Rund 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen Anfang Oktober an der Europäischen Woche der Regionen und Städte teil, die dieses Jahr unter dem Motto „Neue Herausforderungen für den Zusammenhalt in Europa“ stand. Das große Publikumsinteresse belegt die Bedeutung dieser Veranstaltung als größte interaktive Plattform für Fachvorträge, den Wissens- und Meinungsaustausch und die Vorstellung von Projekten.
© Nicolas Lobet

EU

Europas Regionen stellen sich den Krisen

Die Europäische Woche der Regionen ist Jahr für Jahr das größte Event in ­Brüssel, das der Kohäsionspolitik gewidmet ist, also jenen Bestrebungen und Aktivitäten, die die Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen innerhalb der EU verringern und deren Zusammenhalt stärken sollen.

Was vielen nicht bewusst ist: Der Köhasionspolitik ist ein ganz erheblicher Teil (31 Prozent) des Gesamtbudgets der EU zugeteilt. Als ungefähre Faustregel kann man sich merken: Ein Drittel der EU-Gelder geht in den Agrarbereich, ein weiteres Drittel in die Kohäsionspolitik und mit dem letzten Drittel müssen sämtliche anderen Bereiche auskommen. 

Während der Woche der Regionen tagte auch der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR), die Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter:innen der Europäischen Union, in deren Präsidium mit Carmen Kiefer, der Vizebürgermeisterin von Kuchl (Sbg.), übrigens erstmals eine Österreicherin als Vertreterin der Kommunen sitzt.

Die Schwerpunkte der Regionen-Woche lagen eigentlich auf der digitalen Transformation, dem ökologischen Wandel und dem territorialen Zusammenhalt.

Tatsächlich standen sämtliche Veranstaltungen unter dem starken Eindruck der aktuellen Krisen. Unmittelbar zuvor wurde die Krim-Brücke beschädigt und während die Vertreter der Regionen und Kommunen tagten, verfolgten sie parallel auf ihren Smartphones die Berichterstattung über die laufenden Wellen von Drohnen-Attacken auf die Ukraine.

Zwar sind die Nachwehen der Covid-19-Pandemie noch keineswegs abgeklungen und ihre Aufarbeitung steht noch am Anfang, dennoch rückte die Aktualität der Kriegsereignisse deren Auswirkungen in den Mittelpunkt – auch weil der Ukraine-Krieg einen maßgeblichen Einfluss auf weitere aktuelle Krisen hat, von der Energiekostenexplosion über Lieferkettenprobleme bis hin zur Inflationskrise. Und dann wäre da ja noch der Klimawandel, der alleine für sich schon Herausforderung genug wäre. 

Vasco Alves Cordeiro und Elisa Ferreira, EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen,
Vasco Alves Cordeiro und Elisa Ferreira, EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen, stellen sich den Fragen auf der Bühne der 20. Woche der Regionen. Foto: Nicolas Lobet

Empfehlungen für den Wiederaufbau in der Ukraine

Der AdR hat seine volle Unterstützung für die Ukraine zum Ausdruck gebracht und in der Plenarsitzung ein weitreichendes Empfehlungs- und Maßnahmenpaket beschlossen, um sicherzustellen, dass die Kommunen und Regionen der EU eng in den Wiederaufbau der Ukraine eingebunden werden. Dabei betonte der AdR, dass besonders darauf zu achten sei, dass der Wiederaufbau auch den Wandel der Ukraine hin zu einer grüneren und nachhaltigeren Wirtschaft beschleunigt.

Zu diesem Zweck hat der Ausschuss auch gemeinsam mit Partnerorganisationen auf lokaler und regionaler Ebene eine Allianz ins Leben gerufen, damit die Städte und Regionen ihren Beitrag leisten können, um der Ukraine bestmöglich zu helfen. 

Aufruf zum Klimaschutz

Hinsichtlich der Herausforderungen des Klimawandels erneuerte der AdR seinen Aufruf an Regierungen auf subnationaler Ebene, eine stärkere Rolle in den Verhandlungen zu globalen Klimamaßnahmen und bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens einzunehmen. Das höchste EU-Gremium der lokalen und kommunalen Volksvertreter warnte davor, die globalen Klimaziele der EU aufgrund der Energiekrise zu vernachlässigen oder in den Hintergrund treten zu lassen. 

Ukraine-Krieg wirkt sich aus

Auch kam man im Plenum zur kollektiven Feststellung, dass Europa eine stärkere, moderne und einfachere Kohäsionspolitik benötigt, um die wachsenden Ungleichheiten zu kompensieren.  

Die Diskussionsgrundlage dazu war topaktuell, da unmittelbar zuvor der EU-Jahresbericht zur Lage der Städte und Regionen veröffentlicht wurde.

Der Bericht zeigt beispielsweise, dass der Druck aufgrund des Ukraine-Krieges in den östlichsten Regionen der EU weit ­stärkere Auswirkungen entfaltete und in den direkt angrenzenden Regionen die stärksten Rückgänge der Bruttoinlandsprodukte verursacht.

Die Daten des Berichts zeigen auch, dass die Regionen im Süden der EU weitaus härter von den Pandemieauswirkungen getroffen wurden als der Norden oder Osten. Erste Auswertungen der Aufbau- und Resilienzfazilität belegen, dass ihre Ausgabenmuster die territorialen Unterschiede in der EU vergrößern könnten. Dies würde den Bemühungen der Kohäsionspolitik teilweise zuwiderlaufen. Nicht überraschend, aber datentechnisch wohlfundiert weist der Bericht auch nach, welche Gefahr an Naturkatastrophen den lokalen Gemeinschaften in der EU durch Untätigkeit angesichts der Klimakrise drohen. Zugleich rückt der Bericht die Gefahren für das soziale Gefüge innerhalb der EU in den Fokus. 

Was Österreichs Regionen bewegt

Der AdR-Bericht umfasst auch ein regionales und lokales Stimmungsbarometer, das Aufschluss darüber gibt, welche Themen in Österreichs Regionen besonders bewegen. Bei der Frage, wo die Städte und Regionen mehr Einfluss auf die Entscheidungsfindung in der EU bekommen sollten, sind den Österreichern unter anderem die Migration, die Rechtsstaatlichkeit, die Demokratie und der digitale Wandel überdurchschnittlich wichtig. Bei Klimakrise, Bildung, Kultur, Gesundheit oder dem Stärken der Wirtschaft möchten sich Österreichs Regionalvertreter hingegen im Schnitt weniger einbringen als ihre Kollegen aus anderen EU-Staaten. 

Die wichtigsten Ziele für EU-Förderungen auf regionaler und lokaler Ebene sehen die Österreicher beim Abfangen der Auswirkungen des Klimawandels und der steigenden Energiepreise, und zwar deutlich stärker als Vertreter anderer Regionen.

Dem Fördern des ökologischen Wandels räumen sie hingegen etwas weniger Priorität ein als der EU-Schnitt, den Investitionen in moderne Transportmittel sogar signifikant weniger. In Summe fordern die heimischen Regionalvertreter aber mehr Mitsprache der Regionen und Kommunen als ihre Kollegen in den anderen EU-Staaten.