In den Jahren 1770/71 wurde die Hausnummerierung im Rahmen der so genannten „Seelenkonskription“ eingeführt.
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Gemeindeadressen sind der Schlüssel

Schon vor 250 Jahren waren Adressen der Hebel für die Modernisierung und Vereinfachung der Verwaltung. Von der militärischen „Seelenkonskription“ über das Jahrhundertprojekt des Grundsteuerkatasters spannt sich der Bogen zu den aktuellen Navigationssystemen, multimodaler Planungssoftware oder zum Zentralen Wählerregister.

Zu allen Zeiten war es wichtig zu wissen, wer wo wohnte, ein Unternehmen führte oder andere Tätigkeiten ausübte. In den Steuerlisten der Herrschaften waren seit Jahrhunderten Hausnamen üblich, manche Hofnamen sind so alt wie der Gebäudebestand, und da kann es in manchen Gegenden Österreichs auch durchaus eine mehrhundertjährige Tradition geben.

Lange Zeit gab es keine Hausnummern

Auch in großen Städten wie Wien gab es vor den maria-theresianischen Verwaltungsreformen keine Hausnummern. Man orientierte sich mit Hausnamen, die in nicht ganz billigen Häuserschemen einsehbar waren. Jedes Haus hatte einen möglichst unverwechselbaren Namen, heute sind die in Ausnahmefällen sogar auch in Wien bekannt, etwa „Zur Stadt Triest“ oder „Zur Goldenen Kugel“ auf der Wieden.

In den Jahren 1770/71 wurde in der Habsburgermonarchie dann die Hausnummerierung im Rahmen der so genannten „Seelenkonskription“ eingeführt. Das war eine Art Volkszählung mit militärischem Hintergedanken, also die zentral erfassten Daten sollten den Grundstamm für eine künftig erleichterte militärische Rekrutierung bilden.

Neben der Volkszählung wurden aber auch die Häuser in einem möglichst nachvollziehbaren System mit sogenannten Konskriptions-Nummern versehen. Man sieht durch dieses Projekt, dass der Staat näher an die Untertanen herankam, bisher hatten ja die Grundherren einen viel besseren Überblick über die Situation.

Die Konskription entstand sicher auch aus der Notlage der vorangegangenen Kriege, sie betraf Böhmen, Mähren, Ober- und Niederösterreich sowie die sogenannten innerösterreichischen Länder Steiermark, Krain und Görz. In Tirol und Vorderösterreich wurde die Nummerierung bereits ein paar Jahre zuvor eingeführt.

"Hausnummer" steht für etwas Ungenaues

Gerade in jenen Orten, in denen eine stärkere Bautätigkeit vorherrschte, kam es danach relativ schnell zur neuerlichen Nummernvergabe, um die Nachvollziehbarkeit des Systems möglichst zu erhalten. In Wien kam es relativ bald, und zwar innerhalb von 50 Jahren, zu zwei großen Nachnummerierungen, und auch das war nicht das Ende, sodass eine massive Unsicherheit herrschte und der Volksmund das natürlich persiflierte. Das „Angeben von Hausnummern“ hat daher in Ostösterreich noch immer die Bedeutung, dass solche meist ungenau sind und gar nicht stimmen müssen.

Hausnummern für Steuergerechtigkeit

Auf dem Land hingegen war die Dynamik noch nicht so stark, mit der Einführung des Grundsteuerkatasters kam es dort im Wesentlichen zu einer Übernahme der bisherigen Nummerierung, die in ihrer Grundstruktur in manchen Orten in Österreich sehr lange bestand und sogar auch bis heute nachwirkt.

Auch in diesem Fall war die Nummerierung kein Selbstzweck, das Grundsteuerpatent von Kaiser Franz war von der Idee getragen, Lücken in der bisherigen Bewertung zu schließen und „strengste Steuergerechtigkeit“ walten zu lassen; dies zur „Aufmunterung der Landescultur“ und der „Beförderung ihrer heilsamen Fortschritte“.

Der franziszeische Kataster war Grundlage des modernen Staatswesens

Heute besteht unter Historikern die überwiegende Meinung, dass sich mit dem franziszeischen Kataster der erfolgreiche Versuch verbindet, die Ständegesellschaft zu überwinden und zu einem modernen Staatswesen zu führen.

Die Chance bestand, sämtliche deutsche und italienische Provinzen des Reiches zu einem einheitlichen Rechtsraum im Hinblick auf Bodenbewertung und Steuerwesen zusammenzufassen.

Es handelt sich nach Meinung der Wissenschaft um eine der bedeutendsten und bis heute sichtbaren Leistungen der Habsburgermonarchie. In Übereinstimmung mit der neueren vergleichenden europäischen Forschung wird der Kataster als Meilenstein des modernen Staatswesens interpretiert.

Wien im 19. Jahrhundert
Der Stand der Konskriptionsnummern in Wien Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Hofburg nach wie vor als Nummer 1, ihre Nachbarhäuser mit 2, 3, 4, … nummeriert. 

