Donauinsel
Bis zum 31. Dezember 2030 darf es in städtischen Ökosystemgebieten keinen Nettoverlust an der nationalen Gesamtfläche städtischer Grünflächen und städtischer Baumüberschirmung geben. Als Referenzjahr gilt das Jahr des Inkrafttretens der Verordnung.
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Umwelt

Mehr Grün, mehr Kosten? Was auf Gemeinden zukommt

Mit der Renaturierungsverordnung verpflichtet die EU Städte und Gemeinden, Grünflächen zu erhalten und auszubauen. Was zunächst nach einer begrüßenswerten Maßnahme klingt, stellt Kommunen vor ­enorme Herausforderungen – rechtlich, ­finanziell und planerisch. Während einige Gemeinden ihre Grünflächen ausweiten müssen, könnten andere von Ausnahmeregelungen profitieren. Doch vieles ist noch unklar: Welche rechtlichen Rahmenbedingungen braucht es? Wie können Gemeinden ihre Verpflichtungen umsetzen? Und wer übernimmt die Finanzierung? KOMMUNAL gibt einen Überblick über die wichtigsten Punkte.

Seit dem 18. August 2024 ist die umstrittene Verordnung (EU) 2024/1991 über die Wiederherstellung der Natur (Renaturierungsverordnung) in Kraft. Ihr Ziel: Bis 2050 sollen in der Europäischen Union geschädigte Ökosysteme und Lebensräume in einen guten Zustand versetzt werden. Als EU-Verordnung gilt sie unmittelbar, ohne dass es einer nationalen Umsetzung bedarf. Die Mitgliedstaaten sind jedoch verpflichtet, nationale Wiederherstellungspläne zu erstellen und darzulegen, wie sie die Ziele erreichen wollen. Bis spätestens 1. September 2026 müssen die Entwürfe dieser Pläne der Europäischen Kommission vorgelegt werden. In Österreich wird der Wiederherstellungsplan unter Federführung des Bundes und Einbeziehung der Länder sowie weiterer Stakeholder erstellt werden. 
Neben Land-, Wald- und Wasserökosystemen sind auch städtische Ökosysteme wiederherzustellen. In diesem Artikel wird die Verpflichtung zur Wiederherstellung städtischer Ökosysteme gemäß Artikel 8 näher betrachtet.

Kein Nettoverlust an städtischem Grün bis 2030

Die Renaturierungsverordnung sieht in einem ersten Schritt ein Verschlechterungsverbot vor: Bis zum 31. Dezember 2030 darf es in städtischen Ökosystemgebieten keinen Nettoverlust an der nationalen Gesamtfläche städtischer Grünflächen und städtischer Baumüberschirmung geben. Als Referenzjahr gilt das Jahr des Inkrafttretens der Verordnung. 

Spätestens Ende 2030 muss der Bestand an Grünflächen sowie an Baumüberschirmung somit mit jenem von 2024 verglichen werden. Dieser Vergleich sollte dann aufzeigen, dass es in Österreich zu keinem Grünflächenverlust sowie Verlust an Baumüberschirmung gekommen ist. Fraglich bleibt vorerst, was passiert, wenn dem nicht so sein sollte und ein Rückgang festgestellt wird. Strafbestimmungen sieht die Renaturierungsverordnung nämlich nicht vor.

In einem zweiten Schritt muss es ab 1. Jänner 2031 dann sogar einen steigenden Trend in Bezug auf die nationale Gesamtfläche städtischer Grünflächen sowie der städtischen Baumüberschirmung in städtischen Ökosystemgebieten geben. Diese Entwicklung soll alle sechs Jahre überprüft werden, bis ein „zufriedenstellendes Niveau“ erreicht ist. Was genau als zufriedenstellend gilt, lässt die Verordnung jedoch offen. Diese Definition obliegt den Mitgliedstaaten, wobei die Europäische Kommission bis Ende 2028 mittels Durchführungsrechtsakt einen Orientierungsrahmen für die Festlegung des zufriedenstellenden Niveaus schaffen soll.

Welche Gemeinden sind betroffen?

Die Verpflichtungen aus Artikel 8 gelten ausschließlich für städtische Ökosystemgebiete. Doch welche Gemeinden liegen nun in einem solchen Ökosystem? Die Renaturierungsverordnung verweist dazu auf den Verstädterungsgrad gemäß der Verordnung (EU) 1059/2003 (NUTS-Verordnung). Nach dieser werden lokale ­Verwaltungseinheiten (Local Administrative Units – LAUs) anhand einer Kombination aus räumlicher Kontiguität und Bevölkerungsdichte als Städte, kleinere Städte und Vororte bzw. ländliche Gebiete eingestuft. 

