Flaggen Österreichs und der EU
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Wahnsinn! Wir sind schon 30 Jahre in der EU!

Als Österreich über den EU-Beitritt abstimmte, durfte ich noch nicht wählen. Ich erinnere mich aber an Debatten über Blattlausjoghurt und Blutschokolade. So was bleibt hängen. So wie alles Negative hängen bleibt. Dennoch wurde für den Beitritt gestimmt. Die sachliche Information und die Aussicht auf Teilnahme am Binnenmarkt inklusive Mitbestimmung haben die Mehrheit überzeugt.

Heutzutage scheint die sachliche Auseinandersetzung mit der Europäischen Union und ihren Gesetzesvorschlägen nicht mehr in der breiten Öffentlichkeit, sondern in geschützten Blasen stattzufinden. Die sind gut informiert und versuchen beherzt, Europa nach außen zu transportieren. Dort dominiert dann aber die Überschrift „EU-Wahnsinn“. Diskutiert wird auf der emotionalen, nicht auf der sachlichen Ebene. Durchaus auch in der Politik.

Aber heißt das, jede „ordentliche“ Debatte über die EU sollte langweilig sein? Ich glaube nicht. Ich finde Emotionen gut. Zum Beispiel das Gefühl, Teil der EU zu sein. Die Reisefreiheit zu genießen, den Ärger über Wechselkurse und Kopfrechnen im Urlaub hinter sich zu lassen, die freudige Erinnerung an den Erasmus-Aufenthalt. Wenn man so nachdenkt, gibt es sicher viele positive Emotionen, die im weitesten Sinn auf die EU-Mitgliedschaft zurückzuführen sind.

Daher eine Lanze für die EU! Für eine Gemeinschaft aus 27 Ländern und 450 Millionen Bürgern, für die Reisefreiheit, die einheitliche Währung, den Binnenmarkt und für viele Dinge, die Europa auch in die Gemeinden und ­Regionen gebracht hat. Für diesen Spagat von Estland bis Portugal, von Lappland bis Sizilien. Für eine Union aus föderalen und Zentral-Staaten, Ärmeren und Reicheren, Großen und Kleinen. Letztlich hält sie und rauft sich zusammen. Wahnsinn, diese EU!

20 von diesen 30 Jahren EU-Mitgliedschaft darf ich für den Gemeindebund in Brüssel arbeiten. Ich habe viele Entwicklungen und Gesetzgebungsprozesse erlebt, die für die Gemeinden unmittelbar wichtig sind. Das meiste ist nicht einfach mir nichts, dir nichts umzusetzen. Es kostet Expertise, Geld, Anstrengung. 

Zugegeben, vieles ist in den letzten Jahren übers Ziel hinausgeschossen. Hier muss sich vor allem das EU-Parlament an der Nase nehmen und aufhören, Partikularinteressen vor das Allgemeinwohl zu stellen. Es braucht wieder bessere Realitätschecks. Klimaschutz ist und bleibt wichtig. Aber diesen mit detailverliebten Berichterstattungspflichten und EU-Vorgaben bis hinunter zum kleinsten Unternehmen, zur kleinsten Gemeinde erreichen zu wollen, schlägt leider ins Gegenteil um.

Die Europäische Union ist nicht perfekt. Aber sie ist lernfähig. Sie erscheint weit entfernt. Aber das stimmt nicht. 
Gerade heuer haben sich besonders viele Kommunalpolitiker:innen ein persönliches Bild vor Ort gemacht, in Straßburg und Brüssel. 

Sie haben hoffentlich ein paar positive Eindrücke und Emotionen mitgenommen, um zu Hause zu sagen: „Wahnsinn, diese EU!“ 

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