Baugebiet für Wohneigentum
Künftig soll im Rahmen eines Monitorings regelmäßig die Flächeninanspruchnahme erhoben werden. Nach dem dafür vorgesehenen dreijährigen Zyklus sollen erstmals 2025 detaillierte Aussagen zu Entwicklungstendenzen der Flächeninanspruchnahme und in weiterer Folge eine quantitative Beurteilung des Erfolgs gesetzter Maßnahmen möglich sein.
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Der Status quo der Bodenstrategie für Österreich

Vor wenigen Wochen verkündete die Umweltschutzorganisation WWF in einer Pressemitteilung, dass in Österreich statistisch gesehen bereits am 21. März 2023 das „Nachhaltigkeitsziel“ der Bundesregierung von maximal 2,5 Hektar Bodenverbrauch pro Tag für das gesamte Jahr 2023 überschritten worden sei, und forderte eine verbindliche Bodenstrategie ein.

Doch wie schaut es mit dem angesprochenen „Nachhaltigkeitsziel“ von 2,5 Hektar tatsächlich aus und wie mit der Verbindlichkeit einer Bodenstrategie? Gibt es bereits ein verbindliches 2,5-Hektar-Ziel? Was ist der Status quo zur Bodenstrategie und kann einer solchen Verbindlichkeit zukommen? Diesen Fragen soll in diesem Artikel nachgegangen werden. 

Der Wunsch des Bundes nach einem Zielwert von 2,5 Hektar existiert schon seit zwei Jahrzehnten. Bereits 2002 setzte sich die damalige Bundesregierung mit der Österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie zum Ziel, bis 2010 die Flächeninanspruchnahme auf maximal ein Zehntel des damaligen Werts von 25 ­Hektar pro Tag zu verringern.

Auch im aktuellen Regierungsprogramm finden sich die 2,5 Hektar wieder. Laut diesem soll eine österreichweite Bodenschutzstrategie unter anderem einen Zielpfad zur Reduktion des Flächenverbrauchs auf netto 2,5 Hektar pro Tag bis 2030 darlegen. Abgesehen von solchen Proklamationen gibt es derzeit allerdings kein verbindliches 2,5-Hektar-Ziel.

Im Herbst 2021 beschlossen der Bund, die Länder sowie die Gemeinden und Städte in einer politischen Sitzung der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) aber die Erarbeitung einer Bodenstrategie für Österreich mit der zentralen Zielsetzung, die Zunahme der Flächeninanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen und das Ausmaß neu versiegelter Flächen bis 2030 substanziell zu verringern (KOMMUNAL berichtete darüber im November 2021).

Nach einjähriger Arbeit der ÖROK-Partnerschaft liegt als Ergebnis nun ein (nahezu) finalisierter Entwurf einer Bodenstrategie vor. Nach Validierung und Einarbeitung der vom Umweltbundesamt ermittelten Zahlen zur Flächeninanspruchnahme soll die Bodenstrategie noch im ersten Halbjahr 2023 veröffentlicht werden. 

Weder Ziel noch Zahlen

Entgegen der ein oder anderen Erwartung enthält das vorliegende Entwurfsdokument zur Bodenstrategie weder ein 2,5-Hektar-Ziel noch einen sonstigen Zahlenwert.

In Anbetracht der in der Vergangenheit uneinheitlichen Datenlage zum Bodenverbrauch war eine sachliche Diskussion dazu bislang nicht möglich. Nachdem erst seit Kurzem ­einheitliche und vergleichbare Daten vorliegen, soll das heikle Thema betreffend die Festlegung quantitativer Zielwerte und Flächenkontingente erneut in einem Aktionsplan angegangen werden.

Der Aktionsplan ist Teil der Bodenstrategie, in dem die geplanten Aktivitäten zur Umsetzung der Maßnahmen beschrieben und ­Meilensteine festgehalten werden. Dieser sieht in einem Folgeprozess zur Bodenstrategie unter anderem die Erarbeitung einer Methode zur Entwicklung plausibilisierbarer, regionalisierter und quanti­tativer Ziele unter Berücksichtigung räumlich-struktureller Gegebenheiten vor. 

Gemeindebund ist kritisch

Der Österreichische Gemeindebund steht der Festlegung quantitativer Zielwerte und Flächenkontingente weiterhin kritisch gegenüber. Ein „starres System“ mit festgelegten Zahlenwerten erscheint in Zeiten eines prognostizierten Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums als untauglich. Ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten einer gerechten Verteilung der verfügbaren Kontingente auf Bundesländer und Gemeinden.

Die Gemeinden und Städte sind jene Orte, in denen auch in Zukunft einer wachsenden Bevölkerung leistbarer Wohnraum, der Wirtschaft Flächen für Betriebe und Arbeitsplätze sowie letztlich die für die Energiewende benötigten Flächen für Photovoltaik- und Windkraftanlagen zur Verfügung zu stellen sein werden. Einstweilen darf man gespannt bleiben, wie sich die Diskussionen dazu weiter entwickeln werden.

