Gesprächsrunde aus 4 Kommunalpolitikern
Jakob Richter (Sprecher des Initiativkreises der Europäischen Metropolregionen in Deutschland), Stephan Pernkopf (Präsident des Ökosozialen Forums), Franz-Reinhard Habbel (Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes) und Moderator Hans Bürger.
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Alle Potenziale ausschöpfen

30. August 2016
Welchen Mehrwert Kooperationen in der Praxis bringen und welche Potenziale es für Zusammenarbeit unter Kommunen noch gibt, zeigten drei Impulsreferate und eine anschließende Podiumsdiskussion.

Gleich drei Vortragende zeigten bei den Kommunalen Sommergesprächen den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern neue Potenziale bei Kooperationen auf. Auch hier öffnet manchmal der Blick über den Tellerrand neue Blickwinkel.



Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, zeigte auf, dass durch Kooperationen ein Mehrwert entstehen kann, aber auch, woran sie scheitern – Machtverlust, Kontrollverlust, Disparitäten zwischen den Beteiligten, keinen Überblick zu haben und ein Zuviel des Guten können gute Absichten zum Scheitern bringen. Die Chancen liegen hingegen im Effizienzsteigern, der stärkeren Bürgernähe, der Konsumförderung, der Kostenreduktion, der Schwarmintelligenz, der Teilhabemöglichkeiten und der schnellen Fehlerkorrektur. „Unsere Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen. 2030 werden fast 80 Prozent der Menschen in Europa in den Städten leben, 2020 gibt es weltweit 50 Milliarden Smart Devices, jedes zweite Neugeborene wird in Deutschland seinen 100. Geburtstag erleben und 49 Prozent der Kölner Bürger unter 18 Jahren werden Migrationshintergrund haben. Außerdem wird uns nur die deutsche Energiewende eine Billiarde Euro kosten. Das heißt, wir müssen alle Potenziale ausschöpfen, um unsere Gesellschaft für diese Herausforderungen fit zu machen“, machte Habbel klar.

Zusammenarbeit in der Metropolregion Hamburg



Wie das in der Praxis aussehen kann, hat der Sprecher des Initiativkreis der Europäischen Metropolregionen in Deutschland, Jakob Richter, anhand des Beispiels der Metropolregion Hamburg aufgezeigt. Hier arbeiten vier Bundesländer, 17 (Land-)Kreise und über 1100 Städte und Gemeinden zusammen. „Die Notwendigkeit der Kooperation erkennt man am besten aus der globalen Perspektive. Hamburg alleine hat 1,8 Millionen Einwohner, Shanghai 14 Millionen.



Als der Bürgermeister von Shanghai in Hamburg zu Gast war, sprach Hamburgs Bürgermeister Scholz nur mehr von der Metropolregion, denn die hat zumindest fünf Millionen Einwohner“, erklärte Richter schmunzelnd. Wichtig sei vor allem, dass die Kooperation auf Augenhöhe stattfindet, das Prinzip der Freiwilligkeit gilt, die konkrete Umsetzung immer von „unten“ stattfindet, die Geschäftsstelle unterstützend und bei der Öffentlichkeitsarbeit zur Seite steht und vor allem, dass alle Entscheidungen im Konsens fallen.



„In der Metropolregion Hamburg dauerte es 20 Jahre, bis man von der Konsensentscheidung zur Mehrheitsentscheidung kam. Diese Zeit brauchte es, bis das Vertrauen der einzelnen Akteure in die Kooperation groß genug war. Von den Projekten, wie gemeinsamen Verkehrskonzepten, der Vernetzung von Hochschulen, der Kultur- und Sportförderung, der Vermarktung regionaler Produkte oder dem gemeinsamen Standortmarketing, profitiert am Ende nicht nur der städtische Raum. „Die ländlicheren Räume ziehen beispielsweise großen Nutzen aus dem verbesserten Nahverkehr, weil das Pendeln einfacher wurde, aber auch die Städter leichter tagestouristische Ziele erreichen konnten“, betonte Richter.

Kooperationsfelder Energiewende, Digitalisierung und Daseinsvorsoge



Stephan Pernkopf, Niederösterreichischer Landesrat und Präsident des Ökosozialen Forums Österreich, zeigte auf, dass durch die neuen Herausforderungen, die neuen Medien, neue Mobilität und neue Erwartungen auch neue Wege der Zusammenarbeit gefunden werden müssen. In seiner Funktion hat er auch schon das Buch „Wer sich bewegt, verliert nicht“ zu diesem Thema herausgegeben, bei dem MEP Elisabeth Köstinger und Franz Schellhorn als Co-Autoren fungieren.



Für ihn ist klar: „Die dezentralen Strukturen sind die besten Begleiter für Innovation und fiskalische Disziplin. Gemeinden sind das Scharnier zwischen dem Bürger und der Politik.“  Mögliche Kooperationsfelder sind aus seiner Sicht die Energiewende, die Digitalisierung und die Daseinsvorsoge im Bereich Medizinische Versorgung und Pflege, Mobilität, Bildung und Nahversorgung. „Bürgermeister müssen als Vertrauensanwälte erhalten bleiben. Die Gemeindeautonomie ist uns heilig. Daher hat Kooperation Vorrang vor einem möglichen Identitätsverlust. Und Kooperationen ermöglichen einen passenden Standortwettbewerb um Arbeitsplätze. Ich bin überzeugt davon, dass dort, wo die Bürger vor Ort serviciert werden, der beste Service ist“, betonte Pernkopf.