Heinz-Christian Strache
Heinz-Christian Strache im Gespräch mit KOMMUNAL-Herausgeber Michael Zimper (r.) und Redakteur Helmut Reindl (l.).

"Im Sport will ich keine Fleckerlteppichpolitik"

Im Interview mit KOMMUNAL sprach Vizekanzler Heinz-Christian Strache über seine Ideen zu Föderalismus, direkter Demokratie und seine Visionen für den österreichischen Sport.

Sie fordern immer wieder Föderalismus und Gemeindeautonomie nach Schweizer Vorbild. Wie könnte das bei uns aussehen?

Strache: Es gibt gewisse Bereiche, die auf Bundesebene geregelt werden müssen. Etwa in der Gesundheitspolitik oder beim Abbau von Verwaltungsstrukturen. Und dann gibt es Bereiche, in denen es sinnvoll sein kann, die Kompetenzen der Länder zu vergrößern. So sind beispielsweise die Länder besser geeignet, über Schulstandorte zu entscheiden als der Bund. Über allgemeine Bildungspläne bestimmt sinnvollerweise wiederum der Bund.

Auch im Bereich von Steuern wäre es zu überlegen, den Ländern gewisse Kompetenzen zu übertragen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich attraktiver zu machen. In der Schweiz funktioniert das sehr gut. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die Landeshauptleute nicht nur da sind, um Geld zu verteilen, sondern dass sie auch selbst Verantwortung übernehmen.

Können Sie sich vorstellen, dass auch Gemeinden in gewissen Bereichen Steuerautonomie erhalten? Etwa bei der Körperschaftssteuer.

Da möchte ich auf den Finanzminister verweisen, der für diese Fragen der richtige Ansprechpartner ist.

In Bezug auf direkte Demokratie nennen Sie immer wieder die Schweiz als Vorbild. Glauben Sie, dass man das Modell auf Österreich umlegen kann, ohne das politisches System vollkommen zu verändern?

Wir brauchen eine grundlegende Verfassungsänderung. Die FPÖ hat seit Jahren mehr direkte Demokratie gefordert. Jetzt haben wir im Regierungsprogramm erreicht, dass ein dementsprechendes Verfassungsgesetz vorbereitet wird. Wenn ein Volksbegehren über 900.000 Unterstützungsunterschriften erhält, dann soll es eine verbindliche Volksabstimmung geben. Begrenzt wäre das allerdings auf nationalstaatliche Fragen. Internationale Verträge wären – das war der Wunsch der ÖVP – ausgenommen.

Alles was in diesem Bereich gelingt, würde die Demokratie vertiefen. Ich sage immer, dass die parlamentarische Demokratie durch die direkte Demokratie nur ausgebaut wird. Das Beispiel der Schweiz zeigt, dass dort 99 Prozent der Beschlüsse vom Parlament gefällt werden. Lediglich ein Prozent wird direkt durch das Volk entschieden.

Die FPÖ ist im ländlichen Raum besonders stark. Andererseits ist sie diejenige Partei, die von den drei großen Parteien die wenigsten Bürgermeister stellt. Warum meinen Sie dass das so ist? Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

In den Bundesländern, wo die Bürgermeister nicht direkt gewählt werden, arbeiten Rot und Schwarz oft zusammen, um einen freiheitlichen Bürgermeister zu verhindern. Dort, wo es eine Direktwahl gibt, gelingt es uns immer öfter den Bürgermeister zu stellen. Daher fordern wir auch die Direktwahl.

Noch von der Vorgängerregierung wurde der Masterplan für den ländlichen Raum beschlossen. Die FPÖ hat sich gegen die Verlegung des Bundesumweltamtes von Wien nach Klosterneuburg ausgesprochen. Warum?

Die Verlegung ist wohl nicht mehr zu verhindern. Eine große Logik sehe ich dahinter aber nicht, denn wenn man das Amt von Wien an den Rand von Wien verlegt, dann ist das keine Unterstützung des ländlichen Raums.

Wären Sie also dafür, dass Ämter in schwächere Regionen verlegt werden. Etwa ins Waldviertel oder in die Obersteiermark?

Wie man strukturschwache Regionen unterstützt, muss sehr individuell entschieden werden. Im Fall des Bundesumweltamtes war es ja so, dass der Wiener Bürgermeister ersucht worden war, ein passendes Gebäude anzubieten, was aber nicht gemacht wurde. Daraufhin hat dann das Land Niederösterreich ein adäquates Grundstück zur Verfügung gestellt.

Würden Sie, als für den öffentlichen Dienst zuständiger Minister, es sinnvoll finden, wenn Bundesbeamte vermehrt von den Ländern aus arbeiten? Die Digitalisierung würde das ja technisch möglich machen.

Ich bin eigentlich eher dafür, dass Arbeitsleistung vor Ort erbracht wird, wo sie auch überprüft werden kann. Aber da und dort wird es zukünftig sicher neue Möglichkeiten geben.

Was für Ideen hätten Sie, um die Abwanderung aus dem ländlichen Raum zu stoppen?

