Fassade eines Hauses
= Wer in Deutschland Wohnraum ohne Genehmigung zweckentfremdet, riskiert hohe Geldbußen – je nach Bundesland bis zu 500.000 Euro. Darüber hinaus kann die Gemeinde anordnen, dass eine nicht genehmigungsfähige Zweckentfremdung zu beenden und der Wohnraum wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zuzuführen ist.
© CURIOS - stock.adobe.com

Zweckentfremdungsverbot - Ein Werkzeug für mehr Wohnraum?

Angesichts der angespannten Wohnraumsituation in Städten und Gemeinden gewinnt das deutsche Zweckentfremdungsverbot an Relevanz. Könnte dieses Modell aus Deutschland auch hierzulande helfen, Wohnraum zu sichern?

Starkes Bevölkerungswachstum in Ballungszentren, ein Rückgang der Bautätigkeit sowie die Zunahme von Kurzzeitvermietungen führen dazu, dass leistbarer Wohnraum in vielen Städten zunehmend knapp wird. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Erhaltung des bestehenden Wohnraums an Bedeutung - nicht nur in urbanen Zentren, sondern auch in Tourismusregionen und wachstumsstarken Umlandgemeinden. Zentrale Frage dabei ist, wie sichergestellt werden kann, dass vorhandener Wohnraum tatsächlich zur Deckung des Wohnbedarfs der Bevölkerung genutzt wird. In diesem Artikel wird ein Blick nach Deutschland geworfen, wo mit dem sogenannten Zweckentfremdungsverbot ein Instrument zur Sicherung von Wohnraum existiert.

Was ist das deutsche Zweckentfremdungsverbot? 

Das Ziel des Zweckentfremdungsverbots ist es, sicherzustellen, dass Wohnungen auch wirklich Wohnzwecken dienen und nicht – dauerhaft oder temporär – dem Wohnungsmarkt entzogen werden. Die Nutzung von Wohnungen als Ferienunterkünfte, für die gewerbliche Nutzung oder ein längerer Leerstand ist somit nur in Ausnahmefällen zulässig. 

Die Gesetzgebungskompetenz für das Zweckentfremdungsverbot liegt bei den Bundesländern. Diese schaffen durch Landesgesetze die rechtlichen Grundlagen, auf deren Basis Gemeinden eigene Zweckentfremdungsverbotssatzungen erlassen dürfen. Mit der kommunalen Satzung werden die konkreten Regelungen für das Gemeindegebiet festgelegt. Dabei bestimmt die Gemeinde zum einen, ob das Zweckentfremdungsverbot für das gesamte Gebiet oder nur in Teilen davon gelten soll. Zum anderen werden in der Satzung nähere Regelung darüber getroffen, welche Nutzungen als Zweckentfremdung gelten und unter welchen Bedingungen Ausnahmen möglich sind. 

Zur Zweckentfremdung zählen etwa:

  • die Nutzung von mehr als 50 Prozent der Wohnfläche für gewerbliche oder freiberufliche Zwecke,
  • bauliche Veränderungen, durch die eine Wohnnutzung nicht mehr möglich ist,
  • die Nutzung als Ferienwohnung über eine durch Landesgesetz festgelegte Dauer pro ­Kalenderjahr hinaus,
  • Leerstand für eine durch Landesgesetz festgelegte Dauer oder
  • der vollständiger Abbruch der Wohnung.

Der Erlass einer Zweckentfremdungssatzung setzt voraus, dass in der Gemeinde die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Die Beurteilung ­dieser Gefährdung obliegt den Gemeinden selbst. Dabei sind insbesondere die Entwicklungen des örtlichen Wohnungsmarktes – wie Leerstand, Neubautätigkeit, Mietpreisentwicklungen und Bevölkerungswachstum – heranzuziehen, um das Vorliegen eines Wohnraummangels einschätzen zu können. 

Ausnahmen und Ausgleichsmaßnahmen

Wie bereits ausgeführt, verbietet das Zweckentfremdungsverbot die Nutzung von Wohnraum für andere Zwecke als das Wohnen, wobei aber Ausnahmen zulässig sein können. Sofern daher eine zweckfremde Nutzung von Wohnungen beabsichtigt ist, bedarf es dafür einer behördlichen Genehmigung. Diese ist von der Gemeinde zu erteilen, wenn überwiegende öffentliche oder besonders schutzwürdige private Interessen – etwa die Einrichtung sozialer Infrastruktur oder eine existenzbedrohende Lage der Eigentümer:innen – vorliegen. 