Nummerierung begann an einem markanten Punkt des Ortes

Auf Ebene der ländlichen Gemeinden war das allerdings nicht so spektakulär. Der franziszeische Kataster verlangte eine Nummerierung der Grundstücke und Häuser, darüber hinaus aber auch die Identifizierung des jeweiligen Grundeigentümers mit der Konskriptionsnummer. Die Nummerierung in der Grundstücksmappe erfolgte so, dass man an einem markanten Punkt des Ortes begann und dann die Objekte und Bauparzellen möglichst ohne große Sprünge und in nachvollziehbarer Weise durchnummeriert hatte.

In den Landgemeinden musste man noch auf die Aufhebung der Grundherrschaft warten, die der Auslöser für die Schaffung der modernen Gemeinden im Jahr 1849 war. Recht bald übernahmen die politischen Landgemeinden das Meldewesen, wo sie sich der Adressen bedienen mussten. Und auch das Grundbuchsgesetz von 1871 übernahm für die Einlagezahl im Wesentlichen die Konskriptionsnummern.

Ursprüngliche Systematik ging allmählich verloren

Die Gemeinden und Städte hatten daher schon Mitte des 19. Jahrhunderts die Aufgabe, die Konskriptionsnummern zu vergeben, und übernahmen damit die führende Rolle im Adresswesen.

Probleme ergaben sich in der Folge freilich dadurch, dass neue Parzellierungen erfolgten und auch neue Gebäude nach der zeitlichen Reihenfolge nummeriert wurden. Die bisherige Systematik ging daher sukzessive verloren. Oft kann man heute aus einer Konskriptionsnummer nur erschließen, wann etwa eine Bauparzelle erschlossen bzw. ein Haus gebaut wurde.

In Wien war der Leidensdruck im Jahr 1850 schon so hoch, dass man daran ging, die Konskriptionsnummern durch Ordnungsnummern zu ersetzen. 1862 aber wurde erst das Gesetz des Gemeinderates erlassen, mit welchem die neue Nummerierung der Häuser bei gleichzeitiger Benennung der Straßen, Gassen und Plätze erfolgen sollte. Im beginnenden 20. Jahrhundert folgten zahlreiche Städte dem Vorbild Wiens.

Mit der Ersten Republik ging das Ärarium der Adressregelung gänzlich an die Gemeinden und Städte über. Der Staat zog sich immer stärker aus dem Meldewesen zurück, in Bauordnungen der Bundesländer aus dieser Zeit finden sich Bestimmungen zur Adressvergabe durch die Gemeinden.

Gemeindezusammenlegungen machten neue Adressen nötig

In dieser Zeit wurde das System der Orientierungsnummern immer mehr von den Gemeinden übernommen, dies fügte sich oft in ein System zur Gemeindeentwicklung.

Die Gemeindezusammenlegungen in den 60er- und 70er-Jahren waren überdies oft Anlass für einen Wechsel in das Ordnungsnummern-System, da es damals oft der Fall war, dass identische Adressen (zum Beispiel Hauptstraße 1 in verschiedenen Katastralgemeinden) vermieden werden sollten.

Im Laufe der letzten Jahre kam es immer wieder zu Initiativen, diese neue Strukturierung auf immer mehr Gemeinden auszudehnen. Dabei kam es zum Teil sogar zu Projekten, wo mehrere Gemeinden in einer kommunalen Kooperation Straßennamen und eine systematische Gebäudenummerierung einführten, etwa 2014 die Gemeinden Kottes-Purk oder Sallingberg im Waldviertel, und zuletzt mit sehr viel Öffentlichkeitswirkung die Gemeinde Hohenwarth-Mühlbach am Manhartsberg. Dabei wurde thematisiert, dass die bisherige Situation der Konskriptionsnummern zum Teil sogar auch die Einheimischen überforderte. Gemeinsam mit der Bevölkerung wurde ein Konzept zur Definition der neu zu benennenden Straßenzüge und die systematische Vergabe von Hausnummern erstellt. Dies ist nicht nur ein Beitrag zur Transparenz, die meist positive Stimmung bei der Erarbeitung der Konzepte trug und trägt viel zur Identitätsstiftung in den Gemeinden bei.

Zentraler Adressbestand seit 2004

Ungeachtet dessen, ob die Adressen heutzutage mit Ordnungsnummern oder Konskriptionsnummern geführt sind, leisten die Gemeinden einen wesentlichen Beitrag zur Qualität dieser Daten, um diese für moderne Anwendungen auch tauglich zu machen.

Seit dem Jahr 2004 gibt es einen zentralen Adressbestand Österreichs, der die von den Gemeinden offiziell vergebenen Adressen in ein Adressregister beim Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen zusammenführt. Diese Adressen sind im Sinne des Vermessungsgesetzes nach einheitlichen Kriterien gestaltet und weisen neben einen Grundstücksbezug auch geocodierte Koordinaten für alle bestehenden Gebäude auf.

Die Adressen sind damit wieder die grundlegenden Anknüpfungspunkte für modernste Anwendungen in der Verwaltungspraxis geworden. Sie sind mit ihrer Geocodierung zum Beispiel auch die Grundlage für Navigationssysteme. Das multimodale Verkehrsreferenzsystem GIP oder das erst heuer eingeführte Zentrale Wählerregister setzen ebenfalls auf diesen Daten auf, die natürlich aktuell und in der geforderten Qualität vorhanden sein müssen. Aber das sind andere Geschichten.

Die Adressen der Gemeinden, so hat es sich gezeigt, sind und bleiben der Schlüssel zu einer modernen Verwaltung.