europäisches Parlament in Strassburg
Was Gemeinden tun können? Bürgermeisterkonferenzen könnten auch einmal eine Studienreise nach Straßburg oder nach Brüssel einplanen. So könnten sie selbst und auch die Menschen der Gemeinde „die EU“ einmal hautnah selbst vor Ort erleben.
© Shutterstock/Ikars

Gemeinden wollen stärker in die EU integriert werden

29. Mai 2019
„Viel zu lange wurde in Sonntagsreden verkündet: Europa ist nicht mehr aufzuhalten. Die Realität beweist uns das Gegenteil.“ Mit diesen Worten beginnt die „Weezer Deklaration“ und nimmt Bezug auf einen lange bekritelten Umstand: Die Gemeinden sind in europäische Entscheidungsprozesse viel zu wenig eingebunden.

Die Vertreter des Deutschen Städte- und Gemeindetages und des Österreichischen Gemeindebundes waren sich  einig: „Wir brauchen eine EU, die sich den Menschen erklärt, ihre Vorteile, ihren Nutzen und ihre Unverzichtbarkeit überzeugend darlegt und zeigt.“

Dazu bedarf es einer echten und fairen europäischen Partnerschaft aller öffentlichen Ebenen: der EU, der Mitgliedstaaten, der Länder und Regionen und nicht zuletzt der Städte und Gemeinden. Nur dann wird es Populisten mit ihren einfachen Parolen nicht mehr gelingen, Massen gegen Europa in Bewegung zu bringen.

Die Kommunen müssen sich daher an der aktuellen Zukunftsdebatte beteiligen und Kritik vorbringen, dort wo sie nötig ist. Das große Ganze ist dabei nicht aus den Augen zu verlieren, d. h. auch die Kommunen und ihre Verbände können dazu beitragen, die Komplexität des europäischen Einigungswerks und europäischer Entscheidungsfindung zu erklären.

Weezer Deklaration
Stephan Holthoff-Pförtner, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales des Landes Nordrhein-Westfalen, und Theo Bovens, Commisaris van de Koning, Provincie Limburg, tragen sich beim 12. Gemeinsamen Europatag in das Goldene Buch der Gemeinde Weeze ein. In der Bildmitte Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl. ©DStGB

Das europäische Projekt ist ohne Alternative, es muss jedoch wie jedes politische System die Fähigkeit entwickeln, auf Krisen rasch und effizient zu reagieren und gegebenenfalls neue Wege zu diskutieren. Die konkreten Ergebnisse dieser Diskussion müssen auf der Basis des Subsidiaritätsprinzips und der Anerkennung der autonomen Rechte der Kommunen in Europa stehen. Dazu ist es notwendig, die Daseinsvorsorge in Europa zu stärken.

Daseinsvorsorge ist kein Hindernis für einen EU-Binnenmarkt

Die Städte und Gemeinden stellen für den Menschen Heimat dar, die Menschen erleben Europa in ihrer Gemeinde, vor Ort. Die EU muss akzeptieren, dass kommunale Daseinsvorsorge kein Hindernis für einen erfolgreichen EU-Binnenmarkt ist, sondern dessen Voraussetzung. Das EU-Wettbewerbs- und Beihilfenrecht muss auf die zwingend nötigen Vorschriften zum Schutze der europäischen Märkte reduziert werden. Schwellenwerte in diesen Rechtsbereichen müssen erhöht, Verwaltungsverfahren vereinfacht, regionale nachhaltige Wirtschaftskreisläufe in einer mittelstandsfreundlichen Ausgestaltung als Kernelement einer prosperierenden Wirtschaft gestärkt werden. Der Infrastrukturausbau im Bereich der Digitalisierung (Netzausbau) muss gerade für den ländlichen und Nicht-Metropolraum gestärkt werden, wenn der Wohlstand flächendeckend erhalten werden soll.

Kommunen verpflichten sich zur Einhaltung der Klimaziele

Hinsichtlich der Umwelt- und Klimapolitik der Union erklären sich die Kommunen dazu bereit, ihren Beitrag zu den verpflichtenden Zielen, die sich aus dem Pariser Klimaabkommen ergeben, zu leisten. Zu nennen sind u. a. ÖPNV, Wasserver- und -entsorgung sowie Bauplanung. Die Investitionen in diesen Bereichen legen deutlich dar, dass die Städte und Gemeinden die Brisanz des Problems erkannt haben. Diese Investitionen müssen von der EU gefördert und erleichtert werden.

Drei Ansätze in der Migrationsfrage

Eine weitere Herausforderung ist die Migrations- und Integrationsfrage.

Hier sollte ein dreifacher Ansatz verwirklicht werden. Er liegt zum einen in einer Stärkung eines EU-weiten Grenzschutzes, zum anderen in den Anstrengungen der EU, den besonders betroffenen Nationalstaaten zu helfen, anerkannte Flüchtlinge zu integrieren, und zum dritten in den Überlegungen der EU-Kommission, den Migrationsdruck durch eine Ausbildungsoffensive für Migranten mit Rückkehrverpflichtung zu vermindern.