Alternativ kann eine Genehmigung auch gegen Leistung von Ausgleichsmaßnahmen erteilt werden, etwa durch die Verpflichtung zur Schaffung von Ersatzwohnraum oder durch die Zahlung eines einmaligen oder laufenden Ausgleichsbeitrags. Mit dieser Zahlung sollen die durch die Zweckentfremdung verursachten Kosten für die Schaffung neuen Wohnraums teilweise kompensiert und so ein Ausgleich für den Wohnraumverlust geschaffen werden. Einzelne Satzungen sehen monatliche Ausgleichszahlungen bis zur Höhe der durchschnittlichen Neuvertragsmiete vor. Die daraus erzielten Einnahmen sind zweckgebunden für die Schaffung von neuem Wohnraum in der Gemeinde zu verwenden. 

Durchsetzung und Mitwirkungspflichten

Wer Wohnraum ohne Genehmigung zweckentfremdet, riskiert hohe Geldbußen – je nach Bundesland bis zu 500.000 Euro. Darüber hinaus kann die Gemeinde anordnen, dass eine nicht genehmigungsfähige Zweckentfremdung zu beenden und der Wohnraum wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zuzuführen ist. Sofern der Leerstand auf den mangelhaften baulichen Zustand zurückzuführen ist, kann - sofern mit vertretbarem Aufwand möglich – auch eine Instandsetzung angeordnet werden. 

Ein zentrales Element bei der Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbots ist die Mitwirkungspflicht der Eigentümer bzw. der sonstigen Verfügungsberechtigten. Sie sind verpflichtet, der Gemeinde die für die Prüfung der Wohnraumnutzung erforderlichen Informationen sowie Unterlagen bereitzustellen bzw. vorzulegen. Für eine gezielte Datenerhebung werden die Eigentümer von Wohnraum angeschrieben, um Auskünfte über die konkrete Nutzung zu erhalten. Auf diese Weise soll eine vollständige Erfassung der Wohnraumnutzung ermöglicht werden, sodass die Gemeinde gezielt beratend und unterstützend tätig werden kann. Bei Verstößen gegen die Mitwirkungspflicht drohen – je nach Bundesland – Geldbußen von bis zu 500.000 Euro.

Ein Modell mit Potenzial für Österreich? 

Ein dem deutschen Zweckentfremdungsverbot vergleichbares Instrument gibt es in Österreich nicht. Zwar wurde in einigen Bundesländern eine Leerstandsabgabe eingeführt, um Anreize für die Nutzung von Wohnraum zu schaffen, doch entfaltet sie aufgrund ihrer derzeitigen Höhe kaum eine mobilisierende Wirkung. Viele Eigentümer lassen ihre Wohnungen daher weiterhin ungenutzt und zahlen stattdessen die Abgabe. 

Ein Zweckentfremdungsverbot könnte auch für österreichische Gemeinden mit angespannter Wohnraumsituation ein interessantes Instrument darstellen. Der hohe Verwaltungsaufwand bei der Erhebung von Leerstand zeigt jedoch, dass eine Umsetzung jedenfalls Verbesserungen im Vollzug bedürfte. 

In diesem Zusammenhang könnte die im deutschen Recht verankerte Mitwirkungspflicht einen entscheidenden Vorteil bieten: Durch die Verpflichtung aller Eigentümer, die Nutzung ihres Wohnraums zu deklarieren, erhielten die Gemeinden einen guten Überblick über die tatsächliche Nutzung der Wohnungen im Gemeindegebiet. Die hohen Strafen bei Zuwiderhandeln würden zudem Druck für eine wahrheitsgemäße Meldung schaffen. Im Idealfall wären damit weiterführende Nachforschungen seitens der Gemeinde nur bei unplausiblen Angaben oder fehlenden bzw. ausbleibenden Informationen erforderlich. 

Eingriff über freie Verfügbarkeit des Eigentums

Nicht unerwähnt zu lassen ist, dass mit einem Zweckentfremdungsverbot in das Recht des Einzelnen eingegriffen wird, über sein Eigentum frei verfügen zu können. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat gegen ein solches Verbot keine verfassungsrechtlichen Bedenken und die grundsätzliche Verfassungskonformität bereits in mehreren Entscheidungen bestätigt. 

Auch in Österreich müsste ein Zweckentfremdungsverbot insbesondere am verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsschutz gemessen werden. Eingriffe in dieses Grundrecht sind nur zulässig, wenn sie einem bestimmten öffentlichen Interesse dienen – im konkreten Fall der Sicherstellung leistbaren Wohnraums für die Bevölkerung – und verhältnismäßig sind. 

Ein schnelles Fazit

Ein praxistauglich ausgestaltetes Zweckentfremdungsverbot könnte in Österreich einen Beitrag zur Sicherung von Wohnraum leisten. Zwar darf man sich davon keine Wunder erwarten, doch mit einem besseren Überblick über die tatsächliche Nutzung des Wohnraums wären die Gemeinden in der Lage, gezielter zu handeln und im Bedarfsfall unterstützend einzugreifen – im Sinne einer nachhaltigen Wohnraumsicherung für die Bevölkerung. 
 

Schlagwörter