Glasfaserkabel durchschnitten
Das Glasfasernetz soll für alle Anbieter und Netzbetreiber offen und neutral zugänglich sein.
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Digitale Zukunft nach hinten verschoben

6. Dezember 2018
In den vergangenen Monaten wurde auf Bundesebene die Novelle des Telekommunikationsgesetzes diskutiert und kürzlich beschlossen. Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl ortet im neuen Gesetz vertane Chancen, den flächendeckenden Glasfaserausbau in Österreich rasch in die richtige Zukunft zu führen. Für KOMMUNAL nahm sich der oberste Bürgermeister Österreichs Zeit für ein Gespräch.

KOMMUNAL: Österreich ist – bezogen auf den Glasfaserausbau – Schlusslicht in der EU. Der Gemeindebund hat am Gemeindetag in Dornbirn gefordert, den Breitbandausbau als Bestandteil der Daseinsvorsorge zu sehen, was in der jetzigen Novelle des Telekommunikationsgesetzes nicht berücksichtigt wurde. Was kritisieren Sie am jetzigen Gesetz?

Alfred Riedl: Es ist nicht die umfassende Strategie, die wir alle erwartet hätten. Diese Novelle ist von einem großen Wurf weit entfernt und verfolgt keinen Plan, außer das besser vermarktbare 5G-Modell.

Wir wollten einen großen Plan, der den flächendeckenden Glasfaserausbau besser koordiniert. Nun soll die schnellere Mobilverbindung vor flächendeckender Nachhaltigkeit gehen. Während viele Regionen noch mit Funklöchern leben müssen und 3G-Mobil-Verbindungen nur vom Hörensagen kennen, redet der Bund von 5G und verspricht Betreibern Leitungsrechte, die es ihnen ermöglicht, auf öffentlichen Gebäuden Kleinantennen anzubringen, die wir Gemeinden dulden müssen.

Wir werden auch hier wieder Rosinenpickerei erleben, denn 5G lässt sich auch nur dort anbieten, wo Glasfaser bereits flächendeckend verlegt wurde. Der aktuell laufende 5G-Test auf dem Wiener Christkindlmarkt beim Rathaus ist für mich ein Zeichen, wo die Reise hingeht.

Das Thema Abwanderung wurde erst kürzlich wieder in den Medien diskutiert bzw. mit neuen Zahlen untermauert. Sie meinen, Glasfaser könne die Abwanderung verhindern? Warum?

Klar ist, Glasfaser alleine schützt nicht vor Abwanderung, aber schnelles, zukunftsfähiges Internet ist nicht nur eine Zukunftsfrage für alle Gemeinden, sondern eine wesentliche Schlüsselinfrastruktur und damit wichtiges Element der Daseinsvorsorge, dessen Ausbau die öffentliche Hand koordinieren sollte, damit auch die Bewohner der ländlichen Regionen vielfältige Chancen haben.

Sicher ist aber, dass es neben der digitalen Infrastruktur und Arbeitsplätzen in der Region auch eine gute öffentliche Verkehrsanbindung, leistbaren Wohnraum, medizinische Versorgung, Kinderbetreuung und Freizeitangebote braucht, damit junge Leute in den ländlichen Regionen bleiben bzw. wieder zurückkommen.

Warum machen Sie sich für Breitband als Daseinsvorsorge stark und was erhoffen Sie sich dadurch?

Am Gemeindetag haben wir mit der Rückendeckung unserer Bürgermeister das Thema digitale Infrastruktur zum Haupt- und Zukunftsthema der Gemeinden gemacht, weil wir in den letzten Jahren einfach gesehen haben, dass das, was sich der Bund vorgenommen hat, nicht funktioniert hat. Die Gemeinden und Regionen in ganz Österreich brauchen Glasfaser, genauso wie Wasser, Strom und Kinderbetreuung.

Das bedeutet?

Die digitale Infrastruktur ist sozusagen die Straße der Zukunft – schnelle und leistungsfähige Verbindungen aus allen Regionen Österreichs in die ganze Welt sind überlebensnotwendig.

Damit der Ausbau der Infrastruktur schnell vonstatten geht, sagen wir: das Glasfasernetz gehört in die öffentliche Hand, wie Wasser-, Kanal- und Stromnetz. Wir brauchen den koordinierten Ausbau, auch für die 5G-Technologie, die ja siebenmal so viele Antennen als heute braucht und überall Glasfaseranbindung voraussetzt. Sonst schaffen wir nie den Innovationssprung nach vorne in eine digitalisierte Zukunft.

Was erwarten Sie sich davon, wenn die öffentliche Hand den Glasfaserausbau koordiniert?

Bisher funktioniert der Ausbau nur dort, wo es sich für Private lohnt. Wer weiter weg liegt von den urbanen Gebieten schaut in Zukunft durch die Finger. Die digitale Kluft zwischen Stadt und Land muss damit vermieden werden, Glasfaser als wesentliche Schlüsselinfrastruktur ist zur Verfügung zu stellen, damit auch der ländliche Raum Chancen hat.

Welche weiteren Schritte erwarten Sie sich?

Nun, zuerst braucht es ein gemeinsames politisches Verständnis dafür, dass Glasfaseranschlüsse für alle Haushalte in allen Regionen notwendig sind. Periphere Gebiete – also Regionen, die außerhalb der urbanen Gebiete liegen - können wir zwar kurzfristig mit Übergangstechnologien (Bsp.: 5G) versorgen, mittelfristig brauchen wir aber aufgrund der immer größer werdenden Datenmenge auch in den ländlichen Regionen Glasfaseranschlüsse bis zu den Haushalten.  

Alfred Riedl
Alfred Riedl: „Zuerst braucht es ein gemeinsames politisches Verständnis dafür, dass Glasfaseranschlüsse für alle Haushalte in allen Regionen notwendig sind,“

Wie würden Sie den Ausbau organisieren?

Das Glasfasernetz muss offen und neutral zugänglich sein, für alle Anbieter und Netzbetreiber. Wir stellen uns das System so vor, wie beim Stromnetz, wo es einen Netzbetreiber gibt und verschiedenste Anbieter Strom über das selbe Netz „verkaufen“ können. Dabei soll die öffentliche Hand, oder Unternehmen der öffentlichen Hand, diese Netze betreiben und dafür Netzgebühren verlangen.

Wir müssen zu Beginn auch ein Infrastrukturziel festlegen, mit einem Ausbauplan für jede Gemeinde und der Vereinbarung, dass neue Netze neutral und offen sein müssen, damit wir doppeltes Vergraben verhindern.

Was schätzen Sie, wieviel der Ausbau kosten würde?

Experten meinen, der flächendeckende Ausbau in Österreich würde etwa zehn Milliarden Euro kosten. Wir werden also dazu einen „Glasfaser-Pakt“ brauchen, wo wir gemeinsam festlegen, wie viel die Gebietskörperschaften für ein öffentliches Netz beitragen können und wie wir die Abwicklung des Ausbaus koordinieren.

Wichtig ist, dass wir in die Zukunft schauen: Heute reicht vielen Haushalten noch die Datenmenge, die über die alten Kupferkabel verschickt werden. Durch technische Maßnahmen werden die Bandbreiten auf 30-100 Mbit/sek. zwar verbessert, aber dieses Netz hat seine Grenzen.