Alexander Stangassinger
Alexander Stangassinger: „Hallein ist ein Rohdiamant, der noch ein bisschen geschliffen gehört.“
© STGHA/MÜSELER

Der Logistiker als Bürgermeister

Alexander Stangassinger hat gelernt zu organisieren. Als Bürgermeister von Hallein hilft ihm dieses Können – bei der Hochwasserkatastrophe ebenso wie bei seinem Einsatz für die Kinderbetreuung und den Tourismus.

Hallein muss man eigentlich nicht vorstellen. Die zweitgrößte Stadt im Land Salzburg hat eine lange Geschichte, die seit vielen Jahrhunderten eng mit der Salzgewinnung verbunden ist und in jüngerer Zeit auch mit der Industrie. Die Salinenstadt ist die Hauptstadt des Tennengaus, und seit zweieinhalb Jahren heißt ihr Bürgermeister Alexander Stangassinger.

Hallein
Blick auf Hallein, dessen Zentrum zwischen der Salzach und dem Dürrnberg, dem Halleiner Salzberg, liegt. Foto: SalzburgerLand Tourismus / Hallein

 „Ich habe höchsten Respekt vor allen Menschen, die täglich in die Arbeit gehen“, bekennt Stangassinger im KOMMUNAL-Interview. „Ich bin ein relativ einfacher Mensch, habe 1985 eine kaufmännische Lehre abgeschlossen und meine Mutter bei einem tragischen Unfall früh verloren“, erzählt er von seinen Anfängen.

Er begann bei der Firma MACO Beschläge und arbeitete sich im Unternehmen über 30 Jahre lang hinauf – vom „normalen“ Angestellten bis zum Lo­gistik­leiter zweier Standorte des Industriebetriebs. „Ich komme aus einer durchschnittlichen Arbeiterfamilie. Mein Vater war Maurer, meine Mutter war früher Wirtin und hat dann in der Schule geputzt“, erklärt Stangassinger, der sich zudem schon früh im Angestellten-Betriebsrat engagierte.  

„Als Betriebsrat weiß ich, was Menschen bewegt, wo der Schuh drückt und wo sie ihre Probleme haben.“ Als Bürgermeister kommen Stangassinger diese Erfahrungen heute zugute. „Durch diese Rolle habe ich zwar eine gewisse Nähe zur SPÖ gehabt, aber nie mit dem Gedanken gespielt, einer Partei beizutreten.“ Durch Zufall passierte es dann doch, als ihn im Jahr 2006 jemand fragte, ob er der SPÖ beitreten wolle. 2009 zog er in die Gemeindevertretung ein, 2014 in den Stadtrat und 2019 wurde er schließlich Bürgermeister.

Rathaus in Hallein
Das Rathaus von Hallein – der Ort wurde bereits im frühen 13. Jahrhundert zur Stadt erhoben. 

Die Erfahrungen als Logistikleiter helfen Stangassinger in dieser Funktion ungemein: „Weil ich in meiner 31-jährigen Tätigkeit doch gelernt habe, Dinge neu zu organisieren, zu optimieren und von Grund auf neu aufzustellen. Das hat schon beim Hochwasser und anderen Dingen sehr geholfen, dass man zu organisieren gelernt hat.“

Dank an Helfer nach der Hochwasserkatastrophe

Stangassinger spricht damit die massiven Überschwemmungen an, die es gab, als im Juli 2021 der Kothbach über die Ufer trat. Die Schäden sind zwar noch lange nicht alle beseitigt, aber „wir haben es in relativ kurzer Zeit geschafft, unsere Stadt wieder aufzuräumen und den Leuten Hoffnung zu geben – mithilfe von Hunderten freiwilligen Helfern und Feuerwehrleuten, die bis aus dem Lungau oder der Stadt Salzburg kamen. Das ist für mich nicht selbstverständlich, dass auf einmal Hunderte Leute dastehen und fragen, was sie tun und wo sie helfen können. Wir sind diesen Menschen sehr dankbar und ich bin sehr stolz auf den Zusammenhalt der Bevölkerung in der Hochwasserkatastrophe. Auf unserem Spendenkonto ist bis jetzt mehr als eine halbe Million Euro eingegangen.“

Ob Flutkatastrophe oder Pandemie – einem Bürgermeister durchkreuzen gröbere Überraschungen oft die Pläne. Eigentlich möchte Stangassinger nämlich den Tourismus forcieren, denn „Hallein ist ein wirkliches Juwel. Welcher Bürgermeister kann schon sagen, er hat eine eigene Insel? Die Geschichte geht weit zurück und inzwischen entwickelt sich Hallein auch zu einer touristischen Geheimadresse. Wir sind der kleine Bruder der Stadt Salzburg. Wir haben eine unheimlich schöne Altstadt und die Kulturszene oder auch die Kreativszene entwickeln sich gewaltig. Hallein ist aus meiner Sicht ein Rohdiamant, der noch ein bisschen geschliffen gehört.“

Pernerinsel in Hallein
Die Pernerinsel liegt inmitten der Salzach. Die stillgelegte Salinenanlage darauf wurde zu einer Spielstätte der Salzburger Festspiele. Weiteres Entwicklungspotenzial ist vorhanden.