Wichtig ist vor allem die Schaffung von Infrastruktur, damit sich Betriebe ansiedeln und Arbeitsplätze geschaffen werden. Nur so können die Menschen vor Ort bleiben und müssen nicht abwandern. Ich finde es beispielsweise auch unverständlich, dass es bis heute im Waldviertel keine Autobahn gibt, die nach Prag führt.

Das umstrittene Vermummungsverbot hat, wie sich bisher gezeigt hat, wenige Auswirkungen. Wie sollen sich Gemeinden in dieser Frage verhalten?

Ich sehe es so, dass das Verbot greift, weil immer mehr Frauen von der Vollverschleierung abgegangen sind. Daher hat es wenige Anzeigen gegeben.

Als zweiten Schritt geht es jetzt darum, in Kindergärten und Volksschulen ein Kopftuchverbot sicher zu stellen. Damit wollen wir die Kinder schützen, weil es leider eine Unsitte geworden ist, dass immer mehr kleine Mädchen bereits in diesem Alter Kopftuch tragen. Das Verbot ist einerseits eine integrative Maßnahme, anderseits auch eine politische Ansage, dass der politische Islam in unserer Gesellschaft nicht erwünscht ist.

Erreicht man mit Verboten Integration? Vielleicht werden die Mädchen dann einfach nicht mehr in den Kindergarten geschickt.

Spätestens in der Schule müssen die Kinder ja in die Schule geschickt werden. Man kann ja auch nicht zulassen, dass jemand beispielsweise mit pornographischem Bildaufdruck oder mit Steirerhut in die Volksschule kommt. Es gibt nun einmal Kleidungsvorschriften, die für alle Kinder gültig sind. Es ist unsere Aufgabe, Regeln zu entwickeln, damit die Kinder nicht separiert oder diskriminiert werden.

Welche Visionen haben Sie als Sportminister für den österreichischen Sport? Welche Meilensteine sollen in dieser Legislaturperiode gesetzt werden?

Sport ist ein enorm wichtiger gesellschaftspolitischer Bereich, der mir ein Herzensanliegen ist. In den letzten Jahren war der Sport leider nur ein „Beiwagerl“ in diversen Ministerien. Millionen Menschen sind Tag für Tag begeistert aktiv, dem soll Rechnung getragen werden.

Als ersten Punkt wollen wir mit Experten und vor allem den Sportlern selbst eine „Sportstrategie Austria“ entwickeln. Wichtig dabei ist, dass man einmal definiert, was die Ziele sind und wie wir dorthin kommen. Das wurde in den letzten Jahren nicht gemacht. Stattdessen hat man die Bundes-Sport Gmbh gegründet, an die ein jährlicher Fixbeitrag überwiesen wird. Das wollen wir evaluieren, denn es gibt eine überbordende Verwaltung, und bei den Sportlern kommt nur wenig Geld an. Das wollen wir ändern, denn jeder Euro, der in den Sport investiert wird, erspart uns später viel Geld im Gesundheitswesen.

Seit Jahren hört man auch, dass eine tägliche Sportstunde notwendig wäre, ohne dass diese dann tatsächlich eingeführt wurde. Meine Idee ist, dass die Dachverbände die Aufgabe bekommen, die tägliche Sportstunde am Nachmittag in den Schulen möglich zu machen. Dadurch wären die Kinder am Nachmittag betreut und könnten leichter für Sport begeistert werden, sodass vielleicht der eine oder andere auch in einem Verein aktiv werden möchte.

Das ist aber auch eine Frage der Infrastruktur, denn es müssen ja genügend Sportanlagen in den Gemeinden zur Verfügung stehen.

Ja, auch die Frage, ob Schulsportanlagen den Vereinen zur Verfügung gestellt werden, muss erörtert werden. Hier muss man prüfen, welche Möglichkeiten es gibt. Sport fällt ja unter die Kompetenz der Länder, und man muss sich mit allen Verantwortlichen an einen Tisch setzen und eine gemeinsame Lösung erzielen.

Auch die Frage der Schulschikurse, die in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen sind, muss erörtert werden. Hier müssen gemeinsam mit dem Tourismus Projekte entwickelt werden, damit die Schulen wieder Schi- bzw. Wintersportwochen machen. Und es muss mehr Möglichkeiten geben, Familien, die sich den Schikurs nicht leisten können, unterstützend unter die Arme zu greifen. Das ist mir ein Herzensanliegen, und es bringt ja auch insofern viel, als man Kinder, die jetzt Schifahren lernen, dann später einmal als Tourismusgäste gewinnen kann.

Die Sportstrukturen gelten als von parteipolitischem Einfluss geprägt. Die Reform der Sportförderung wurde noch von der alten Regierung gegen den Willen der FPÖ beschlossen. Warum waren Sie dagegen?

Wir kritisieren seit Jahren, dass es im Sport so etwas wie eine Sozialpartnerschaft gibt. Ich halte es für fraglich, ob man drei Dachverbände braucht. Aber man muss mit dieser Realität leben und schauen, ob man neue Aufgabenverteilungen findet. Dazu gehört auch die schon erwähnte Evaluierung der Bundes-Sport Gmbh. Insgesamt wollen wir erreichen, dass einerseits weniger Geld in der Verwaltung versickert und mehr bei den Sportlern ankommt. Andererseits sollen die Förderkriterien nachvollziehbarer werden.

