Staatssekretär Sepp Schellhorn, Eric Kirschner von Johanneum Research, Kärntens Landeshauptmann-Stellvertreterin Gaby Schaunig, Moderator Thomas Hofer, Hans Aubauer, Leiter des Gesundheitsbereichs bei der UNIQA-Versicherung, Post-CEO Walter Oblin und Gerhard Christiner, Vorstandssprecher der Austria Power Grid APG
Staatssekretär Sepp Schellhorn, Eric Kirschner von Johanneum Research, Kärntens Landeshauptmann-Stellvertreterin Gaby Schaunig, Moderator Thomas Hofer, Hans Aubauer, Leiter des Gesundheitsbereichs bei der UNIQA-Versicherung, Post-CEO Walter Oblin und Gerhard Christiner, Vorstandssprecher der Austria Power Grid APG
© Jürg Christandl

Gemeindetag und Kommunalmesse

Zusammenarbeit statt Kirchturmdenken

Infrastruktur, Digitalisierung, Gesundheitsversorgung – die Herausforderungen für Österreichs Gemeinden sind gewaltig. Bei einer Fachtagung am Gemeindetag diskutierten hochrangige Vertreter aus Politik und Wirtschaft über Lösungsansätze. Die zentrale Botschaft: Ohne Zusammenarbeit über alle Ebenen hinweg wird die Transformation nicht gelingen.

„Die Lösung aller Herausforderungen ist hier im Raum: Das ist die Zusammenarbeit aller politischen Ebenen", brachte es Kärntens Landeshauptmann-Stellvertreterin Gaby Schaunig auf den Punkt. An ihrer Seite saßen Staatssekretär Sepp Schellhorn, Post-CEO Walter Oblin, APG-Vorstandssprecher Gerhard Christiner, UNIQA-Gesundheitsexperte Hans Aubauer sowie Eric Kirschner von Johanneum Research. Moderiert wurde die Runde von Thomas Hofer.

Stromnetze als Lebensadern

Der Einstieg erfolgte über die Koralmbahn, die demnächst eröffnet wird – ein Projekt, das lange umstritten war. „Verkehrsadern sind Lebensadern", betonte Schaunig. Kärnten profitiere von der großartigen geopolitischen Lage, die nun noch verbessert werde.

Christiner zog die Parallele zur Energieinfrastruktur: „Nicht nur Bahnstrecken, sondern auch Stromnetze sind Lebensadern." In Kärnten fehle ein großes Stück an leistungsfähigen Leitungen. Die geplante 380-kV-Leitung vom Völkermarkt nach Lienz in Osttirol soll diese Lücke schließen und den Süden mit dem windreichen Osten verbinden.

„Wenn man die Ziele, die wir uns bei der Dekarbonisierung gesetzt haben, erreichen will, dann muss man konsequent sein", mahnte der APG-Chef. Doch der Netzausbau stockt oft an fehlenden politischen Bekenntnissen. Erfahrungen wie bei der Salzburg-Leitung zeigen, wie langwierig Verfahren werden, wenn Gemeinden nicht eingebunden werden.

Christiner forderte klare politische Unterstützung: „Act global, think local. Wir leben in einem europäischen Binnenmarkt und müssen überregionale Infrastrukturprojekte unterstützen." Für Gemeinden, die in Netzausbau investieren, bedeute das langfristig günstigere Strompreise und eine Position als zukunftsfähiger Wirtschaftsstandort.

Digitalisierung: Vom Produkt zum Service

„Wir müssen das Thema Energie anders denken: Strom ist kein Produkt, sondern ein Service", erklärte Christiner. Der Ausbau intelligenter Netze mit Speichern, Lastmanagement und KI-gestützten Prognosen sei unverzichtbar. Datacenter würden künftig statt zwei Prozent rund zehn Prozent des Stromverbrauchs ausmachen – darauf müsse man sich vorbereiten.

Schellhorn pflichtete bei: „Hier müssen wir weg vom Kirchturmdenken, dass jeder Landes-Energieerzeuger sein eigenes Süppchen kocht." Der Bund müsse den Gemeinden helfen, etwa bei der Digitalisierung und beim Benchmarking. „Ich will hier liefern, auch weil wir den Druck aus den Gemeinden spüren."

Doch es hakt noch an vielen Stellen. Ein Beispiel aus dem Gesundheitsbereich nannte Schellhorn aus eigener Erfahrung: „Da muss die Pflegeperson die E-Card meiner Mutter holen und damit zum Arzt und dann in die Apotheke. Hier kann die Digitalisierung helfen."

Auch der digitale Datenaustausch zwischen öffentlichen und privaten Akteuren funktioniert oft nicht. Gescannte Wahlarztrechnungen können nicht in öffentliche Systeme integriert werden – obwohl das technisch längst möglich wäre.

Gesundheit: Private Anbieter als Partner

3,6 Millionen Österreicher haben mittlerweile eine private Zusatzversicherung – nicht aus Komfort, sondern aus Sorge, überhaupt versorgt zu werden. „Private Anbieter werden im Gesundheitsbereich immer wichtiger", stellte Kirschner fest. Auch Telemedizin und Digitalisierung spielten eine wachsende Rolle.