Auf die Nachfrage, was denn geschliffen gehöre, nennt Stangassinger den Ausbau des touristischen Angebots. Der Tourismus spielt in Hallein noch eine untergeordnete Rolle, „aber ich habe es mittlerweile geschafft, dass wir ein Hotel revitalisieren, das jahrelang leer gestanden ist. Dann haben wir über 100 Hotelbetten in der Innenstadt und somit potenziell über 35.000 zusätzliche Nächtigungen im Jahr mehr. Zu unseren Salzwelten am Dürrnberg kommen jährlich circa 300.000 Besucher und wir wollen es schaffen, dass viele dieser Besucher länger bei uns bleiben.“

Adventmarkt in Hallein
Bürgermeister Stangassinger will den Tourismus in Hallein forcieren. Anziehungspunkte wie die historische Altstadt gibt es genug. Foto: Ailura C BY-SA 3.0 at / Hickmann CC BY-SA 4.0

Ganz oben auf Stangassingers Agenda steht auch der Ausbau der Kinderbetreuung. „Da gab es massive Rückstände. Als ich übernahm, waren 130 Kinder auf der Warteliste. Seit meinem Amtsantritt haben wir 66 zusätzliche Kinderbetreuungsplätze geschaffen und eine Einrichtung mit 91 Kindern vom Hilfswerk übernommen, womit die Stadt jetzt circa 850 Kinder betreut. Mein Ziel ist es, dass bis spätestens 2030 jedes Kind in Hallein einen öffentlichen Kindergartenplatz hat. Möglicherweise kann ich das auch schneller erreichen, weil ich gerade dabei bin, einen zusätzlichen Kinder­garten zu errichten, und noch zwei weitere Standorte im Auge habe.“

Ressourcenpark statt Müllplatz

Zu den Versäumnissen der Vergangenheit gehören für Stangassinger auch das Thema Müllentsorgung und die zugehörigen Müllplätze. „Die Firma, die gerade in Graz den Wertstoffsammelplatz plant und baut, ist auch unser Berater. Wir wollen weg von einem Müllplatz und sind bereits in der Endplanung für einen Ressourcenpark, der sowohl architektonisch als auch funktional ein Quantensprung in Hallein sein wird. Das wird ein Vorzeigeobjekt, wie es das im Bundesland Salzburg noch nicht gibt.“ 

Ein drittes Projekt und Dauerthema ist die Sanierung der Brücken. „Hallein hat über achtzig Brücken, und da ist in den vergangenen Jahren leider sehr wenig passiert. Nun muss man viele Millionen hineinstecken“, erklärt der Bürgermeister. In dem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wie sich die Pernerinsel in der Salzach weiterentwickeln soll. „Vor 30 Jahren ist diese Insel gekauft worden, und so steht sie im Großen und Ganzen auch jetzt noch da. Sie wird zwar als Kulturinsel genutzt, aber es kann bestimmt zusätzliche Nutzungen für die Bevölkerung geben. Dazu starten wir im Frühling einen Bürgerbeteiligungsprozess“, berichtet Stangassinger.

Kraft aus der Familie

„Im Nachhinein ist man oft ein bisschen gescheiter“, bekennt der Bürgermeister als Antwort auf die Frage, ob er eine Entscheidung bereue. „Ich bin der Meinung, und das habe ich auch in meinem Beruf so gelebt, wenn  80 oder 90 Prozent der Entscheidungen passen, dann ist das eigentlich ein relativ guter Schnitt. In der Politik wird halt oft auf die zehn Prozent hingehackt, die vielleicht nicht so optimal waren. Wesentlich ist jedoch, dass etwas passiert und weitergeht. Dass man morgen, wenn man neue Informationen zu einem Thema hat, gescheiter ist als heute, ist klar. Gewisse Dinge muss man sich von Zeit zu Zeit anschauen und evaluieren, denn was heute gescheit ist, muss in einem Jahr nicht mehr gescheit sein. Irgendetwas kann man immer verbessern und für Verbesserungen bin ich immer offen“, sagt der Bürgermeister, der seine Kraft aus dem Privatleben schöpft.

„Ich für mich bin völlig zufrieden, habe eine funktionierende Familie, bin seit 33 Jahren mit meiner Frau zusammen, mein Sohn ist 28 Jahre alt, am Ende seines Studiums und hat mittlerweile sechs Bachelorstudien abgeschlossen. Wir sind alle gesund, haben ein Dach über dem Kopf und alle Tage etwas zu essen und zu trinken.“ Luxus ist für Stangassinger, einfach daheim im Garten im Liegestuhl zu liegen. „Ich bin wirklich sehr zufrieden mit meinem Leben. Eines der schönsten Dinge für mich ist, wenn ich andere Menschen ein bisschen unterstützen und ihnen helfen kann. Mir macht das wirklich Spaß, etwas weiterbringen zu dürfen. Wir versuchen, in vielen, vielen kleinen Schritten vorwärts zu kommen.“  

Ein Thema, bei dem seine Handlungsmöglichkeiten beschränkt sind, macht dem Bürgermeister allerdings große Sorgen. „Das Problem teilen viele Kolleginnen und Kollegen mit mir, denn das betrifft nicht nur Hallein. Es geht um die dramatische Lage in der Pflege.“

Sorgen wegen fehlendem Pflegepersonal

Trotz langer Warteliste streicht das Rote Kreuz in Hallein Pflegebetten (derzeit 20 von 144), weil das Pflegepersonal fehlt. „Die Pflege ist kein Beruf, sondern Berufung. Für den Job muss man auch geeignet sein und nicht jeder ist das. Man sollte die Ausbildung nicht unnötig akademisieren. Und man muss aus meiner Sicht extrem aufpassen, dass man die Mitarbeiter, die man jetzt noch hat, nicht auch noch verliert, indem man sie ausbrennen lässt“, appelliert Stangassinger in Richtung Bund und Land. 

Zur Person

Alexander Stangassinger

Alter: 54

Gemeinde: Hallein

Einwohnerzahl: 23.3523 (2021)

Bürgermeister seit: April 2019

Partei: SPÖ