Andrea Kaufmann und Erwin Dirnberger
Nachdem Alfred Riedl seine Funktion als Präsident des Gemeindebundes ruhend gestellt hatte, sprangen die beiden Vizepräsidenten Andrea Kaufmann und Erwin Dirnberger ein.

„Flexibilität ist sicher das Um und Auf für den Job“

Rund um die Wahl des mittlerweile siebenten Präsidenten des Österreichischen Gemeindebundes sind die beiden Vizes, die für ein dreiviertel Jahr die „Geschicke der Gemeinden geleitet“ haben, etwas untergegangen. KOMMUNAL hat mit ihnen gesprochen.

Für alle Seiten überraschend kam das „Ruhigstellen des Mandats“ im Spätsommer 2023 durch Gemeindebundpräsident Alfred Riedl. Seine Vizes mussten einspringen. Was waren Ihre ersten Gedanken?

Andrea Kaufmann: Alfred Riedl hat mich angerufen und mich gebeten, seine Funktion interimistisch gemeinsam mit Erwin Dirnberger zu übernehmen. Da blieb keine Zeit viel zu überlegen, am selben Tag wurde der Vorschlag noch im Präsidium präsentiert und beschlossen. Im ersten Moment musste ich schon mal durchatmen. Aber für mich war eigentlich sofort klar, dass diese Entscheidung jetzt notwendig und gut ist, und Erwin und ich das gemeinsam schaffen werden – und geschafft haben, wie sich gezeigt hat. 

Erwin Dirnberger: Für uns alle ist die Nachricht von Alfred Riedls Ruhendstellung des Amtes sehr überraschend gewesen. Er hat mich in einem Telefonat über seine Entscheidung informiert und mich gebeten, die Aufgabe gemeinsam mit Andrea Kaufmann zu übernehmen. Ich habe da ehrlich gesagt nicht lange überlegt, mir war in dem Moment klar, wir müssen jetzt Verantwortung übernehmen. Und das haben wir getan.

Das Ganze geschah mitten in der heißen Phase der Verhandlungen zum FAG. Wie schnell kann man hier einspringen? Oder sind solche Verhandlungen für Sie als Präsident/in eines Landesverbandes eine gewohnte Sache?

Andrea Kaufmann: Nachdem ich als Vizepräsidentin des Österreichischen Gemeindebundes Alfred Riedl in anderen Terminen auch immer wieder vertreten habe, war es für mich jetzt kein Problem, diese Rolle für den Gemeindebundes zu übernehmen. Natürlich war das eine enorme zeitliche Zusatzbelastung, aber auf ein halbes bis dreiviertel Jahr begrenzt. Was die FAG-Verhandlungen betrifft, war hier natürlich vor allem die Rolle auf Bundesebene spannend. Man kennt die Verhandlungen für die Gemeinden im Land. Aber auf Bundesebene ist das schon eine neue Erfahrung. Da mussten wir uns erst einmal hineinfinden. Aber am Ende haben wir ein respektables Ergebnis für die Gemeinden erzielt. Da bin ich schon auch stolz drauf.

Erwin Dirnberger: Ich habe Alfred Riedl im Laufe meiner Funktion als Vizepräsident natürlich des Öfteren bei Terminen vertreten. Aber die FAG-Verhandlungen hat bis jetzt immer Alfred Riedl geführt. Von daher war das für uns schon ein Stoß ins kalte Wasser. Ich habe natürlich auch Erfahrungen als Landespräsident und Landtagsabgeordneter, wenn es um Finanzverhandlungen für die Gemeinden auf Landesebene geht. Aber das kann man mit der Bundesebene und dem Finanzausgleich nicht vergleichen. Da sitzen andere Player mit unterschiedlichsten Interessen und eigenen Spielregeln am Tisch. Das war eine sehr spannende Erfahrung. Wir haben bis zum Schluss sehr hart verhandelt, es stand kurz vor der Unterzeichnung sogar noch eine Absage des Gemeindebundes im Raum. Dann ist es aber schnell gegangen, unsere Forderungen wurden akzeptiert und wir können uns über ein gutes Ergebnis für die Gemeinden freuen.  

Zudem hat man feststellen müssen, dass die Statuten des Gemeindebundes im Grunde nicht mehr zeitgemäß waren (im Wesentlichen stammen die ja aus den Anfangsjahren Ende der 1940er Jahre) …

Andrea Kaufmann: Wie bereits erwähnt, war die Zeit an der Spitze des Österreichischen Gemeindebundes eine sehr lehrreiche Erfahrung. Natürlich war uns nicht bewusst, was da alles auf uns zukommt. Aber manchmal ist es ganz gut, wenn frischer Wind in eine Organisation kommt und Strukturen hinterfragt bzw. erneuert werden. Diese Chance haben wir auch für das Statut ergriffen und ich denke, wir haben damit eine gute, zeitgemäße Regelung geschaffen.

