Das Wort Handlungsfähigkeit muss im Zusammenhang mit den umfassenden Aufgaben einer Gemeinde gelesen werden. Nicht nur die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern muss funktionieren, sondern vor allem die Willensbildung der verfassungsmäßigen Organe.
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Corona als Digitalisierungsbooster

Die Corona-Pandemie hat uns vor Augen geführt, dass eine derartige Krise nicht allein mit konventionellen Maßnahmen zu bewältigen ist. Ziel des Staates war es, das Gesundheitssystem nicht so zu überfordern wie anderswo. Die Regierung hat sich also sehr früh entschieden, diesem Problem mit einem massiven Herunterfahren der Kontakte in allen Lebensbereichen zu begegnen. Nicht nur der Gesundheitssektor war betroffen, fast alle Lebensbereiche waren im „Corona-Modus“.

Es geht also jetzt darum, dass nicht nur eine Regierung oder ein oberster Einsatzstab die richtigen Entscheidungen trifft, sondern es müssen Menschen aller Lebenslagen und Organisationen in den verschiedensten Handlungsebenen auf die Situation eingestellt werden und sich den Herausforderungen in geeigneter Weise stellen. Die Gesellschaft, die Wirtschaft, das ganze Gemeinwesen ist betroffen. Alle sitzen in einem Boot im Krisenmodus und suchen den Weg heraus.

Alle Akteure müssen eingebunden werden

Im alten Rom gab es das Amt des Diktators, der allerdings meist nur für bestimmte Zwecke und auf eine bestimmte Zeit eingesetzt wurde, auch zur Überwindung von Krisen oder Aufruhr. Die Entscheidungen eines Einzelnen waren dann zumeist klarer und schneller als im üblichen Entscheidungsweg.

In einem modernen Rechtsstaat sind solche Handlungsmuster überholt und gerade bei dieser Krise, die ja die unterschiedlichsten Bereiche und Kompetenzen betrifft, wäre man schlecht beraten, die Entscheidung einem Einzelnen zu überbürden.

Resilienz verlangt gerade in einer so umfassenden Krise die Einbindung aller relevanten staatlichen und gesellschaftlichen Akteure. Die Last muss auf mehreren Schultern aufliegen, damit das aktuelle Bedrohungsszenario abgefedert und die nicht weniger kritischen Folgewirkungen möglichst gering gehalten werden können.

Ausgangsbeschränkungen wurden durch neue Möglichkeiten entschärft

Das kleine Gewächs der digitalen Strukturen in unserem Land kann uns dabei in der vielfältigsten Weise nützlich sein. Es wurden Anwendungen vorgestellt, die helfen können, die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen, andere können die Behandlung der Kranken optimieren, und letztlich finden die Menschen schon jetzt digitale Lösungen, um die schmerzlichen Folgen des Shutdowns abzumildern. Die Ausgangsbeschränkungen wurden durch Home­office, digitale Schule, Internethandel und vieles mehr zumindest annähernd entschärft.

Aber auch in den Gemeinden bewähren sich diverse Anwendungen, Gemeinde-Apps, digitale Amtswege oder virtuelle Amtstafeln gewinnen an Bedeutung. Es geht aber vor allem um systemrelevante Leistungen der Daseinsvorsorge, die Aufrechterhaltung kritischer Infrastruktur und die für die Gemeinden so wichtige Raumentwicklung.

Gemeinden müssen nicht nur Handlungs-, sondern auch Entscheidungsfähigkeit gewährleisten

Krisenfestigkeit für Gemeinden heißt daher, dass sie ihre Handlungsfähigkeit erhalten müssen – und das nicht nur mit virtuellen Sprechstunden, sondern vor allem um die Entscheidungsfähigkeit zu gewährleisten, wenn es um Fragen von besonderer Tragweite geht, um eben die Lebens- und Standortqualität der Gemeinde zu erhalten und fortzuentwickeln.

Das Wort Handlungsfähigkeit muss daher im Zusammenhang mit den umfassenden Aufgaben einer Gemeinde gelesen werden. Nicht nur die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern muss funktionieren, sondern vor allem die Willensbildung der verfassungsmäßigen Organe.

Nicht nur die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern muss funktionieren, sondern vor allem die Willensbildung der verfassungsmäßigen Organe."

Das ist nicht nur für die Entscheidungsgremien auf Bundesebene ein Gebot, sondern auch in den Gemeinden. Denn die Wichtigkeit der Aufgabe steigt nicht unbedingt mit der Höhe der Verwaltungsebene. Nicht zuletzt verstehen sich die Kommunen als die Grundfesten eines freien demokratischen Staates.