Aubauer von der UNIQA betonte: „Wir müssen die Menschen ins Boot holen, selbst etwas für ihre Gesundheit zu tun. Private Anbieter spielen dabei eine wichtige Rolle." Vor großen Tech-Konzernen fürchte er sich nicht: „Krankenversicherung ist ein komplexes Geschäft."

Schaunig zeigte sich da skeptischer: „Wenn Zuckerberg der größte Gesundheitsanbieter werden will, dann macht mir das Angst.“ Es brauche einheitliche Regeln in Europa. Aubauer entgegnete gelassen: „Ich fürchte mich nicht vor den großen Anbietern."

Post: Zwischen Regulierung und Wettbewerb

Die Österreichische Post steht exemplarisch für den Transformationsdruck. Das Briefvolumen ist seit 2008 um 60 Prozent geschrumpft, der Paketmarkt boomt – doch dort herrscht harter Wettbewerb. „Wir haben 10.000 Zusteller und stellen auch am Samstag zu. Wir haben die größte Elektroflotte Österreichs", berichtete CEO Oblin.

Doch die Post ist streng reguliert, während Mitbewerber oft mit Scheinselbstständigkeiten arbeiten. „Wir wünschen uns eine Modernisierung der Regulierung, vor allem bei den Preisen, weil wir mit Mitbewerbern konkurrieren müssen, die dieser Regulierung nicht unterliegen", sagte Oblin.

Schaunig stimmte zu: „Auf der einen Seite haben wir die Post, die einer strengen Regulierung unterworfen ist, auf der anderen sind Unternehmen, die mit Scheinselbstständigkeiten arbeiten. Hier muss es Fairness geben. Es braucht strenge Regelungen in Europa."

Schellhorn gab zu bedenken: „Europa ist nicht nur ein Land, sondern 27 unterschiedliche Märkte mit unterschiedlichen Gesetzgebungen." Aber: „Ich bin sehr für Wettbewerb, aber er muss fair sein."

Für Gemeinden ist die Post wichtig: 1.700 Geschäftsstellen, darunter 1.300 Postpartner, bilden ein Rückgrat für die Daseinsvorsorge. „Unsere Zusteller fahren in die entlegensten Täler, und das wird auch so bleiben. Postpartner bieten Nahversorgern oft die Möglichkeit zum Überleben", versicherte Oblin. Allerdings: „Wir stehen vor der Herausforderung, dass wir oft keine Mitarbeiter finden."

Kooperation statt Fusion

Als Moderator Hofer die Diskutanten fragte, was sie als Bürgermeister tun würden, wurde deutlich: Interkommunale Zusammenarbeit ist der Schlüssel. „Das Wichtigste ist, gemeinsam strategisch vorzugehen. Wir brauchen interkommunales Denken, weil die meisten Gemeinden zu klein sind", sagte Kirschner.

Schaunig warnte vor übereilten Gemeindefusionen: „Der finanzielle Nutzen von Gemeindezusammenlegungen ist überschaubar, der politische Schaden ist aber enorm." Stattdessen brauche es praxisnahe Kooperationen – etwa bei Bauhöfen oder Verwaltungseinheiten.

Doch die Rahmenbedingungen bremsen: Wenn auf gegenseitig erbrachte Leistungen 20 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden, hemmt das die Zusammenarbeit. Auch der Finanzausgleich wurde kritisiert. Er verfolge kurzfristige Förderlogiken, statt Zuständigkeiten und Finanzierungspfade systemisch neu zu ordnen.

Das Wirtshaus als politischer Ort

Schellhorn wurde persönlich: „Ich bin ein Wirthauskind und weiß, wie wichtig ein Wirtshaus im Ort ist. Im Wirtshaus wird am Stammtisch geredet – und zwar über Parteigrenzen hinweg. Dieses Denken brauchen wir. Volkswirtschaftlich ist das vielleicht sinnlos, aber für die Kommunikation brauchen wir solche kommunalen Plätze. Einen Leichenschmaus will man nicht im Tankstellencafé machen!"

Der Verlust von Wirtshäusern, Nahversorgern und Treffpunkten dünne viele Gemeinden aus. Diese Räume seien nicht nur wirtschaftlich, sondern sozial relevant – Orte, wo Begegnung und Gemeinsinn gelebt werden.

Schaunig dankte abschließend allen, die auf kommunaler Ebene arbeiten: „Bürgermeister sind für alles verantwortlich und bekommen direkte Rückmeldungen." Sie forderte bessere Absicherungen für Gemeindemandatare, etwa bei Haftungsfragen.

Oblin fasste zusammen: „Wir alle haben einen massiven Druck, uns zu verändern. Wir müssen gemeinsam nach vorne schauen.“ Und Schaunig betonte: „Die Politik hat eine Quelle für Optimismus und Zukunftshoffnung zu sein."

Die Fachtagung zeigte klar: Die Herausforderungen sind gewaltig, aber lösbar – wenn Bund, Länder und Gemeinden an einem Strang ziehen, faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden und die Digitalisierung endlich Fahrt aufnimmt.

Schlagwörter