Erwin Dirnberger: Die Situation mit der Ruhendstellung des Amtes war für uns auch neu und so in unseren Statuten auch nicht unmittelbar vorgesehen. Aber es war die beste und flexibelste Lösung in der kurzen Zeit. Natürlich hat dieser Anlass das Präsidium auf den Plan gerufen, die Strukturen zu überdenken. Gemeinsam haben wir rasch eine neue Lösung erarbeitet und haben jetzt ein modernes, krisentaugliches Statut.

Wie sind sie mit dieser unerwarteten Mehrfachbelastung umgegangen?

Andrea Kaufmann: Als Politikerin ist man es gewohnt, flexible Entscheidungen zu treffen, oder unerwartete Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen. Ich denke, das macht uns als Politiker auch aus: Da zu sein und Verantwortung zu übernehmen, wenn es gefragt ist. Natürlich war es für mich eine deutliche Zusatzbelastung. Ich bin Bürgermeisterin einer 50.000 Einwohner-Stadt, Präsidentin des Vorarlberger Gemeindeverbandes und nebenbei Mutter von vier Kindern. Ohne die gute Mitarbeit und Unterstützung meiner Teams im Gemeindeverband, in der Stadt, aber auch im Gemeindebund wäre das nicht möglich gewesen. Dadurch, dass die Aufgabe interimistisch war, konnte ich mich besser darauf einstellen, auch wenn ich zeitweise an meine Grenzen gekommen bin. Auf Dauer hätte ich das Amt jedenfalls nicht übernommen, das habe ich auch klargestellt.

Das macht uns als Politiker aus: Da zu sein und Verantwortung zu übernehmen, wenn es gefragt ist.

Erwin Dirnberger: Nachdem ich Bürgermeister, Landtagsabgeordneter und Gemeindebund-Präsident in der Steiermark bin, war die zusätzliche Funktion auf Bundesebene eine zusätzliche zeitliche Komponente, wo gute Terminkoordination und Flexibilität gefragt waren. Im Rückblick habe ich alles gut managen können, auch wenn die Zeit für Erholung knapp war. Wie in allen Bereichen war für mich aber die Unterstützung meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, egal ob in der Gemeinde, im Gemeindebund oder in Wien enorm wichtig. Sie haben unsere Arbeit wirklich gut begleitet und unterstützt. Und natürlich war die zeitliche Begrenzung auf ein halbes bis dreiviertel Jahr eine Perspektive, die man sich gut einteilen konnte.

Helmut Mödlhammer hat einmal von der „vielgerühmten Flexibilität des Kommunalpolitikers, der mit allen Widrigkeiten fertig wird“ gesprochen. Sehen Sie das als Musterbeispiel für diese Flexibilität? Braucht es das, um als Kommunalpolitiker erfolgreich zu sein?

Andrea Kaufmann: Wenn man als Politikerin nicht flexibel ist, ist man im falschen Job. Gerade als Bürgermeisterin wird man jeden Tag mit Herausforderungen konfrontiert, die man nicht planen oder vorhersagen kann, da muss man rasch handeln und flexibel sein. Denken Sie nur an Unfälle, Hochwasser- oder Schneekatastrophen, an die Pandemie oder andere unvorhersehbare Ereignisse. Da kann man nicht stundenlang überlegen, da muss man sofort handeln und als Krisenmanager für die Bevölkerung da sein. Und das können Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sicher sehr gut, weil sie unmittelbar vor Ort, 24/7 für die Bevölkerung da sind. Und das ist gut so.

Natürlich geht das nicht alleine. Da kommt man sehr schnell an seine Grenzen. Wichtig ist ein gutes, eingespieltes, verlässliches und ebenso flexibles Team, das einen unterstützt. Flexibilität ist für mich die Grundvoraussetzung für das Bürgermeisteramt. Ohne diese Eigenschaft ist es schwierig.

Erwin Dirnberger: Flexibilität ist sicher das Um und Auf für den Job als Bürgermeister. Zumindest ist man jeden Tag gefordert, flexibel zu sein. Deswegen muss man diese Charaktereigenschaft schon für das Amt mitbringen, sonst wird es schwierig. Es ist für den Job aber auch erforderlich: Kein Tag ist planbar im Gemeindegeschehen, man wird jeden Tag erneut herausgefordert.

Kein Tag ist planbar im Gemeindegeschehen, man wird jeden Tag erneut herausgefordert.

Dafür gibt es kein Handbuch. Das einzige, was zählt, ist für die Menschen da zu sein, authentisch, ehrlich und verlässlich zu sein. Das schätzen die Bürgerinnen und Bürger an ihren Bürgermeistern. Egal, welches Thema sie haben, welche Unterstützung sie brauchen, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind für sie da, Tag und Nacht. Nicht umsonst sind die Umfragewerte für die Gemeindechefs stabil hoch. Die Bürgerinnen und Bürger schätzen die Arbeit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Und wenn sie unzufrieden sind, hört man die Kritik am Stammtisch, auf dem Pfarrplatz, beim Elternabend oder wird früher oder später abgewählt.