Inhaltlich sind zur Bodenstrategie zwei Punkte im Besonderen zu erwähnen:

Erstens ein Modell zur Erfassung der Flächeninanspruchnahme und Berechnung des Status quo: Wie schon angesprochen, waren in der Vergangenheit die unterschiedlichen Zahlen zur Flächeninanspruchnahme immer wieder Kritik ausgesetzt. Da aber nur ein einheitliches Datenmaterial die Grundlage für eine sachliche und ernst zu nehmende Debatte und Beratung bietet, forderte der Österreichische Gemeindebund dies seit Jahren wiederholt ein.

Ein einheitliches und vergleichbares Erfassungsmodell der Flächeninanspruchnahme bildete daher ein zentrales Anliegen bei den Arbeiten zur Bodenstrategie. Herausgekommen ist erstmalig ein bundesweit harmonisiertes Modell für die Erfassung der Flächeninanspruchnahme in Österreich.

Das neu entwickelte Modell liefert die Basis für ein österreichweit einheitliches Monitoring und bildet die Flächeninanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen in einer bisher nicht verfügbaren Genauigkeit ab. Dabei werden alle relevanten und regelmäßig aktualisierten öffentlichen Verwaltungsdaten von Bund und Länder miteinbezogen.

Anhand dieses Modells ermittelte das Umweltbundesamt die Daten zum Status quo der Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke für das Jahr 2022. Diese Daten werden in diesem Jahr noch um Flächen für Freizeit- und Erholungszwecke sowie Ver- und Entsorgung und um die für Freiflächenphotovoltaik- sowie Windkraftanlagen genutzten Flächen ergänzt.

Künftig soll im Rahmen eines Monitorings regelmäßig die Flächeninanspruchnahme erhoben werden. Nach dem dafür vorgesehenen dreijährigen Zyklus sollen erstmals 2025 detaillierte Aussagen zu Entwicklungstendenzen bzw. Änderungsraten der Flächeninanspruchnahme und in weiterer Folge eine quantitative Beurteilung des Erfolgs gesetzter Maßnahmen möglich sein. 

Zweitens die Ziele und Maßnahmen der Bodenstrategie: Für die Erreichung einer Reduktion des Bodenverbrauchs empfiehlt die Bodenstrategie in einem Katalog Ziele und Maßnahmen.

Diese sind:

  • Schutz von Frei- und Grünland (Festlegung landwirtschaftlicher Vorrangzonen, Sicherung multifunktionaler Grünzonen, Schutz der Waldflächen und ihrer Wirkungen, Reduktion von Baulandüberhängen in Außenbereichen, Einschränkung von Bauten im Frei- und Grünland)
  • Unterbindung der Zersiedelung (Begrenzung der Bau- und Siedlungsentwicklung, Festlegung quantitativer Zielwerte und Flächenkontingente, Einschränkungen für flächenintensive Nutzungen, Anpassung finanzieller Instrumente, Kompensation für Flächeninanspruchnahme)
  • Effiziente Innenentwicklung (Schaffung kompakter, qualitätsvoller und klimafitter Siedlungsstrukturen, Mobilisierung geeigneter Baulandreserven, Recycling von Brachflächen und Mobilisierung von Leerständen, Förderung von Entsiegelung, Renovierungen und Adaptierungen, Verbesserung der Bodenbeschaffung und Bodenverfügbarkeit)
  • Intensivierung der Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit (zielgerichtete Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit, quantitativer Bodenschutz als Bildungs- und Forschungsaufgabe)

Verfassung legt Kompetenzen der Gebietskörperschaften fest

Dem Wunsch nach einer Verbindlichkeit der Bodenstrategie kann die ÖROK-Partnerschaft aber nicht nachkommen. Das Bundes-Verfassungsgesetz legt klar die Kompetenzen der einzelnen Gebietskörperschaften fest.

Mit der Bodenstrategie ist insbesondere die Kompetenz der Raumplanung angesprochen. Die Raumordnung ist als sogenannte „Querschnittsmaterie“ zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt. Als solche ist die Raumordnung von den einzelnen Gebietskörperschaften innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches zu besorgen.

Mit der ÖROK besteht eine Einrichtung zur Koordination der Raumordnung in Österreich. Die bundesverfassungsgesetzlich geregelten Kompetenzen können und sollen durch die ÖROK allerdings nicht ausgehebelt werden. Die Arbeiten bzw. Produkte der ÖROK haben deshalb lediglich einen empfehlenden Charakter. 

Abschließend bleibt festzuhalten, dass unabhängig von einem (künftigen) Bestehen oder Nichtbestehen eines 2,5-Hektar-Zieles der sorgsame Umgang mit Grund und Boden noch stärker Berücksichtigung finden muss.

Wenn auch ein geändertes Bewusstsein im Umgang mit der Ressource Boden in den letzten Jahren bereits Erfolge zeigte, wird es in den nächsten Jahren erheblicher Anstrengungen zu einer weiteren Reduktion des Bodenverbrauchs bedürfen. Mit der Bodenstrategie, insbesondere durch das geschaffene einheitliche Monitoringsystem und die empfohlenen Maßnahmen, wurde dafür eine Grundlage geschaffen.