Für die Ziele der EU-Migrationspolitik und die Sicherung der Außengrenzen muss die EU über ausreichende Haushaltsmittel verfügen. Es sollen zudem vergleichbare Verfahrens- und Leistungsrechte in den Mitgliedstaaten in der Asylpolitik angestrebt werden.

Für einen europäischen EU-Binnenmarkt

Weiterhin unterstützen die Gemeinden die EU-Kommission in ihren Bestrebungen, einen voll integrierten europäischen Energiebinnenmarkt zu schaffen. Eine gemeinsame europäische Energiepolitik dient nicht nur aus umweltpolitischen, sondern auch aus wirtschaftspolitischen Gründen (Schlüsselindustrie) den betroffenen Kommunen zur Erfüllung ihrer Aufgaben.     

Forderungen zur Integration der Kommunen in die Europapolitik

(Auszug)

Forderungen an die Europäischen Union

  • Mehr politische Verantwortung für Kommunen auf europäischer Ebene! Die EU muss den Städten und Gemeinden mehr politische Verantwortung gewähren und sie in ihre Arbeit miteinbeziehen. Es sollte in der EU-Kommission einen für die Städte und Gemeinden verantwortlichen Kommissar geben.
  • Gelebte Subsidiarität garantiert Bürgernähe! Die Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sind keine bloßen juristischen Begriffe. Ihre Einhaltung und Überwachung sind ein Weg zu Bürgernähe in Europa! Es muss garantiert werden, dass die Alleinzuständigkeit der Gemeinden für die örtlichen Fragen nicht durch die EU beeinträchtigt wird. Die Kommunen wissen am besten, was vor Ort wie zu regeln ist. Wir fordern, dass es im jährlichen Subsidiaritätsbericht der EU ein explizites Kapitel über die Rolle der Kommunen und die Achtung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts gibt!  
  • Städtepartnerschaftsarbeit fördern - europäisches Bewusstsein schaffen! Die Städte und Gemeinden fordern: Die EU muss einen Euro pro Einwohner im Jahr zur Förderung der kommunalen Partnerschaftsarbeit ausgeben! Städtepartnerschaften sind gelebter europäischer Gemeinsinn und Völkerverständigung im wörtlichen Sinne.  

Selbstverpflichtung der Städte und Gemeinden

  • Kickstart für Europa – Städtepartnerschaften fördern! Die europäische Idee ist kein Selbstläufer, sondern bedarf des stetigen Engagements und immer wieder neuer Impulse. Städte und Gemeinden müssen hier einen aktiven Beitrag leisten. Insbesondere die junge Generation muss stärker mit in den gelebten Austausch eingebunden werden. Kommunen sind so Plattformen für die Schaffung einer starken europäischen Zivilgesellschaft.
  • Europatag in den kommunalen Veranstaltungskalender! Ein Europatag oder eine Europawoche sollte sich in dem Veranstaltungskalender jeder Stadt und Gemeinde finden! 
  • Europa-Ansprechpartner in Rathäusern und Ratsfraktionen! Europaarbeit braucht Gesichter, Köpfe und Hände. Auch in den Städten und Gemeinden. Sowohl Ratsverwaltungen, als auch Ratsfraktionen sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Ansprechpartner für das Thema „Europa in meiner Gemeinde“ benennen. 
  • Europa in der Verbandsarbeit verankern und mitgestalten! Europäisches Engagement muss die Arbeit der repräsentativen und gesellschaftlich wirksamen Verbände und Institutionen mitprägen, nicht zuletzt auch der kommunalen Spitzenverbände selbst. Europa muss fester in der Verbandsarbeit verankert werden. 
  • Auf nach Brüssel und Straßburg – mitmachen! Europapolitik ist keine Einbahnstraße und zwingt die lokale Ebene, das Beschlossene umzusetzen, im Gegenteil. Städte und Gemeinden können EU-Politik mitgestalten, indem sie aktiv auf die Europapolitiker und -politikerinnen in ihrer Region zugehen! 

Forderungen an den Bund und die Länder

  • Kommunen in Europa auf die politische Agenda! Bei europapolitischen Mit-Entscheidungen gehören die Städte und Gemeinden und das kommunale Selbstverwaltungsrecht auf die Agenda!
  • Kommunale Zusammenarbeit der Kommunen und Partnerschaften fördern! Die Förderung der europäischen Städtepartnerschaftsarbeit, aber auch der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit müssen endlich Bestandteile der Europa-, Bundes- und Landespolitik sein. Hierbei sollte die Jugend- und Bürgerbegegnung in den Vordergrund rücken, ergänzt um die inhaltliche und thematische Kooperation vor allem bei der Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele.

Den gesamten Text der Weezer Deklaration finden Sie hier.