Im Spitzensport wollen wir Nischen definieren, in denen wir in Zukunft erfolgreich sein und vielleicht Olympiamedaillen gewinnen können. Das betrifft vor allen den Sommersport. Im Wintersport wollen wir 2019 an der Universität Innsbruck eine technische Forschungsanstalt möglich machen, wo an der Entwicklung von Materialien geforscht werden soll. Denn gutes Material bringt oft die entscheidenden Zehntelsekunden, die über eine Medaille entscheiden. Andere Länder haben derartige Einrichtungen bereits. Wir müssen in diesem Bereich erst professioneller werden, um unserem Anspruch, eine Sportnation zu sein, gerecht werden können.

Wichtig ist mir eine strategische Vorgehensweise, beginnend mit der Evaluierung der Sport GmbH. Denn sonst macht man wieder eine Fleckerlteppichpolitik.

Wie kann das Sportministerium Gemeinden, die Sportanlagen errichten wollen, unterstützen?

Da gibt es klare gesetzliche Vorgaben. Sport ist Landeskompetenz. Die Gemeinden wenden sich fälschlicherweise oft an das Sportministerium, wenn sie Geld für Sportinfrastruktur brauchen. Zuständig sind aber die Dachverbände und die Bundes-Sport GmbH, die automatisch jährliche 80 Millionen Euro vom Sportministerium erhält. Diese Struktur wurde von meinem Vorgänger eingerichtet, funktioniert aber leider nicht so, wie es geplant war.

An wen sollen sich die Gemeinden also wenden?

An die Bundes-Sport GmbH. Dort gibt es klare Abläufe. Wenn die Anträge positiv bewertet werden, werden die Förderungen ausbezahlt.

Wenn es einen Bundes-Aspekt gibt, wird von unserer Seite mit dem Land und der Gemeinde verhandelt, wie Kostenaufteilung stattfinden kann. Ein Beispiel wäre der Neubau eines Nationalstadions. Das Ernst-Happel-Stadion ist Eigentum der Gemeinde Wien. Wenn Wien möchte, dass das Stadion renoviert oder neu gebaut wird, wird die Gemeinde mit uns in Kontakt treten. Nachdem dann Fragen wie etwa der Denkmalschutz geklärt sind, kann man sehen, ob es private Sponsoren gibt und dann über die Kostenaufteilung zwischen Bund, Land und Gemeinde (letztere beide in diesem Fall identisch) entscheiden.

Gibt es eine strategische Richtungsunterstützung, wenn sich eine Gemeinde etwa auf eine Sportart spezialisieren möchte? 

Ja, das soll eine Sportstättenstrategie geben, auf deren Basis Verantwortungen definiert werden sollen. Beispielsweise gibt es in der Leichtathletik ein massives Defizit.

Auf Basis der Strategie muss dann mit den Verantwortlichen festgelegt werden, welche Schritte gesetzt werden sollen. Und es müssen Prioritäten gesetzt werden, denn man darf ja nicht vergessen, dass etwa ein Nationalstadion ein paar hundert Millionen Euro kosten wird. Da muss sichergestellt werden, dass auch eine Nutzung abseits von Fußballspielen möglich ist, damit es sich rentiert.

Gibt es aus Ihrer Sicht noch weitere Sportstätten mit österreichweiter Bedeutung, deren Erneuerung/Neubau oberste Priorität haben sollte?

Ja, das Dusika-Stadion, das Olympia-Schwimmbad in Innsbruck, die Schiflugschanze am Kulm und eine permanente Teststrecke für den Schisport.

Als Grundlage für neue Sportinfrastrukturprojekte ist die Erstellung und Befüllung einer öffentlich zugänglichen Sportanlagendatenbank geplant. Welchen Umsetzungszeitraum strebt man bei diesem Projekt an?

Unter Minister Klug wurde das Österreichische Institut für Schul- und Sportstättenbau beauftragt, eine Sportanlagendatenbank zu erarbeiten. Geklärt werden muss unter anderem die Frage der Einteilung, also ob man etwa in Trainings- und Wettkampfinfrastruktur einteilt. Ein zweiter Punkt ist die Frage, wer in die Datenbank einträgt. Denn wenn man alle Sportstätten Österreichs bis zum letzten Minigolfplatz einträgt, wird das ein paar Jahre brauchen. Das wird sich die Frage stellen, welchen Sinn das hat. Vielleicht ist es daher vernünftiger, sich nur auf Spitzensport zu konzentrieren, damit man sieht, wo es sinnvoll ist, neue Sportanlagen zu bauen.

Ich würde mir wünschen, dass man viel stärker sichtbar macht, wo unsere Top-Spitzensportler beispielsweise in die Schule gegangen sind. Das würde die Vorbildwirkung erhöhen, denn die Schüler können sich dann besser mit den Sportlern identifizieren, wenn sie Gemeinsamkeiten entdecken können.