Karina Konrad
„Bei uns gibt es keine Österreicher oder Deutschen. Wir sind alle Jungholzer!“ Karina Konrad, beschreibt das Selbstverständnis der Einwohner in der Gemeinde mit dem bundesweit höchsten Ausländeranteil.
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Die Bürgermeisterin in der Exklave

Karina Konrad ist Bürgermeisterin der Exklave Jungholz. Die Gemeinde im Allgäu ist praktisch komplett von Deutschland umschlossen. Das bringt etliche Besonderheiten mit sich.

Wenn Karina Konrad erzählt, wie sie Bürgermeisterin wurde, klingt das nach einem dieser Zufälle, die das Leben manchmal bereithält. Bei einer Veranstaltung sprach der damalige Ortschef sie an und fragte, ob sie nicht für das Amt kandidieren wolle. Sie willigte ein. Das war im Frühjahr 2016. Seither führt sie eine der außergewöhnlichsten Gemeinden Österreichs – Jungholz, die österreichische Exklave mitten in Bayern, die nur über deutsches Staatsgebiet erreichbar ist und nur rund 300 Einwohner zählt.

Jungholz
 Blick von Nordosten auf das winterlich verschneite Jungholz. Foto: ChrisE

Geboren wurde Karina Konrad zwar im Krankenhaus von Kempten, über der Grenze. In Jungholz wuchs sie aber auf und hier kennt sie jeden Winkel. Nach der Schule stand sie vor einer Entscheidung: Fremdsprachenkorrespondentin werden, mit Italienisch und Englisch, was allerdings den Umzug in eine größere Stadt bedeutet hätte. Oder eine Banklehre im nahen Allgäu. Ihre Eltern waren damals noch nicht bereit, ihre 16-jährige Tochter in die weite Welt ziehen zu lassen. Also begann Karina Konrad 1991 ihre Ausbildung zur Bankkauffrau, bildete sich zur Bankbetriebswirtin weiter und leitete später das Vertriebsmanagement. Eine solide Karriere im Finanzwesen – und doch kam alles anders.

Karina Konrad
Es ist eine Herausforderung, genug Staatsbürger auf die Einheitsliste zu bekommen, da nur diese auch Bürgermeister, Vizebürgermeister und Gemeindevorstand werden können, erklärt Karina Konrad. Foto: Jürgen Konrad

Heute, knapp zehn Jahre nach ihrem Amtsantritt, blickt die Bürgermeisterin auf eine bewegte Zeit zurück. Während ihrer Amtszeit wurde sie Mutter – wahrscheinlich war sie die erste schwangere Bürgermeisterin im Land Tirol, wie sie schmunzelnd anmerkt. Ihre siebenjährige Tochter lässt momentan zwar weniger Zeit für ihre große Leidenschaft, das Mountainbiken, dafür erlebt die Ortschefin aber hautnah, wie gut Schule und Kindergarten in Jungholz funktionieren. 

18 Kinder besuchen derzeit die Volksschule, 12 den Kindergarten – eine beachtliche Zahl für den kleinen Ort. Bemerkenswert dabei: Auch Kinder aus der deutschen Nachbargemeinde Unterjoch gehen in Jungholz zur Schule, seit dort vor Jahren die eigene Schule geschlossen wurde. Aktuell sind es zwei Kinder aus Deutschland, 16 stammen aus Jungholz selbst. Das Durchschnittsalter der Gemeinde liegt bei 48 Jahren – keine Überalterung, sondern ein guter Querschnitt durch alle Generationen.