Artikel 8 der Renaturierungsverordnung bezieht sich auf Städte sowie kleinere Städte und Vororte. Nach derzeitigen Informationen sind in Österreich 467 Gemeinden mit rund sechs Millionen Menschen von Artikel 8 betroffen. Anders als der Begriff „städtisch“ vermuten lässt, finden sich aufgrund der Nähe zu einem Zentrum darunter auch kleinere, ländlich geprägte Gemeinden. Die Liste der betroffenen Gemeinden ist auf der Website des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) abrufbar.

Abgrenzung städtischer Ökosystemgebiete

Mit dem nationalen Wiederherstellungsplan müssen die städtischen Ökosystemgebiete der betroffenen Gemeinden abgegrenzt werden. Die Renaturierungsverordnung sieht die Möglichkeit vor, das gesamte Gemeindegebiet als städtisches Ökosystemgebiet auszuweisen oder sich auf die dicht bebauten Kernzonen (optional unter Einbeziehung angrenzender stadtnaher Gebiete) zu beschränken. 

Zusätzlich besteht die Möglichkeit, angrenzende Gemeinden zu einem gemeinsamen Ökosystemgebiet zusammenzufassen. Darüber hinaus können Mitgliedstaaten besonders „grüne“ Städte mit einem Grünflächenanteil von über 45 Prozent und einer Baumüberschirmung von mehr als 10 Prozent bis Ende 2030 von der nationalen Gesamtfläche ausnehmen. Damit würden diese Städte bei der Ermittlung des Nettoverlusts an der nationalen Gesamtfläche bis 2030 nicht berücksichtigt werden. 

Welche Abgrenzung letztlich gewählt wird, ob Gemeinden zusammengefasst werden und ob die Ausnahmemöglichkeit genutzt wird, wird sich im Rahmen der Erstellung des nationalen Wiederherstellungsplans entscheiden. Aus kommunaler Sicht sollte jenen Varianten der Vorzug gegeben werden, die den Handlungsspielraum der Gemeinden am wenigsten einschränken.

Folgen für die Gemeinden

Was bedeuten die Verpflichtungen aus Artikel 8 nun aber für die betroffenen Gemeinden? Immer dann, wenn durch Vorhaben (z. B. Bauprojekte) Grünflächen beansprucht werden, muss ein Ausgleich geschaffen werden. 

Mögliche Maßnahmen sind etwa die Entsiegelung von Flächen und die Umwandlung in Grünräume sowie die Begrünung von Dächern und Fassaden. Darüber hinaus werden Bund und Länder die gesetzlichen Rahmenbedingungen für weitere Maßnahmen schaffen müssen. Insbesondere für private Flächen braucht es rechtliche Möglichkeiten, um die Verpflichtung zur Grünflächenerhaltung umsetzen zu können. 

Eine weitere Option wäre die Umwandlung von Ackerflächen in Grünland. Laut der in der Verordnung angeführten Begriffsbestimmung werden städtische Grünflächen als die Gesamtfläche von Bäumen, Büschen, Sträuchern, dauerhafter krautiger Vegetation, Flechten und Moosen sowie Teichen und Wasserläufen definiert (Artikel 3 Ziffer 20). Ackerflächen zählen somit ausdrücklich nicht dazu. Die Umwandlung von Äckern in Grünflächen steht jedoch mit der Landwirtschaft in einem Konflikt und ist daher mit Blick auf die Ernährungssicherheit nur begrenzt umsetzbar.

Fazit

Bis September 2026 muss Österreich der Europäischen Kommission einen nationalen Wiederherstellungsplan vorlegen. Neben den bereits genannten Aspekten gibt es noch zahlreiche weitere offene Fragen zur Umsetzung der Vorgaben für städtische Ökosysteme. Für die Gemeinden ist entscheidend, rasch Klarheit über die eigene Betroffenheit und die erforderlichen Maßnahmen zu erhalten. Dabei geht es nicht zuletzt um die praktische Machbarkeit. Der Österreichische Gemeindebund wird daher jedenfalls in die Aus­arbeitung des nationalen Wiederherstellungsplans einzubinden sein. 

Eines steht aber schon fest: Die mit der Renaturierungsverordnung verbundenen Maßnahmen werden teuer. Die Europäische Kommission veranschlagte die Kosten für die Renaturierung in allen Mitgliedstaaten bis 2070 auf rund 154 Milliarden Euro. Damit die Gemeinden ihren Verpflichtungen nachkommen können, wird es zusätzliche finanzielle Mittel vom Bund und von den Ländern brauchen. 

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