Walter Leiss
„Offenbar hat sich in Österreich die – auch in anderen Bereichen vorherrschende – Meinung durchgesetzt, dass die Gemeinden mit der Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensraumes, ausgedrückt durch die Flächenwidmung, überfordert wären. Das mit einer derartigen Vorgangsweise keine Beschleunigung der Verfahren erreicht werden kann, liegt auf der Hand“, kritisiert Walter Leiss.
© Philipp Monihart

Der Weg zur Energiewende. Ohne Gemeinden?

Schon seit Jahren - wenn nicht Jahrzehnten – werden wir auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam gemacht und wird uns die Notwendigkeit einer Energiewende vor Augen geführt. Auf die Erzeugung und den Verbrauch von Energie entfallen mehr als 75 Prozent der Treibhausgasemissionen der EU. Zur Erreichung der Klimaziele für 2030 und der Klimaneutralität bis 2040 muss daher das Energiesystem der EU (und daher auch Österreichs) unbedingt dekarbonisiert werden. Die EU-Kommission hat einen europäischen Green Deal konzipiert, der die Treibhausgasemissionen verringern soll. Neben dem Vorrang für Energieeffizienz und der Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz unserer Gebäude kommt der Entwicklung eines überwiegend auf erneuerbaren Energiequellen basierenden Energiesektors besondere Bedeutung zu.

Mit nationalen Strategien wird dieser Prozess auf nationaler Ebene transformiert und Ziele erarbeitet. Beispielsweise sollen in den nächsten zehn Jahren 27 Terrawattstaunden (TWh) erneuerbare Energie durch Windkraft, Photovoltaik, Wasserkraft und Biomasse zusätzlich bereitgestellt werden. Das sind ambitionierte Ziele, die sicherlich einen Beitrag zur Dekarbonisierung des Energiesystems leisten können. Zum derzeitigen Zeitpunkt kann man aber weder sagen, ob diese Ziele erreichbar sind, noch ob sie ausreichen. 

Erforderliche Netzinfrastruktur fehlt

Am Samstag, den 11. März 2023, titeln die „Oberösterreichischen Nachrichten“: „Strom aus Wasser, Sonne und Wind: Österreich erzeugt weniger statt mehr.“ Derzeit rücken die hochgesteckten Ziele für den Ausbau von grünem Strom bis 2030 in weite Ferne, da etliche Projekte an den Behördenauflagen und dem Argument „Landschaftsbild“ scheitern. Statt von 2020 bis jetzt eine Kapazität von 5,4 TWh aufgebaut zu haben, ist die Produktion um 5 TWh gesunken.

Außerdem stecken viele nachhaltige Lösungen in der Genehmigungsschleife. Zusätzlich sind auch die schlechte Wasserführung und die niedrigen Pegelstände der Flüsse, durch die die Produktion von Wasserstrom zurückgegangen ist, und die langwierigen Verfahren für den Um- oder Neubau von Wasserkraftwerken speziell Pumpspeicherkraftwerke, Photovoltaik und Windkraftanlagen, Gründe für den schleppenden Ausbau.

Daneben darf aber nicht vergessen werden, dass die für die Umstellung der Energieerzeugung, die künftig viel dezentraler erfolgen soll als bisher, erforderliche Netzinfrastruktur fehlt. Ohne den raschen Ausbau überregionaler und regionaler Netze wird die erforderliche Netzstabilität nicht gewährleistet werden können.

Der Netzausbau erfordert neben den Leitungen auch eine Vielzahl von Transformatoren, die derzeit schlichtweg nicht erhältlich sind. Dem hat man in der Vergangenheit offenbar nicht das notwendige Augenmerk und die erforderliche Bedeutung beigemessen. Die bloße dezentrale dekarbonisierte Energieerzeugung, ohne die dafür erforderliche Netzinfrastruktur, kann die Energiewende nicht herbeiführen. 

Kommunikation der Energiewende braucht die Gemeinden

Neben diesen Aspekten darf nicht vergessen werden, dass die Energiewende nur dann machbar sein wird, wenn sie den Bürgerinnen und Bürgern entsprechend kommuniziert und von diesen mitgetragen wird. Für die Kommunikation an die Bevölkerung sind die Gemeinden als bürgernächste Ebene notwendig.

In vielen Bereichen hat man dies auch erkannt und die Gemeinden miteingebunden. Egal ob es klimafitte Regionen, e5-Gemeinden oder andere Aktionspläne sind, hier vertraut man auf die Überzeugungsarbeit durch die Gemeinden.

Auch bei den Energiegemeinschaften setzt man auf die Gemeinden, da Sie ohne die Federführung und positive Beispielswirkung durch Gemeinden nur schwer umsetzbar sind. Bemerkenswert erscheint nun die Lösung im UVP-Gesetz, mit der man eine Verfahrensbeschleunigung unter anderem auch bei erneuerbaren Energieträgern erreichen will.

Windkraftanlagen sollen ohne Flächenwidmung errichtet werden dürfen

Mit einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Verschiebung der Kompetenzverteilung bei Windkraftanlagen werden die Gemeinden insofern übergangen, als künftig für Windkraftanlagen keine Flächenwidmung, die durch den Gemeinderat erfolgt, erforderlich ist.

In von den Ländern vorgesehenen Eignungszonen, wie zum Beispiel in Niederösterreich und der Steiermark, wird die Mitwirkung auf die bloße Parteistellung im Verfahren reduziert.

Abgesehen davon, dass für diesen Kompetenzeingriff keine verfassungsrechtliche Grundlage vorliegt, wird damit auf die Einbindung der Gemeinde und die darin liegende Diskussion und Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern verzichtet. Es wird auch notwendig sein, die Vorteile für die lokale Bevölkerung sichtbar zu machen, da diese ja auch die Auswirkungen vor der Haustüre hat.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Stadt Aschersleben in Sachsen-Anhalt, wie in einer aktuellen Ausgabe des deutschen Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ nachzulesen war. Die Bereitschaft der Bevölkerung, weitere Windkraftanlagen zu akzeptieren, konnte dadurch erreicht werden, dass der lokal produzierte Strom auch lokal zur Verfügung gestellt wird – zum Beispiel in Form einer Energiegemeinschaft – und die Gemeinde beziehungsweise die Bevölkerung von günstigen Strompreisen profitiert.  Das geht aber nur, wenn die Gemeinden eine entsprechende Einbindung in den Prozess und Einfluss in die Standortfestlegung haben.

Die wahren Bremsklötze für den Ausbau erneuerbarer Energieträger

Offenbar hat sich in Österreich die – auch in anderen Bereichen vorherrschende – Meinung durchgesetzt, dass die Gemeinden mit der Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensraumes, ausgedrückt durch die Flächenwidmung, überfordert wären. Das mit einer derartigen Vorgangsweise keine Beschleunigung der Verfahren erreicht werden kann, liegt auf der Hand.

Dass die Gemeinden Vorreiter für viele Projekte zur Erreichung der Energiewende waren und sind und damit auch Motivatoren für Bürgerinnen und Bürgern hat man schlicht vergessen. Die wahren Bremsklötze für den Ausbau erneuerbarer Energieträger sind der Landschaftsschutz, der Naturschutz, die Biodiversität und der Artenschutz und daran wird auch die Novelle zum UVP-Gesetz nichts ändern.  Ob die Energiewende daher so machbar ist, kann durchaus in Frage gestellt werden.