Sorgschrofen
Der Sorgschrofen ist 1.636 Meter hoch und gehört zu den Allgäuer Alpen. Er ist der Hausberg der Jungholzer und an seinem Grat befindet sich der einzige Berührungspunkt mit dem restlichen österreichischen Staatsgebiet.  Foto: Kauk0r CC BY-SA 3.0

Die geografische Besonderheit von Jungholz prägt den Alltag auf vielfältige Weise. Die Gemeinde liegt wie eine Insel im deutschen Staatsgebiet, nur über einen Berggipfel mit Österreich verbunden. Von den rund 300 Einwohnern besitzen lediglich 91 die österreichische Staatsbürgerschaft – weniger als ein Drittel. Die übrigen sind Deutsche, doch für Karina Konrad spielt das keine entscheidende Rolle. „Alle Leute, die da sind und sich im Ort einbringen, sind Jungholzer“, betont sie. Nationalstolz oder Abgrenzung sind ihr fremd. Diese Sonderstellung ihres „kleinen gallischen Dorfes“, wie sie es gerne nennt, sei etwas Besonderes, zu dem man stehe und das man möge.

Die Corona-Zeit war für Jungholz besonders schwierig

Die enge Verflechtung mit Deutschland zeigte sich besonders drastisch während der Corona-Pandemie. Jungholz stand in einer völlig anderen Situation da als der Rest Tirols oder Österreichs. Es gibt kein Lebensmittelgeschäft im Ort – wer einkaufen will, muss ins benachbarte Allgäu fahren. Viele Einwohner pendeln zur Arbeit nach Deutschland.

Als die Lockdown-Regelungen kamen, war das für Jungholz existenziell problematisch. Karina Konrad fand deutliche Worte gegenüber dem damaligen Landesrat: Entweder müsse er sie als Bürgermeisterin entlassen oder sie handle nach eigenem Ermessen. Die Auspendler hätten ganz andere Situationen gehabt, die Menschen hätten ins Allgäu fahren müssen, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen. Diese Zeit sei eine sehr große Herausforderung gewesen, eine der schwierigsten ihrer Amtszeit.

Herausfordernd war auch der Kampf um den Erhalt des Skigebiets. Das ist zweifellos ein emotionales Thema, das den Ort bewegt hat. Nicht jeder Bürger habe nachvollziehen können, warum die Gemeinde zumindest versuchen 
wollte, die Anlagen zu retten. 

Persönliche Enttäuschungen gehören zum Amt dazu, räumt Karina Konrad ein. Als Beispiel kommen ihr Menschen in den Sinn, von denen sie meinte, gut mit ihnen auszukommen, die dann aber nicht zwischen Privatperson und Amtsträgerin unterscheiden konnten und unterschwellige Angriffe starteten. „Ja, also das sind so Phasen, wo du da echt denkst: Muss ich mir das wirklich antun?“, sagt sie ehrlich. Glücklicherweise seien das aber nur punktuelle Erfahrungen und kein Dauerzustand.

Pfarrkirche Jungholz
Das Ortszentrum von Jungholz ist beschaulich.  Aktuell leben rund 300 Personen in der Gemeinde. Nur 91 davon sind österreichische Staatsbürger. Foto: SchiDD CC BY-SA 4.0

Weitaus erfreulicher verlief das große Infrastrukturprojekt der vergangenen Jahre: der Breitbandausbau mit Glasfaserverlegung. Die Planung begann bereits 2018, über drei bis vier Jahre zog sich die Umsetzung hin. Heute ist eine Ausbauquote von 95 bis 98 Prozent erreicht. Nur eine kleine Strecke fehlt noch. Im Zuge der Arbeiten wurden auch die Stromleitungen von den Masten in den Boden verlegt – gemeinsam mit dem Allgäuer Netzbetreiber. 

Möglich wurde dieser Kraftakt nur durch die enge Kooperation mit den Gemeinden im Tannheimer Tal, zu dessen Planungsverband Jungholz gehört. Die Hauptleitung wurde durch den Abwasserverband Tannheimer Tal gebaut, sonst wäre das Projekt nicht zu stemmen gewesen. Natürlich brauche man österreichische Netze, um österreichische IP-Adressen zu haben, erklärt die Bürgermeisterin. Im Vergleich zu anderen Gemeinden in der Region ist man nun gut aufgestellt.

Zur Person
Karina Konrad

Alter: 50
Gemeinde: Jungholz
Einwohnerzahl: 299 (1. Jänner 2025)
Bürgermeisterin seit: 14. März 2016
Partei: Gemeinsam für Jungholz

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