegrünung, die bei steigenden Temperaturen wie natürliche Klimaanlagen wirken.
Die Planungshorizonte haben sich verschoben: Gebäude müssen heute für die klimatischen Bedingungen des Jahres 2050 konzipiert werden.
In Niederösterreich wurde der Fördersatz für bauliche Investitionen von Gemeinden in Kindergarten- und Bildungsbauten seit Jänner 2023 von 27 auf fast 50 Prozent angehoben. Bis September 2024 konnten dadurch bereits über 280 neue Betreuungsgruppen in Betrieb genommen werden – ein Erfolgsmodell, das Schule machen könnte.
Digitalisierung als Grundausstattung
Die Digitalisierung ist längst keine Kür mehr, sondern Pflicht. Flächendeckendes WLAN, digitale Tafeln, Tablets mit Lademöglichkeiten und datenschutzkonforme IT-Infrastruktur gehören zur Grundausstattung moderner Bildungseinrichtungen. Entscheidend ist dabei die Zukunftsfähigkeit: Was heute installiert wird, muss in zehn Jahren noch erweiterbar und anpassbar sein. Der technologische Wandel schreitet zu schnell voran, um starre Systeme zu verbauen.
Der Außenraum als Lernort
Der Schulfreiraum ist weit mehr als ein Pausenhof. Das ÖISS betreibt mit www.schulfreiraum.com eine eigene Plattform, die die Bedeutung qualitätsvoller Außenbereiche unterstreicht.
Begrünte Pausenhöfe mit Schatten spendenden Bäumen, vielfältige Bewegungsangebote von Klettergerüsten bis zu Sportflächen, Schulgärten für ökologisches Lernen und Freiluftklassenzimmer erweitern den Bildungsraum nach draußen. Multifunktionale Außenflächen können auch von der Gemeinde für Veranstaltungen genutzt werden – Synergien, die sich rechnen und die soziale Funktion der Bildungseinrichtung im Ortsgeschehen stärken.
Barrierefreiheit ist dabei nicht mehr optional, sondern gesetzliche Verpflichtung und gesellschaftlicher Anspruch zugleich: stufenlose Zugänge, Aufzüge, unterfahrbare Waschbecken, taktile Leitsysteme und ausreichend breite Türen schaffen Inklusion. In Kindergärten kommen kindgerechte Proportionen, Sichtachsen für die Aufsicht und altersgerechte Möblierung hinzu.
Tempo durch Modulbauweise
In den Ballungsräumen Wien, Graz und Linz wachsen die Schülerzahlen kontinuierlich. Konventioneller Bau dauert oft zu lange. Hier bietet die Modulbauweise überzeugende Vorteile: Während der Sommerferien aufgestellt, feste Preise, minimaler Lärm während der Bauphase, volle Qualität in Konstruktion und Ausstattung. Die Zeiten, in denen Modulbauten als Notlösung galten, sind vorbei. Sie sind vollwertige Gebäude, die später erweitert, umgenutzt oder an anderen Standorten wieder aufgebaut werden können – ein Beitrag zur Nachhaltigkeit im doppelten Sinn.
Partizipation als Erfolgsfaktor
Die Fachkonferenz „Bildungsbau Österreich – Von Klassenzimmern zu Lernräumen“, die im Jänner 2025 in Wien stattfand, betonte einen entscheidenden Erfolgsfaktor: Partizipation. Planungen ohne Einbeziehung von Pädagogen, Eltern und Schülern gehen häufig am tatsächlichen Bedarf vorbei. Workshops zur Bedarfsermittlung, Architekturwettbewerbe zur Qualitätssicherung und die frühzeitige Begutachtung durch das ÖISS haben sich als wirksame Instrumente erwiesen.
Building Information Modeling (BIM) hilft zudem, Projekte effizient abzuwickeln und Planungsfehler frühzeitig zu erkennen. Flexible Raumkonzepte ermöglichen spätere Anpassungen – ein wichtiger Aspekt, denn pädagogische Konzepte entwickeln sich weiter. Was als Klassenzimmer geplant wird, muss morgen vielleicht als Lernlandschaft funktionieren.
Die Rolle des ÖISS
Das Österreichische Institut für Schul- und Sportstättenbau (Alle Infos zum ÖISS finden Sie auf oeiss.org. Das Institut gibt mit der „Schule & Sportstätte“ ein eigenes Fachjournal heraus, in dem die aktuelle Entwicklungen und sehr viele best practice-Beispiel besprochen werden. Das Journal ist als Abo unter https://www.oeiss.org/oeiss/de/fachmagazin/abo/ zu bestellen) steht Gemeinden als Kompetenzzentrum zur Verfügung. Die Begutachtung durch das ÖISS ist bei vielen Förderungen Voraussetzung und verhindert teure Fehlplanungen. Die aktuellen Richtlinien – ob zu Beleuchtung, Akustik, Haustechnik oder Sportböden – sind auf www.oeiss.org abrufbar und werden laufend an neue Erkenntnisse und Normen angepasst.
Auch die Bundesländer haben ihre Förderungen aufgestockt. Programme für energetische Sanierung, Barrierefreiheit und Sicherheitsmaßnahmen ergänzen die Bundesmittel. Gemeinden sind gut beraten, sich frühzeitig über die verschiedenen Förderschienen zu informieren und diese strategisch zu kombinieren.
Investition in die Zukunft
Bildungseinrichtungen sind Investitionen mit Langzeitwirkung. Wer heute nach aktuellen Standards baut, schafft Lernräume, die Generationen dienen. Die Qualität der baulichen Infrastruktur entscheidet mit darüber, ob Kinder ihr Potenzial entfalten können, ob Pädagogen gesund bleiben und gerne arbeiten – und ob eine Gemeinde als attraktiver Wohn- und Lebensort wahrgenommen wird.
Die aktuellen Förderrahmenbedingungen mit einem Bundesanteil von bis zu 80 Prozent schaffen Spielräume, die es zu nutzen gilt. Gemeinden, die jetzt strategisch planen und die Expertise des ÖISS einbinden, legen den Grundstein für zukunftsfähige Bildungslandschaften. Die Investition in gute Schulen und Kindergärten ist letztlich eine Investition in den Zusammenhalt und die Entwicklungsfähigkeit der Gesellschaft.
Was ist das ÖISS und welche Rolle spielt es?
Das Österreichische Institut für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS) wurde 1964 auf Basis einer nationalen Beschlussfassung 1961 in Obertraun und einer UNESCO Resolution von 1962 gegründet und wirkt als Kompetenzzentrum für die Planung, den Bau und den Betrieb von Bildungseinrichtungen sowie Sport- und Bewegungsräumen in Österreich.
Als Stiftung des Bundes und aller Bundesländer verfolgt das ÖISS das Ziel der zentralen Bündelung von Expertise und der dezentralen Vor-Ort-Unterstützung im konkreten Anlassfall.
In den mehr als 50 Jahren seines Bestehens hat das ÖISS wesentliche Beiträge zur Weiterentwicklung von Schulen und Sportstätten in Österreich geleistet; der Name der Stiftung ist ebenso wie die Kurzbezeichnung ÖISS zu einem Begriff in der Fachwelt geworden und hat Markenqualität erlangt.
Die Leistungen des ÖISS umfassen die Entwicklung von allgemeinen Grundlagen, die in ÖISS Richtlinien verankert beziehungsweise in Normen einfließen, die Beratung und Begutachtung von zahlreichen Einzelprojekten sowie die laufende Information der Fachöffentlichkeit.