Videokonferenzen und Umlaufbeschlüssen wurden Gemeinden möglich gemacht

Im Sinne der rechtsstaatlichen Tradition unseres Landes war es ein richtiges Signal des Gesetzgebers, bereits mit Wirkung vom 22. März eine bis Ende des Jahres befristete Bestimmung in die Bundesverfassung aufzunehmen, um der Bundesregierung auch Beschlussfassungen via Videokonferenz zu ermöglichen.

Gleichzeitig wurde ihr auch die Möglichkeit eingeräumt, dass sie hinkünftig auch Umlaufbeschlüsse fassen kann, dieses allerdings ohne eine Befristung. Gerade in den digitalen Technologien bleibt die sonst so elegante Bundesverfassung daher noch eher vorsichtig. Dennoch, mit dieser Maßnahme sollte ein wichtiges Kollegialorgan für diese Krisensituation mit digitaler Technologie gestärkt werden, wenn auch mit Ablaufdatum.

Wenige Tage später sollte eine ähnliche Regelung für die Länder und Gemeinden dafür sorgen, dass auch die kollegialen Organe auf den subnationalen Ebenen ihre Handlungsfähigkeit mit digitalen Methoden absichern können. So wurde in der Bundesverfassung die bis zum Ende des Kalenderjahres befristete Regelung getroffen, dass auch Gemeinderatsbeschlüsse per Videokonferenz oder Umlaufbeschluss gefasst werden könnten. Diese Bestimmung trat mit 5. April in Kraft.

Änderungen in den Gemeindeordnungen der Länder

Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits zwei Bundesländer Erleichterungen zur Handlungsfähigkeit der Gemeinden beschlossen (nämlich Salzburg und Vorarlberg) und konnten daher auch die Möglichkeit des Bundesverfassungsgesetzgebers legistisch noch nicht nachvollziehen.

Einige Bundesländer haben dann in der Zeit danach die Möglichkeiten des B-VG in den Gemeindeordnungen nachvollzogen. Andere wiederum haben den Gemeinden vorerst signalisiert, dass der Einsatz von Videokonferenzen geprüft werde, aber das Zusammentreten des Gemeinderates durch die Ausgangsbeschränkungen nicht verboten sei. Somit seien wichtige Punkte, die eine Verschiebung auf später nicht vertragen, durchaus in einer Sitzung abhandelbar.

Frage der Öffentlichkeit ist ungeklärt

Der Gemeindebund hat in all diesen Fällen darauf hingewiesen, dass bei der Regelung im B-VG die Frage nicht berücksichtigt wurde, wie in all diesen Fällen mit der grundsätzlichen Öffentlichkeit des Gemeinderates umzugehen ist.

Ein Ausschluss derselben ist ja grundsätzlich möglich (außer für Rechnungsabschluss und Voranschlag), dies wird aber von den Landesgesetzgebern an recht unterschiedliche Bedingungen geknüpft. Bei allen unterschiedlichen Meinungen unter den Verfassungsjuristen aus Bund und Ländern muss aber klar sein, dass letztlich nicht die Gültigkeit von wichtigen Gemeinderatsentscheidungen aufs Spiel gesetzt werden darf.

In der Tiroler Gemeindeordnung wurde im Hinblick auf die Krisensituation etwa ein eigener Passus eingefügt, dass die Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen (ausgenommen für Rechnungsabschluss und Voranschlag) ausgeschlossen ist, wenn aufgrund von behördlichen Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz die Bewegungsfreiheit und die zwischenmenschlichen Kontakte eingeschränkt sind. Die Bestimmung ist am 18. April in Kraft getreten.

Digitale Anwendungen und letztlich ihr Erfolg sind von einem magischen Viereck abhängig. Sie müssen erstens technologisch möglich sein, sie müssen gesetzlich umsetzbar sein, und dann muss es den Wunsch der potenziellen Nutzer geben und einen politischen Willen, das umzusetzen.

Digitale Instrumente werden wichtiger werden

Wir hoffen zwar alle, dass auch diese Krise ohne größere Nachwirkungen vorbeigehen wird, aber es wird bestimmt kein Spaziergang werden. Doch wir sind durch diese Krise auf viele digitale Stützen unseres Gemeinwesen, unseres Bildungssystems und unserer Wirtschaft aufmerksam geworden – und was wir uns wünschen können, ist, dass wir in unserem Staat und unserem gesellschaftlichen Leben in Zukunft verstärkt digitale Instrumente für Partizipation, Kooperation, Transparenz bzw. für Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit einsetzen können.